Tennisspielerin im Sportschau-Interview Petkovic: "Habe Billie Jean King alles zu verdanken"

Stand: 01.11.2021 08:00 Uhr

Die deutschen Tennis-Frauen starten in den Billie Jean King Cup in Prag. Im Interview spricht Andrea Petkovic über den neuen Wettbewerb - und ihre Bewunderung für die Namensgeberin.

Von Jannik Schneider

sportschau.de: Andrea Petkovic, der Fed Cup heißt jetzt Billie Jean King Cup und wird nicht mehr über das Jahr verteilt in direkten Duellen mit Heim- und Auswärtsatmosphäre ausgetragen – sondern in Form einer WM-Endrunde. Sagt Ihnen das neue System zu?

Petkovic: Als Tennisfan würde ich zum Billie Jean King Cup fahren. Das Flair eines Nationalwettbewerbs mit den besten Spielerinnen eines Landes ist etwas Besonderes. Als Spielerin selbst finde ich es besser, wenn nur zwei Nationen gegeneinander antreten – zu Hause, aber gerne auch auswärts. Ich erinnere mich an eine Begegnung gegen Rumänien in der Relegation in Cluj 2016. Natürlich waren die Fans komplett gegen uns, aber ich hatte dennoch Gänsehaut. Es war einfach unglaublich, vor diesen für die Heimmannschaft jubelnden Fans zu spielen.

Petkovic: "Billie Jean King alles zu verdanken"

sportschau.de: Billie Jean King, die in den späten 60ern und frühen 70ern für ihren großen Einsatz für das Frauentennis und die fairere Bezahlung weiblicher Spielerinnen bekannt geworden ist, ist Namensgeberin des Turniers. Dank ihrer Boykottdrohung zahlte der amerikanische Verband 1973 der Siegerin der US Open erstmals das, was auch der Sieger erhielt. Außerdem war sie mitverantwortlich für die Gründung der WTA-Tour.

Petkovic: Für mich ist sie eine Ahnin, wegen der ich spiele. Wenn es nicht so läuft und ich mehrere Dinge gleichzeitig mache, denke ich oft an sie, und was sie alles zu schultern hatte. Sie ist jemand, dem ich alles zu verdanken habe. Ohne sie würde es keinen professionellen Frauensport geben, wie er heute existiert. Und das alles aufgrund ihres Durchsetzungsvermögens und der Bereitschaft, so ins Risiko zu gehen.

sportschau.de: Sie sprechen den damaligen Streik an und die mit den Vorwürfen, Billie Jean King sei gierig und spiele nur wegen des Geldes verbundene Ablehnung.

Petkovic: Sowas wäre heutzutage vermutlich gar nicht mehr möglich. Es würde immer jemand geben, der nicht mitzieht. Es sind viel zu viele Interessen im Profitennis.

sportschau.de: Das gab es damals auch. Martina Navratilova bekam die Teilnahme an der neuen Tour von Billie Jean King beispielsweise von ihrer Regierung verboten.

Petkovic: Dass sie es trotzdem gewagt hat mit ihren Mitstreitern, kann nicht hoch genug angerechnet werden. Auch bei dem "Battle oft the sexes" (ein medienwirksames Duell zwischen ihr und dem ehemaligen Wimbledonsieger Bobby Riggs, Anm. d. Red) war sie vorher in einer schlechten Position. Hätte sie abgesagt, wäre sie als Feigling abgestempelt worden, hätte sie verloren, wäre sie als die Spielerin in die Geschichte eingegangen, die gegen einen älteren Mann verloren hätte. Nachdem sie gewonnen hatte, war der Tenor: "Ja, gut, der ist auch schon 55 Jahre alt." Sie konnte nur verlieren, und sie ist trotzdem für ihre Werte eingestanden. Es ist wahnsinnig wichtig, auch die jungen Spielerinnen zu informieren über unsere sportlichen Vorfahren und wie wir überhaupt in die Position gelangt sind, so gutes Preisgeld zu verdienen.

sportschau.de: Sie sprechen den Verdienst an. Neun der zehn bestbezahlten Athletinnen des vergangenen Jahres sind Tennisspielerinnen.

