Lukas Dauser

Turn-WM 2023 Zwischen Weltmeistertitel und Weinkrämpfen

Stand: 09.10.2023 16:26 Uhr

Diese WM war für Deutschlands Turner eine emotionale Achterbahnfahrt. SWR-Reporter Philipp Sohmer blickt zurück.

Die drei schweren Verletzungen von Elisabeth Seitz, Emma Malewski und Andreas Toba waren Wirkungstreffer. Das Männerteam war in der Lage, den Ausfall des Routiniers Toba zu kompensieren, dank eines stabilen Teamgefüges, das Bundestrainer Valeri Belenki in seinen drei Jahren als Chef etabliert hat. Trotz des Talente-Mangels, den es auch im Männerturnen gibt, hatte er Athleten in der Hinterhand, die Toba sportlich annähernd ersetzen konnten. Belenki erkannte aber sofort, dass Toba für die Teamchemie nicht zu ersetzen war, und machte ihn für die WM kurzerhand zum zusätzlichen Co-Trainer.

MIt großem Teamgeist und einem starken Trainerteam überraschten die deutschen Turner mit Rang sechs, der besten Platzierung für ein deutsches Männerteam seit zwölf Jahren. Das macht Hoffnung für Olympia und die Zeit danach. Dazu kommt der erste WM Titel seit 16 Jahren für die deutschen Männer durch Lukas Dauser. Der 30-jährige Barren-Weltmeister hat sich mit akribischer und mühsamer Schufterei diesen Erfolg erarbeitet, hat sich trotz Verletzungsproblemen und Motivationsschwierigkeiten ganz nach oben gekämpft.

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Dauser profitiert von starkem Team

Dauser profitierte aber auch von einem starken Team, das er in Halle bei seinem Heimtrainer Hubert Brylok und im Nationalteam gefunden hat. Der Erfolgsgeschichte bei den Männern, steht das Scheitern der Frauen an der Olympia-Qualifikation gegenüber. Die Verletzungen der beiden Europameisterinnnen von München, Elisabeth Seitz und Emma Malewski, waren zu viel für die Mannschaft von Bundestrainer Gerben Wiersma. Die beiden Quotenplätze für Pauline Schäfer-Betz und Sarah Voss lindern den Schmerz, aber stellen Deutschlands Turnerinnen vor große Herausforderungen.

YouTube-Video von SWR Sport: "Traum geplatzt: Deutsche Turnerinnen verpassen die Olympischen Spiele | SWR Sport"

Nur einen zusätzlichen Startplatz hat Deutschland für die Spiele in Paris. Um den werden sich im nächsten Jahr die Verletzten und die Talente balgen, wie etwa die hochveranlagte Stuttgarterin Helen Kevric. Für viele Nachwuchsturnerinnen ist die große Motivation Olympia weit weg. Das macht die Aufbauarbeit nicht leichter, die jetzt geleistet werden muss.

Weltspitze ist deutschen Frauen enteilt

Es kann aber auch ein zusätzlicher Leistungsansporn sein. Die WM hat gezeigt, dass die Weltspitze den deutschen Frauen enteilt ist, nicht nur im Team. Ein Gerätefinale wurde erreicht, eine echte Medaillenchance hatte niemand. Selbst Elisabetz Seitz oder Emma Malewski hätten gegen die Höchstschwierigkeiten der Konkurrenz keine Chance gehabt. Muss die Trainingsgestaltung verbessert werden? Ist der Fokus auf Mehrkämpferinnen, die alle vier Geräte turnen, noch der richtige Weg oder kann auch die Fokussierung auf Spezialgeräte eine Alternative sein? Braucht es neue Impulse von außen? Der Deutsche Turner-Bund muss sich jetzt hinterfragen und richtige Entscheidungen treffen.