Fußball | Meinung Jürgen Klopp und Red Bull: Neue Energie für den Fußball
Am Mittwoch wurde bestätigt, dass der bisherige Erfolgstrainer Jürgen Klopp von Januar 2025 an als Fußball-Chef für den Red-Bull-Konzern arbeiten wird. SWR-Reporter Kersten Eichhorn findet das spannend für alle Beteiligten.
Jürgen Klopp hätte es sich auch einfach machen können. Ein bisschen Sonnenbaden und Schwimmen auf seinem Anwesen in Santa Ponca auf Mallorca, ein bisschen die Enkelkinder hüten, ein bisschen zu Besuch als meinungsstarker Fußballexperte in diversen Fernsehstudios. Nach seiner aufreibenden Erfolgskarriere als Trainer jetzt mit 57 Jahren verdientermaßen das süße Leben genießen. Finanziell ausgesorgt hat er allemal.
Macht er aber nicht, von wegen Vorruhestand. Nach seinem Ausstieg im Mai beim FC Liverpool und ein paar Monaten der Erholung, stellt sich Jürgen Klopp schon wieder einer neuen Herausforderung. Von Januar 2025 an als Fußball-Chef von Red Bull, als "Global Head of Soccer", wie sich das im neuen Fußball-Deutsch nennt. Ich finde das gut.
Von Liverpool nach Leipzig? Passt das?
Klar werden sich jetzt zahlreiche Fans und Fußball-Traditionalisten mit Empörung abwenden, die Nase rümpfen und es einfach nicht verstehen können, wie eine Mainzer, Dortmunder und Liverpooler Kult-Figur, dort wo der Fußball und vor allem seine Vergangenheit durch alle Poren und Ritzen geatmet wird, jetzt einem von vielen abgelehnten "Konstrukt" wie RB fußballerisch vorstehen kann. Auch ich selbst war zunächst überrascht und erstaunt, als die Meldung an diesem Mittwochmorgen auf den Redaktionstisch kam. Jürgen Klopp und RB? Wie geht das denn? Passt das überhaupt zusammen? Von Liverpool nach Leipzig?
Win-Win für alle Beteiligten
Bei genauerem Hinsehen aber darf man durchaus behaupten: Es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Für den umtriebigen Red-Bull-Konzern in erster Linie, er darf sich auf DIE aktuelle Galionsfigur des deutschen Fußballs in verantwortlicher Position freuen. Jürgen Klopp ist ein Mann mit überragender Kompetenz, der es wie kaum ein anderer versteht, Menschen im Fußball zusammenzuführen und zu begeistern. Ein unfassbar starker Coup des cleveren RB-Chefs Oliver Mintzlaff, der bekanntermaßen jahrelang in Leipzig geschickt und erfolgreich die Fäden zog. Seit 2022 ist Mintzlaff der Oberboss aller Sportaktivitäten des Konzerns, jetzt sorgt er mit der Klopp-Verpflichtung weltweit für Aufsehen und Schlagzeilen. Bessere Werbung und Publicity geht nicht.
Klopp als Mentor für die RB-Trainer
Nach mehr als 20 Jahren an der Seitenlinie ist der neue Job aber auch für Jürgen Klopp - mit 57 noch immer ein Energiebündel - eine neue, hochspannende Aufgabe und Herausforderung. Nicht mehr als Trainer, das wollte er nicht. Jetzt eben als Funktionär. Einerseits selbst als Lernender in anderen (Sport-) Branchen von RB, andererseits als eine Art Mentor für die Trainer an sämtlichen länderübergreifenden Standorten von RB. In Salzburg, Leipzig, New York, in Brasilien, Japan und neuerdings auch beim englischen Zweitligisten Leeds United. Jürgen Klopp wird für das internationale Fußball-Netzwerk des Getränkehersteller weltweit unterwegs sein, einen Besseren kann man sich dafür nicht vorstellen.
Überragendes Scouting weiter ausbauen
Dazu muss man wissen, dass das Spielerscouting von RB - siehe Leipzig oder Salzburg - seit Jahren herausragend funktioniert. Auch was das Entwickeln von Übungsleitern angeht: Sebastian Hoeneß, Marco Rose, Bo Svensson, Ralph Hasenhüttl, Peter Zeidler, Alexander Blessin - allein sechs aktuelle Bundesligatrainer sind im RB-Netzwerk groß geworden. Und auch unser Bundestrainer Julian Nagelsmann saß vor seiner Bayern-Zeit zwei Jahre auf der Bank von RB Leipzig. Seinem Ruf als Trainer hat es keineswegs geschadet. In diesem Sinne wird auch Jürgen Klopp herausragende künftig Spieler- und Trainertalente suchen und fördern.
Ralf Rangnick einer von Klopps Vorgängern
Das alles klingt nicht nach einem hochbezahlten "Werbekopf" und eine Art "Frühstücksdirektor", wie man vielleicht in einem ersten Anflug an Unverständnis für den sicherlich überraschenden Deal vermuten könnte. Wer das glaubt, wird weder dem hochprofessionellen RB-Konzern und schon gar nicht einem akribischen Macher wie Jürgen Klopp gerecht. Einer seiner Vorgänger auf dieser RB-Position als Fußball-Chef war übrigens ein gewisser Ralf Rangnick, zur Zeit erfolgreicher und hoch angesehener Nationaltrainer Österreichs und Beinahe-Coach des FC Bayern.
Kurzum, ganz gleich ob man die Konstellation mit RB nicht mag oder sogar komplett ablehnt - was man als Fußball-Romantiker, der ich selbst auch bin, durchaus verstehen kann: Der Red-Bull-Konzern ist längst im Spitzenfußball angekommen. Und die Rückkehr von Jürgen Klopp aus dem zwischenzeitlichen Ruhestand ist ein Geschenk für den Sport. Sozusagen neue Energie für den Fußball.