Max Kruse beim Fototermin vor dem Brandenburger Tor

Max Kruse nach Paderborn Die Rückkehr des "SC Hollywood"

Stand: 30.06.2023 13:06 Uhr

Der SC Paderborn hat am Freitag (30.06.2023) die Verpflichtung von Max Kruse bekanntgegeben. Damit versucht es der Klub nach dem Fiasko mit Stefan Effenberg erneut mit einem Akteur, der ihn in die Schlagzeilen bringt.

Von Sebastian Hochrainer

Noch beschaulicher als die westfälische Stadt Paderborn (ca. 150.000 Einwohner) ist ihr Fußballklub, der SC Paderborn. Mit recht bescheidenen Mitteln schaffte der Verein 2014 und 2019 den Sprung in die Bundesliga, jeweils nach einer Spielzeit ging es aber zurück in die 2. Liga, wo der SCP in der vergangenen Saison recht nah dran war, dieses Kunststück zum dritten Mal zu schaffen.

Paderborn steht für attraktiven Offensivfußball, dafür, Spieler entwickeln zu können und ihnen eine Bühne zu geben, um den Schritt in glorreichere Klubs zu machen. Das alles fernab des großen Rummels. Aktuelle Beispiele sind Ron Schallenberg (zu Schalke 04) und Julian Justvan (zu 1899 Hoffenheim), die nach einem starken Jahr nun an einem anderen Ort deutlich mehr im öffentlichen Fokus stehen dürften.

Kruse will "Leistung auf dem Platz zeigen"

So ganz will sich der Klub aber nicht mit dem Image als Klub-Idyll zufrieden geben. Denn Max Kruse, 35-jähriger Ex-Nationalspieler und zuletzt vereinslos, schließt sich dem SCP an. Über die Vertragslaufzeit machte Paderborn am Freitag keine Angaben.

"Ich will gar nicht so viel reden, denn am Ende werde ich die Leistung auf dem Platz zeigen", wurde Kruse zitiert: "Es gibt eigentlich nur drei Dinge zu sagen: Ich habe richtig Bock auf Fußball, bin erfolgshungrig und will mit dem SC Paderborn 07 oben angreifen."

Kruses fußballerische Qualitäten und der Torinstinkt seien unbestritten, meinte Geschäftsführer Sport Benjamin Weber, der ihm darüber hinaus "Führungsstärke und "Erfahrung" attestierte.

Effenberg brachte "reichlich Stoff für eine Doku-Soap"

Erinnerungen an einen anderen Star werden wach. Mit Stefan Effenberg holte sich Paderborn schon im Oktober 2015 vom einen auf den anderen Tag den ganz großen Trubel in den Verein und die Stadt.

Der "Tiger" übernahm das Traineramt beim damaligen Zweitligisten, nach 15 Spielen mit einem Punktedurchschnitt von 0,8 Zählern pro Spiel war die Geschichte aber schnell vorbei. Und sie endete kurz nach Effenbergs Entlassung mit dem Abstieg in die 3. Liga. Das war der Preis dafür, einige Monate lang medial mehr im Rampenlicht zu stehen als der Großteil der Bundesligisten.

Die "Neue Westfälische" titelte nach dem Ende der Zusammenarbeit "Schluss mit SC Hollywood" und schrieb über das, was beim SCP nach zwei Startsiegen für Effenberg geschah: "Was in den nächsten Monaten folgte, hätte reichlich Stoff für eine Doku-Soap oder eine Filmsatire geboten. Sei es die Suspendierung der Spieler Brückner, Lakic und Saglik, die niemand richtig nachvollziehen konnte, die unsägliche Trainingslager-Affäre um Unten-ohne-Stürmer Proschwitz oder die jüngste Posse um Effenbergs Versäumnisse in Sachen Trainer-Lizenz. Und mitunter waren die Twitter-Beiträge von 'Tigergattin' Claudia Effenberg in der medialen Öffentlichkeit präsenter als Taktik, Aufstellung oder der nächste Gegner."

Kruse war in Wolfsburg absolutes Reizthema

Mit Max Kruse wechselt nun ein Spieler nach Paderborn, der ebenfalls ein großer Name im Fußball, vor allem aber medial für ähnlich viel Furore sorgt. Darauf muss sich Trainer Lukas Kwasniok einstellen. Kruses bisher letzte Station war der VfL Wolfsburg, bei dem die Verantwortlichen immer mehr genervt davon waren, dass sich bei jedem Thema die Fragen nur um den "Faktor Kruse" drehten.

Als Sky-Reporter Jens Westen beispielsweise nach einem Ligaspiel wiederholt nach der Leistung Kruses als Joker fragte, reagierte Trainer Niko Kovac entsprechend. "Mensch Jens, hör doch mal auf. Sei nicht langweilig. Das langweilt doch, jedes Mal dasselbe. Wir wollen über Fußball reden. Da sind noch neun andere, zehn mit Torhüter", sagte er. Immer wieder musste sich Kovac in dieser Zeit positionieren - weil er nicht auf Kruse setzte und der vor allem über die sozialen Medien verbreitete, was er davon hält.

Als Halbtagsarbeiter zum Nationalspieler

Kruse ist ein Freigeist - auf und neben dem Platz. In 307 Bundesligaspielen hat er 97 Tore erzielt und 79 Treffer vorbereitet, und er war sogar Nationalspieler (14 Länderspiele). Sowohl im DFB-Team als auch bei vielen seiner Arbeitgeber scheiterte der heute 35-Jährige aber irgendwann trotz seines herausragenden Talents an der Einstellung. Trainingsfleiß gehörte nie zu den großen Stärken Kruses, dazu kam, dass er abseits des Platzes mindestens so gesprächswertig war wie auf dem Feld.

Berüchtigt ist Kruse für seine Leidenschaft zum Pokern, er spielte in der Vergangenheit schon Turniere während der Bundesligasaison. Das wurde stets geduldet. Problematischer war da aber gerade in Wolfsburg, was Kruse in den sozialen Medien so veröffentlichte. In einem Video auf der Plattform "Twitch" sagte er einst über sein Leben als Fußballer: "Meine täglichen Arbeitszeiten sind so 9 bis 13 Uhr, würde ich sagen."

Kovac entgegnete: "Der eine kommt nach dem Training rein und haut sofort wieder ab. Und es gibt andere, die bleiben länger und machen Nachbehandlung, Pflege, Dehnung, das ganze Programm. Es gibt auch Spieler, die sehr viel mehr Stunden am Trainingsgelände verbringen. Und zwar effektiv und qualitativ." Es war nur eines von vielen Problemen, die Kruses Videos dem Verein machten.

Seit fast zwei Jahren kein Spiel bestritten

Seit über 20 Monaten sind Kruses Arbeitszeiten drastisch gesunken. Am 3. September 2022 machte der Linksfuß sein letztes Spiel für Wolfsburg, nach einem Muskelfaserriss, der ihn außer Gefecht setzte, wurde zwei Monate später der Vertrag aufgelöst. Seitdem war Kruse erfolglos auf der Suche nach einem neuen Verein.