Tennis in Innsbruck Teamchef Kohlmann: "Dem Davis Cup eine Chance geben"

Stand: 26.11.2021 07:00 Uhr

Das deutsche Davis-Cup-Team will sich in der Gruppenphase in Innsbruck für das Finalturnier in Madrid qualifizieren. Teamchef Michael Kohlmann über die Chancen der Deutschen, den kritisierten Modus und den Lockdown in Österreich.

Sportschau: Herr Kohlmann, zum Abschluss eines sehr langen Tennisjahres steht der Davis Cup auf dem Terminkalender. Wie hoch ist die Motivation denn jetzt noch bei den Spielern?

Michael Kohlmann: Für die Spieler, die dabei sind, ist die Motivation riesengroß. Das ist ja unsere Nationalmannschaft im Tennis. Und Deutschland zu vertreten ist schon etwas Besonderes. Wir haben uns das letzte Mal vor 20 Monaten getroffen. Deshalb sind alle Beteiligten wirklich hoch motiviert. Wir haben uns zwischenzeitlich natürlich nie aus den Augen verloren. Das Besondere an so einer Davis-Cup-Woche ist, dass man als Team funktioniert. Das stellen die Spieler auch immer heraus.

Der derzeitige Corona-Lockdown in Österreich sorgt dafür, dass vor leeren Rängen gespielt wird. Wer das schon einmal miterlebt hat, weiß, wie trist so etwas sein kann. Wie verändert dieses Szenario die Ausgangslage?

Kohlmann: Darüber sind alle Beteiligten traurig. Gerade für die Fans aus München, für die es ein Katzensprung hierher ist. Ob das aber sportlich etwas ändert, das weiß ich gar nicht. Klar kann die Stimmung, die Atmosphäre, nochmal ein paar Prozentpunkte ausmachen. Aber wir agieren ja hier als Team. Deshalb wird das wohl keine große Auswirkung haben, weil die Gruppe ja in ständigem Kontakt ist und sich gegenseitig motiviert.

Steht nicht gerade der Davis Cup für die besondere Emotionen der Fans?

Kohlmann: Ganz klar, ja, und die großen Emotionen werden wohl auch fehlen. Aber als wir vor zwei Jahren in Madrid bei der ersten Davis-Cup-Auflage mit dem neuem Modus gespielt haben, haben wir auch vor fast leeren Rängen gespielt. Damals sind auch keine Emotionen auf den Platz übergeschwappt. Das wäre in Innsbruck vor Zuschauern jetzt deutlich anders gewesen, aber leider ist das ja aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich.

Im vergangenen Jahr ist der Davis Cup ausgefallen. Wurde er von den Spielern vermisst?

Kohlmann: Auf jeden Fall. Ich merke, dass alle froh sind, dass wir wieder zusammengekommen sind. Sogar bei denen, die nicht mit dabei sind. Die melden sich per Handy. Der Davis Cup hat schon immer gezogen. Der ist im Tennis immer noch etwas Besonderes.

Sie selbst üben Kritik an dem Modus. Was genau stört Sie?

Kohlmann: Man muss dem Wettbewerb eine Chance geben. Ich glaube aber nicht daran, dass man es wie beim Fußball hinbekommt, dass die Leute in jedem Jahr um die Welt reisen. Und: Wenn man unsere Davis-Cup-Partien 2018 in Australien oder in der Stierkampfarena in Sevilla sieht, dann kann es so etwas hoch Emotionales bei diesem Modus nicht mehr geben. Außerdem kann man sich kaum noch einem Heim-Publikum präsentieren. Nur in der Qualifikation, was ja nicht gerade das Ziel einer Mannschaft ist.

Gibt es von Ihrer Seite weitere Kritikpunkte?

Kohlmann: Man muss sich sicher auch über den Terminkalender unterhalten, so dass man noch mehr Spieler für eine Teilnahme gewinnt. Dass man in den Dezember hinein spielt und im Januar geht es in Australien schon wieder los, das gibt es kaum in einer anderen Sportart. Sechs Wochen Pause wären schon nicht schlecht. Die Damen haben das auch hinbekommen, das sollte bei den Männern auch so sein.

Für den österreichischen Top-Trainer Günter Bresnik ist der Davis Cup ein normales Turnier geworden und hat seine Faszination verloren. Glauben Sie, dass sich der neue Modus etablieren wird?

Kohlmann: Wenn ich die perfekte Idee hätte, dann würde ich sie verkünden. Der Termin ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe für die Problematik. Aber es gibt viele Ideen, die diskutiert werden. Man sollte jetzt mal abwarten, was passieren wird.

Mit Österreich und Serbien hat die deutsche Mannschaft schwere Aufgaben vor sich. Und der beste deutsche Spieler, Alexander Zverev, ist nicht dabei - weil er den neuen Modus der Gruppenspiele kritisiert. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?

Kohlmann: Sascha kritisiert diesen Modus ja schon seit Jahren. Daran hat sich nichts geändert. Außerdem darf man nicht vergessen, dass er noch bis letzte Woche sehr erfolgreich gespielt hat und Weltmeister geworden ist. Und er muss eine Pause einlegen, um seine Ziele im nächsten Jahr erreichen zu können. Es ist schade für uns und macht die Aufgabe auch nicht leichter. Aber wir haben eine schlagkräftige Truppe beisammen und versuchen auch ohne ihn, eine Überraschung zu schaffen.

Serbien tritt mit dem Weltranglistenersten Novak Djokovic an. Und Dusan Lajovic, der Nummer 33. Jan Lennard Struff und Dominik Koepfer sind die Nr 51 und 54 der Welt. Sieht erstmal nicht sehr viel versprechend aus.

Kohlmann: Wenn man nur auf die Weltranglistenpositionen schaut, dann würde es schwierig. Aber diese Zahlen zeigen die Konstanz eines Spielers über ein Jahr an. Aber an einem speziellen Tag sind unsere Spieler auch in der Lage, den zweiten serbischen Spieler zu schlagen. Ob es gegen Djokovic reichen wird, ist schwer zu sagen und eher eine Mammutaufgabe. Aber wir schreiben auch diesen Punkt nicht von vorne herein ab.

Österreich als zweiter Gegner spielt ebenfalls ohne den langzeitverletzten Topspieler Dominic Thiem. Dennis Novak (118.) und Juirj Rodionov (143) sind noch deutlich hinter den deutschen Spielern positioniert. Alles andere als ein Sieg wäre wohl eine herbe Enttäuschung?

Kohlmann: Das Duell gegen Österreich ist immer etwas Besonderes und bedeutet für alle Spieler viel Druck. Das gilt meiner Meinung nach nicht nur fürs Tennis, sondern für jede Sportart. Das wird eine heiße Partie. Wir müssen zu 100 Prozent abliefern, sonst könnte es ein schlechtes Ende für uns geben.

Welches Ziel haben sie mit dem Team für dieses Jahr?

Kohlmann: Wenn wir in den Wettbewerb gehen und sagen würden, wir wollen den Davis Cup gewinnen, dann weiß ich nicht, ob man uns das abnehmen würde. Wir wollen nach Madrid in das Finalturnier. Dazu müssen wir die Gruppenphase überstehen, indem wir die Gruppe gewinnen oder uns als einer der besten Zweiten qualifizieren. Das allein ist eine hohe Hürde.

Das Interview führte Jörg Strohschein