Christian Hansmann, Leistungssportdirektor beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV).

Deutscher Schwimm-Verband Für einen neuen Bundestrainer fehlt das Geld

Stand: 18.08.2022 11:34 Uhr

Die deutschen Schwimmer haben Erfolg bei der EM, doch auch ein Problem. Der Verband findet keinen Bundestrainer. Das hat finanzielle Gründe.

In die Freude über den goldenen EM-Abschluss mischte sich schnell die Sorge um die Zukunft. Auch ohne Olympiasieger Florian Wellbrock, der nach Coronainfektion nicht mehr rechtzeitig in Form kam, glänzten die deutschen Schwimmer im Foro Italico mit zwei Titelgewinnen und insgesamt acht Medaillen. Doch das Hauptproblem bleibt akut: Es fehlt das Geld - und damit weiter ein Bundestrainer.

Das internationale Gehaltsgefüge ist ein anderes

"Wir können international mit dem Gehaltsgefüge nicht mithalten", gab Leistungssportdirektor Christian Hansmann nach dem Abschluss der Beckenrennen in Rom zu, "die öffentlichen Mittel, die wir im Trainerbereich haben, reichen nicht aus." Eigentlich sollte es schon Anfang des Jahres einen Nachfolger für Wellbrocks Coach Bernd Berkhahn geben, der bei Olympia in Tokio zusätzlich als Teamchef fungiert hatte. "Wir sind im Leistungssport Schwimmen führungslos", beklagte Berkhahn, der jetzt offiziell als Bundestrainer "lange Strecke" firmiert, deshalb schon vor der EM.

Versucht hat es Hansmann, der selbst erst Anfang des Jahres seinen Posten beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) übernahm - doch er kassierte nur Absagen. "Wir hatten sehr gute Kandidaten aus Australien, Dänemark, Ungarn und den Niederlanden, die Olympiamedaillen und Weltrekorde hervorgebracht haben und sehr interessiert gewesen sind", berichtete der ehemalige Freiwasserschwimmer, "aber wir konnten ihnen das Gehalt nicht bieten - und auch nicht die langfristige Perspektive." Nun wird wieder nach einer "internen Lösung" gesucht, zumindest bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris.

Auch die Ausstattung an den Stützpunkten ist nicht optimal

Doch Geld fehlt nicht nur für einen Bundestrainer. Auch bei der Ausbildung junger Trainer hakt es. Weil der Referent Bildung und Wissenschaft laut Hansmann nicht mehr vom Bundesinnenministerium (BMI) bezahlt wird, musste der Lehrgang für die A-Lizenz verschoben werden. "Wir bräuchten wirklich gut ausgebildete Trainer mit modernem Wissen, um auf Weltniveau etwas erreichen zu können", meinte Berkhahn, "das fehlt uns."

Auch anderswo mangelt es an Mitteln. "An den Bundesstützpunkten hakt es, da ist der Kraftraum nicht richtig ausgestattet, in Magdeburg ist das Videosystem kaputt", zählte Hansmann auf: "Wenn wir über internationale Medaillen, die ja gefordert sind, reden, müssen wir auch adäquat ausgestattet sein, sowohl personell als auch materiell."

Schon bei den Olympischen Spielen 2024 droht ein Einbruch

Sportlich machen sich die Defizite vor allem im Kurzstreckenbereich bemerkbar. Während Berkhahns Magdeburger Trainingsgruppe mit Wellbrock und dessen Ehefrau Sarah sowie dem jungen Schwimmpaar Isabel Gose und Lukas Märtens, das in Rom fünf der acht Medaillen gewann, zur Weltspitze gehört, sind die Sprinter meist höchstens zweitklassig. Ein Lichtblick waren die dritten Plätze von Ole Braunschweig und Lucas Matzerath über 50 m Rücken und Brust - aber eben nicht auf olympischen Strecken.

"Es gilt jetzt, die Weichen zu stellen, damit sich was ändert. Aber das wird Jahrzehnte dauern", mutmaßte Berkhahn pessimistisch. Und auch Hansmann sieht keine schnelle Abhilfe: "Bis Paris ist es sehr, sehr kurz. Eigentlich müssen wir den Blick auf L.A. richten." Auf die Sommerspiele 2028 in Los Angeles.