Petkovic: Was Billie Jean King damals sehr gut hinbekommen hat, war der Spagat zwischen der Vermarktung der Athletinnen und dem Fokus auf den Sport. Und dann entstand ein Schneeballsystem. Die Spielerinnen, die mehr verdienten und in den Sport investieren konnten. Dann wurde der Sport besser und populärer, mit mehr Sponsoren. Davon profitieren wir heute.

Petkovic prangert Sexismus an: "Erhalten immer aufreizende Nachrichten"

sportschau.de: Fühlen Sie sich als Frau im Tennis heute gleichberechtigt? Gab es Momente in ihrer sportlichen Laufbahn, in denen sie sich benachteiligt oder belästigt gefühlt haben?

Petkovic: Nach Spielen erhalten wir Frauen in den sozialen Medien immer aufreizende Nachrichten und Kommentare. Ich bezweifle, dass das auf der Herrentour auch so ist. Dort werden immer unsere Outfits diskutiert, wie wir unsere Haare tragen. Früher mussten Frauen zumeist auf den kleineren Plätzen spielen. Das kommt noch heute vor. Als es vor zwei Jahren bei den French Open zwei Tage regnete, wurden die Damen-Halbfinals auf den kleineren Plätzen ausgetragen, während die Männer auf den großen Plätzen spielten. Da kommt dieser latente Sexismus immer noch raus. Wir sind bereits einen langen Weg gegangen, haben aber auch noch einen langen Weg vor uns.

Petkovic: "Wir bleiben in unserer Teambubble"

sportschau.de: Ein weiteres momentan omnipräsentes Thema sind die Coronarestriktionen auf Turnieren und das Thema Impfen im Tennis. Bei den Herren sind rund 30, bei den Damen sogar rund 40 Prozent der Spieler noch nicht geimpft. Auch bei diesem Hallenturnier in Prag gibt es am Turnierort strenge Bubbles, außerhalb aber wohl eher nicht. Wie gehen Sie als Team mit dieser Diskrepanz um?

Petkovic: Bei uns sind alle fünf Spielerinnen sowie das gesamte Betreuerteam des DTB-Teams in Prag geimpft. Wir haben uns im Team nahezu frei bewegt, haben dafür aber die Marschroute, dass wir fast keinen Kontakt zu anderen Menschen haben – sowohl hier vor Ort mit anderen Teams als auch außerhalb. Wir bleiben in unserer Teambubble und halten uns an die Vorgaben. Mit der zurückgewonnenen Freiheit aus dem Sommer fällt der Rückschritt schwerer, ist aber notwendig.

sportschau.de: Wenn man an Prag denkt, denkt man unweigerlich an das knapp verlorene Finale gegen Tschechien 2014. Ploppten unter der Woche böse Erinnerungen auf, als Sie das erste Mal die Halle betraten?

Petkovic: Damals hatten die Tschechen als Gastgeber einen ultraschnellen Belag ausgesucht, mit dem ich gar nicht zurechtkam. Der Boden ist dieses Mal angenehmer. Und die Tschechinnen waren damals mit einer unglaublich spielenden Petra Kvitova in voller Montur stärker.

Petkovic: "Absolute Terrorgruppe"

sportschau.de: Sie treffen in der wohl schwersten Gruppe D auf Tschechien und die French-Open-Siegerin Barbora Krejcikova und die Schweiz mit Olympiasiegerin Belinda Bencic – nur der Erste erreicht das Halbfinale. Was ist die Zielsetzung des Teams?

Petkovic: Wir haben die absolute Terrorgruppe zugelost bekommen. Aber mit uns ist zu rechnen. Angelique Kerber kann jede Spielerin auf der Welt besiegen. Ich kann auch ab und zu für Überraschungen sorgen, und wir haben mit Anna-Lena Friedsam, Jule Niemeier und Nastasja Schunk junge Spielerinnen in der Hinterhand. Im Doppel sind wir natürlich nicht eingespielt, und Tschechien stellt mit Krejcikova/Siniakova die aktuellen Olympiasiegerinnen und Gewinnerinnen der French Open. Aber wir glauben an uns und halten zusammen. Wir wollen am Mittwoch noch nicht in den Urlaub, sondern die komplette Woche in Prag verbringen.

Das Gespräch führte Jannik Schneider.