Heidenheim-Keeper Kevin Müller applaudiert.

FCH-Torwart Müller im Interview Heidenheim in der Findungsphase: "Ohne Emotionalität entsteht Gleichgültigkeit"

Stand: 27.10.2023 12:46 Uhr

Bei Borussia Mönchengladbach will und muss der 1. FC Heidenheim wieder in die Spur finden. Im Interview spricht Keeper Kevin Müller über die Lehren aus der Klatsche gegen Augsburg.

Zwei Niederlagen in Folge, fünf Gegentore gegen Augsburg – und Profis, die Tacheles reden: Nach dem 2:5 gegen den FCA war beim 1. FC Heidenheim erstmals in dieser Bundesliga-Saison Dampf ablassen angesagt. Eine Reaktion könnte es an diesem Samstag geben, wenn der Aufsteiger ab 15:30 Uhr (live im Audiostream und Ticker bei sportschau.de) bei Borussia Mönchengladbach antritt. Vor der Partie spricht FCH-Keeper Kevin Müller über die anstehenden Aufgaben, die Analyse des Augsburg-Spiels sowie über die Notwendigkeit von Emotionen in der Arbeit eines Fußballprofis.

SWR Sport: Herr Müller, auf den Aufsteiger 1. FC Heidenheim warten in den nächsten Wochen zahlreiche Highlights: der Gladbach-Doppelpack in Bundesliga und DFB-Pokal, dann kommt der VfB Stuttgart und Mitte November geht es zum FC Bayern. Ist das eine dieser besonderen Phasen im Laufe einer Saison?

Kevin Müller: Für uns ist erst einmal nur das nächste Spiel in Mönchengladbach wichtig – gerade nach den letzten zwei Ergebnissen in Frankfurt und gegen Augsburg (0:2 und 2:5; d. Red.). Dass die Liga viele Highlights zu bieten hat, ist natürlich auch klar. Aber es geht jetzt darum, jeden wichtigen Punkt für den Klassenerhalt zu sammeln. Die Freude auf solche Spiele ist immer groß – das war aber in der 2. Liga genauso.

SWR Sport: Worauf wird es am Samstag in Mönchengladbach ankommen?

Müller: Mit Blick auf unsere letzten Spiele vor allem darauf, dass wir defensiv besser stehen, weniger Chancen zulassen und weniger Gegentore bekommen. Genau das ist unsere Philosophie, mit der ich mich als Torwart auch identifiziere. Zudem macht es die Dinge in der Offensive einfacher, wenn hinten die Null steht.

SWR Sport: Nach der 2:5-Heimniederlage gegen den FC Augsburg war der Frust in Ihrer Mannschaft spürbar groß. Wie lief die Aufarbeitung?

Müller: Offen und ehrlich. Jedem Spieler, der auf dem Platz Negativerlebnisse hat, ist klar: Es wird auch mal emotional. Der eine tritt eine Flasche weg, der andere schreit durch die Gegend – das ist ganz normal. Und es zeigt, dass es einem nicht egal ist, was da gerade passiert ist. Ein 2:5 zuhause, nach einer 2:0-Führung, das tut dann doch extrem weh. Es wird uns aber nicht aus der Bahn werfen.

SWR Sport: Stürmer Tim Kleindienst sagte nach dem Spiel, die Leistung sei "weder bundesligatauglich noch sonst was" gewesen. Kapitän Patrick Mainka hingegen betonte, das Team habe auch gegen Augsburg und in anderen Partien seine Bundesligareife unter Beweis gestellt. Wie geht die Mannschaft mit so einer Art von Meinungsverschiedenheit um?

Müller: In erster Linie ist es überhaupt kein Problem, seine Meinung zu sagen. Kritik polarisiert immer. Die eine Hälfte sagt: Es ist zu viel, es sind die falschen Worte. Die andere Hälfte sagt: Es sind genau die richtigen Worte. Diese zwei Spieler sind Führungsspieler – es steht ihnen zu, ihre Meinung zu sagen. Auch wenn die mal ein bisschen härter ist oder einen kleinen Hallo-Wach-Effekt hervorruft. Im Endeffekt wird das alles auch ganz offen und ehrlich in der Kabine kommuniziert. Die Grenze ist erreicht, wenn es persönlich wird. Das war aber nicht der Fall. Und: Niemand hat die Unwahrheit gesagt, weder Tim noch Patrick.

SWR Sport: Deutliche Worte können ja auch immer etwas Positives haben.

Müller: Wenn keine Emotionalität reinkommt, entsteht irgendwann ein Gefühl der Gleichgültigkeit. Vor allem gegenüber den negativen Dingen. Und dann sagt man: Naja, ist doch egal, dann verlieren wir die Spiele halt. Dann bekommst du aber ein Problem mit der Motivation, dich jeden Tag zu quälen. Wir müssen uns diese Emotionalität auf jeden Fall beibehalten.

SWR Sport: Was hat sich in der Bundesliga im Vergleich zur 2. Liga verändert?

Müller: Der Raum für Fehler ist viel kleiner geworden, denn die vermeintlich einfachen Sachen klappen bei den Teams in der Bundesliga zu 100 Prozent. Bis auf Leverkusen gab es bislang noch keine Mannschaft, die uns Vollgas Mann gegen Mann gepresst hat. Das ist ein Zeichen, dass die anderen Mannschaften uns gegenüber ein bisschen vorsichtiger sind, was das Zulassen von Räumen angeht. Aber: 20 Gegentore in acht Spielen sind natürlich viel. Wir müssen weniger Gegentore bekommen, weil es sonst unheimlich schwer wird, erfolgreich zu sein. Das nehme ich mir persönlich auch zu Herzen, weil ich da hinten ja auch verantwortlich bin.

SWR Sport: Gegen Union Berlin haben Sie zum ersten Mal in dieser Saison zu Null gespielt. Vorher haben Sie in Dortmund mit Ihrer Leistung dazu beigetragen, dass der 1. FC Heidenheim aus einem 0:2 ein 2:2 machen und den ersten Bundesliga-Punkt holen konnte. Was bedeuten Ihnen diese Entwicklungsschritte?

Müller: Das Torwart-Spiel definiert sich ja nicht nur über gehaltene Bälle, ein Torwart kommt auch sehr viel über die Ausstrahlung. Mir ist wichtig, dass die Mannschaft das Gefühl hat, sich zu 100 Prozent auf mich verlassen zu können. Das ist der Anspruch, den ich an mich selbst habe.