Eisbären_Berlin

Deutsche Eishockey-Liga Warum bei den Eisbären gerade alles passt

Stand: 09.10.2023 21:09 Uhr

Die Berliner Eisbären beweisen zum Saison-Start, dass das desaströse Abschneiden in der Vor-Saison ein Ausrutscher war. Spielfreudig und torhungrig präsentiert sich das Team von Serge Aubin. Nun warten zwei Härtetests. Von Shea Westhoff

Als amtierender Meister krachend an der Playoff-Quali gescheitert, in der Sommerpause drei Testspiel-Niederlagen in Folge kassiert – dazu ein weitreichender Umbruch mit 12 Neuzugängen. Wie die Eisbären in die neue Saison 2023/24 der Deutschen Eishockey-Liga starten würden, galt als völlig ungewiss.
 
Einen Monat später grüßt der Klub von der Tabellenspitze. Ein Kantersieg jagt gerade den nächsten, zuletzt setzte das Team ein dickes 5:0-Ausrufezeichen bei den Wolfsburg Grizzlys, immerhin Playoff-Halbfinalist in der Vor-Saison.

Jubel bei den Eisbären Berlin (imago images/Revierfoto)
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Wie lässt sich diese Verwandlung erklären? Für den Eishockey-Experten Jakob Wegener, der in Berlin gemeinsam mit drei Kollegen den Podcast Puckgeflüster [eishockey-berlin.de] produziert, hängt dabei sehr viel an Trainer Serge Aubin.

Faktor Serge Aubin

Im März sprach die Klubführung dem 48 Jahre alten Kanadier das Vertrauen aus – drei Tage nachdem die Eisbären die Playoffs verpasst hatten und deswegen vor ihrer längsten Sommerpause der Klubgeschichte standen. Eine wegweisende Entscheidung, wie der Experte sagt: "Es war ein Vertrauensbeweis gegenüber Aubin." Der Trainer, der mit den Eisbären bereits zwei Meistertitel feierte, sollte diesen zurückzahlen. "Für die Saison hat er die Mannschaft wieder top eingestellt und beweist, dass er der richtige ist."
 
Aubin gelang es insbesondere, die Wackeldefensive vom Vorjahr (Rang 12 in der Gegentorstatistik) wieder stabil zu formieren.

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Starke Defensive mit Schlüsselspieler Wissmann

In den beiden Meisterschaftsjahren 2021 und 2022 reifte Kai Wissmann zu einem der stärksten Verteidiger der Liga. Nachdem er in der US-amerikanischen NHL bei den Boston Bruins nicht zum Zuge kam, streckten die Eisbären ihre Pranke für die Rückkehr des 26-jährigen Nationalspieler aus. Der avancierte prompt zum neuen Kapitän der Berliner.
 
"Die Defensive ist um ihn herum gebaut", sagt Wegener. "Wissmann führt das Team souverän an. Mit ihm ruft die Verteidigung in jedem Spiel Topleistungen ab." Gemeinsam mit Jonas Müller bilde er ein verlässliches Duo.

 
Doch die gesamte Mannschaft verteidigt gut, selbst in Unterzahlsituationen bleibt die Abwehrarbeit straff organisiert. "Die Stürmer stehen hoch, stören früh, sodass die Gegner ihr Spiel nicht richtig aufziehen können", sagt Wegener. Bei 34 Unterzahl-Spielen fingen sich die Eisbären nur drei Treffer, es ist der zweitbeste DEL-Wert.

Jake Hildebrand überragt

Hauptgrund für die mit 16 Gegentoren robusteste Defensive ist für Wegener allerdings Goalie Jake Hildebrand, der bereits zwei Shutouts vorweisen kann. Vor dem Saison-Start habe er Kritik vernommen aufgrund der Verpflichtung des Schlussmanns, sagt Wegener. "Viele haben gesagt, dass er ein durchschnittlicher Goalie ist", erinnert er sich. Und in der Tat spielte der US-Amerikaner nach dem Aufstieg aus der DEL 2 mit den Löwen Frankfurt in der Vorsaison eine solide, aber beileibe keine überragende Premieren-Spielzeit Eishockey-Oberhaus.
 
"Er hat aber in Frankfurt auch nicht die Abwehr gehabt, die er nun bei den Eisbären vor sich hat. Außerdem hat er dort fast keine Pausen erhalten", sagt Wegener. "Hildebrand ist richtig guter Torhüter." Eine Fangquote von 94,8 Prozent – Liga-Spitzenwert – dient als Beleg.

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Bärenstarke Offensivreihe

Die Eisbären lassen es so oft klingeln wie niemand sonst in der Deutschen Eishockey-Liga. 35 Treffer bedeuten 13 Tore mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr.
 
"Ich muss einfach diese Reihe um Marcel Noebels, Zach Boychuk und Leo Pföderl besonders loben", schwärmt Wegener. "In den letzten drei Spielen haben sie sechs Tore erzielt und zehn Vorlagen gesammelt, das ist richtig stark."
 
Obwohl die Eisbären sich die wenigsten Powerplays in der gesamten Liga erspielen (25), nutzen sie diese immerhin recht effektiv und: Viermal netzten die Eisbären in Überzahl.

Gelungener Umbruch

Gleich 14 Spieler verließen den Verein in der Sommerpause, darunter die Vereinsikone Frank Hördler, Stürmer Giovanni Fiore sowie das junge Torhüter-Duo aus Tobias Ancicka und Juho Markkanen. Dem gegenüber steht die Verpflichtung von zwölf Neuzugängen durch Stephane Richer. Es formiert sich gerade ein neues Team-Gefüge, das aufzugehen scheint.
 
Außer dem erwähnten Torhüter Hildebrand und den eingeschlagenen Rückkehrern Blaine Byron und Kai Wissmann hebt Wegener dabei den Routinier Patrice Cormier hervor, der seine Erfahrung aus der Kontinentalen Hockey-Liga in Asien mitbringe. Außerdem verfüge das Team über mehrere Optionen aus dem Nachwuchsbereich, allen voran Frank Hördlers Junior Eric Hördler (19 Jahre alt), der im vergangenen Spiel gegen die Grizzlys seinen ersten DEL-Treffer markierte. Zudem zählt der Kader die vielsprechenden Nachwuchshoffnungen Maximilian Heim (20), der Michael Bartuli (21) und Ersatz-Torwart Jonas Stettmer (22), der zuletzt beim Kooperationspartner Eissport Weißwasser zwei Shutouts in Folge vorweisen konnte.

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Zwei Härtetest vor der Brust

Schon am Freitag und Sonntag warten zwei echte Gradmesser auf die Überflieger aus Berlin. Am Freitag (19:30 Uhr) erwarten die Eisbären die direkten Verfolger der Straubing Tigers, zwei Tage später den amtierenden Meister: der EHC München ist zu Gast in Berlin (Sonntag, 15:15 Uhr). "Klar, das sind zwei superstarke Teams", schätzt Wegener. Aber: Der Berliner Anspruch sei es mittlerweile, bei jedem Spiel als Sieger vom Eis zu gehen. "Das sind Spiele, da muss Berlin 100 Prozent da sein, vielleicht zu 120 Prozent."
 
Aber nach den zuletzt gezeigten Leistungen kann sich Wegener nur zu gut vorstellen, dass die Eisbären auch aus den anstehenden Partien mit Punkten hinausgehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.10.2023, 14:15 Uhr