Stefanos Tsitsipas feiert Finaleinzug

Finale Australian Open "Genieße mein Tennis" - Tsitsipas hofft auf mentale Stärke

Stand: 29.01.2023 08:29 Uhr

Stefanos Tsitsipas will Novak Djokovic heute im Finale in Melbourne (9.30 Uhr, Live-Tiker bei sportschau.de) den zehnten Australian-Open-Titel streitig machen. Dafür hat der Grieche an seiner mentalen Stärke gefeilt. Der 24-Jährige sagt: "Ich sehe jetzt keine negativen Dinge mehr."

Von Jannik Schneider, Melbourne

Stefanos Tsitsipas kam und kam einfach nicht. Einige Trainingskiebitze hatten sich am Samstagmittag (28.01.2023) um Court Nummer sieben versammelt und warteten gespannt. Trainingseinheiten bleiben bei den Australian Open nicht lange geheim - schon gar nicht wenn sie Grand-Slam-Finalisten betreffen.

Der 24-jährige Grieche aber entschied sich am Tag vor seinem zweiten ganz großen Karrierefinale gegen Novak Djokovic kurzfristig um und trainierte im nationalen Trainingscenter in der Halle nur wenige Meter entfernt von der Anlage auf der anderen Straßenseite – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Damit tat es der Herausforderer seinem Kontrahenten Djokovic gleich. Der Serbe entfloh der großen Aufmerksamkeit, die in den vergangenen Tagen mal wieder nicht rein sportlicher Natur gewesen war.

Tsitsipas dagegen hat momentan keine außersportlichen Themen zu bearbeiten, wirkt beim ersten Jahreshöhepunkt bei sich wie selten. "Ich sehe keine negativen Dinge mehr und bin sehr optimistisch. Ich genieße mein Tennis. Das war noch das, was die ganze Zeit gefehlt hatte", erklärte er am Freitag im kinosaalähnlichen Pressekonferenzraum des Medienzentrums.

Lediglich im Achtelfinale gegen den hochveranlagten Südtiroler Jannik Sinner musste Tsitsipas sich über die volle Distanz quälen, gegen Karen Chatschanow im Halbfinale überstand er die einzige Schwächephase im Tiebreak des dritten Satzes.

Tsitsipas über Djokovic: "Keine Ahnung, wie er das gemacht hat"

2021 bei den French Open war er trotz 2:0-Satzführung an Djokovic gescheitert, der trotz eines Altersunterschieds von elf Jahren der physisch stärkere Spieler war. Tsitsipas sagte damals verwundert: "Keine Ahnung, wie er das gemacht hat."

Djokovics Langlebigkeit im Profitennis ist enorm. Exakt genau auf den Tag vor 15 Jahren hat der Serbe sein erstes Halbfinale in Melbourne bestritten. Am Sonntag kann er Titel Nummer zehn in Melbourne und Grand-Slam-Titel Nummer 22 ergattern. Damit würde er mit Rafael Nadal gleichziehen im ewigen Rennen um den Rekord. Der Gewinner des Finales wird zudem ab Montag auf Rang eins der Weltrangliste geführt und löst Carlos Alcaraz ab, der verletzungsbedingt fehlte.

Kritik an Titsipas in Wimbledon

Tsitsipas war nach seinem Drittrundenaus vergangenes Jahr in Wimbledon in die Kritik geraten. Nick Kyrgios schaffte es damals mit wiederholten Provokationen in den Kopf des Griechen, der daraufhin gleich zweimal Bälle in Richtung Publikum schoss. Ein Ball verfehlte ein altes Paar auf der Tribüne um wenige Zentimeter. Der Disqualifikation entkam Tsitsipas. Doch vier Jahre nach seinem Durchbruch und Titelgewinn bei den ATP Finals 2019 wurden die Vorwürfe fehlender Konstanz und fehlender mentaler Stärke immer lauter.

Nach einer verletzungsfreien Vorbereitung, vier beeindruckenden Siegen beim United Cup und dem aktuellen Erfolgslauf in Melbourne hat sich das Narrativ verändert. "Es startet alles mit Selbstvertrauen, und damit, wieder mehr an seine Fähigkeiten zu glauben", erklärte der Grieche.

Tsitsipas' beeindruckende Statistik

Stellvertretend dafür steht die Turnierstatistik zu abgewehrten Breakbällen, die Tsitsipas unter den Spielern mit mindestens zwei Einzeln bei den diesjährigen Australian Open mit 83 Prozent (44 von 53 Breakbällen) anführt. Im Viertelfinale gegen Jiri Lehecka etwa wehrte er alle acht Breakchancen des Tschechen nervenstark ab.

"Ich habe nun eine gute Beziehung zu mir selbst auf dem Platz. Das hat mir diese Art von Einstellung in diesen Momenten ermöglicht. Ich bin nun viel weniger frustriert. Davon hatte ich ja nichts Produktives. Das hat mich das vergangene Jahr gelehrt."

Der etwas andere Tennisprofi

Tsitsipas galt immer als der etwas andere Tennisprofi. Gleichwohl hochbegabt und hart trainierend, immer auch intellektuell und künstlerisch interessiert und mit einem eigenen Youtube-Channel ausgestattet.

Die heimischen Fans in Griechenland, die in diesen Tagen die Einschaltquoten in die Höhe schießen lassen sowie die große griechische Gemeinschaft rund um Melbourne wurden zuletzt etwas ungeduldig. Doch Tsitsipas hat nach drei Halbfinalen in Melbourne nun eindrucksvoll eine sportliche und mentale Weiterentwicklung bewiesen.

Djokovic in Melbourne kaum zu schlagen

Die endgültige Krönung wäre aber dennoch eine Überraschung: Djokovic hat auf dem recht schnellen Hardcourt in der Rod-Laver-Arena bei neun Teilnahmen noch kein Finale verloren. Es ist die wohl zweitschwerste Aufgabe im Profitennis. Herausfordernder ist lediglich ein Finalduell auf Sand in Paris gegen Rafael Nadal.

Tsitsipas bleibt Außenseiter, sagte aber: "Ich habe dieses Selbstvertrauen. Ich war bei den Junioren die Nummer eins. Jetzt möchte ich es bei den Herren werden."