Bianca Schmidt von Turbine Potsdam jubelt nach einem Tor ihrer Mannschaft.(Foto: picture alliance / Fotostand | Fotostand / Woehrmann)

Platz zwei in 2. Frauen-Bundesliga Platz zwei in 2. Frauen-Bundesliga: Schafft Turbine Potsdam die Bundesliga-Rückkehr im Minimalismus-Modus?

Stand: 16.02.2024 13:49 Uhr

Turbine Potsdam hat sich nach dem Bundesliga-Abstieg nicht nur stabilisiert, sondern sogar realistische Chancen auf die direkte Erstligarückkehr. Grund dafür ist vor allem die beste Abwehr der Liga um Torhüterin und Eigengewächs Vanessa Fischer.

Der freie Fall von Turbine Potsdam schien zunächst kein Ende zu nehmen. Nach dem höchst verdienten Bundesliga-Abstieg nach Jahren des Chaos wurde auch die laufende Zweitligasaison mit einem Fehlstart eröffnet. Drei Niederlagen, kein Tor geschossen, Tabellenletzter. "Wir haben es am Anfang auch schon gut gemacht", sagte Kapitänin Jennifer Cramer im Oktober vergangenen Jahres gegenüber im rbb|24 Inforadio. Das Spielkonzept sei vom Start weg erkennbar gewesen. "In den ersten Spielen hatten wir auch Chancen, nur einfach nicht das Tor getroffen."
 
Doch dann der Aufschwung, das völlig neu zusammengestellte Team fand und stabilisierte sich. Seit der letzten Niederlage im September hat Turbine Potsdam eine beeindruckende Serie von acht Siegen und zwei Unentschieden hingelegt. "Wir haben uns in einen Rausch gespielt", bilanziert Torhüterin Vanessa Fischer nun gegenüber rbb|24. Die Brandenburgerinnen beendeten die zurückliegende Hinrunde mit 26 Punkten auf Aufstiegsplatz zwei - punktgleich mit Tabellenführer HSV.

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Die beste Defensive der Liga als Faustpfand

Der derzeitige Erfolg ist vor allem der Verdienst von Trainer Marco Gebhardt, die Turbine-Defensive zu einem echten Bollwerk entwickelt zu haben. Potsdam stellt mit nur sechs Gegentoren die mit Abstand beste Abwehr der Liga. Ein Schlüssel ist dabei die Variabilität in den Formationen. Trainer Gebhardt lässt die Mannschaft wahlweise im 4-1-4-1 oder 3-2-3-2, also mit Vierer- oder Dreierkette auflaufen. Durch diese taktischen Mittel kann sich Potsdam defensiv stets adäquat an den Gegner anpassen. Torhüterin Fischer sowie der Abwehrblock aus Cramer, Irena Kuznetsov, Lina Vianden und Adrienne Jordan sind formationsunabhängig gesetzt und finden so gut zusammen.
 
"Gerade auf der Defensivarbeit kann man aufbauen. Wir sind schon zufrieden mit unserer Hinrunde", so Fischer. Im Winter wurden mit Flavia Lüscher und Suya Haering zwei weitere Verteidigerinnen verpflichtet, auch wenn ihnen mit 20 und 18 Jahren wohl eher die Zukunft gehören soll. Mit einem Altersdurchschnitt von nur 23 Jahren gehört der Turbine-Kader allerdings ohnehin zu den jüngsten der Liga. Umso beachtlicher, dass die Potsdamerinnen defensiv so souverän agieren.

Eigengewächs Fischer blüht auf

Mit 25 Jahren zählt Vanessa Fischer schon eher zu den älteren Spielerinnen bei Potsdam - ihre Karriere scheint aber jetzt erst wirklich loszugehen. Die Torhüterin, gebürtig aus Frankfurt (Oder), kam bereits 2011 mit 13 Jahren zu Turbine, wurde fußballerisch in Potsdam ausgebildet und hält dem Verein seit jeher die Treue. In den vergangenen Jahren war Fischer selten die Nummer eins, kam eher sporadisch zum Einsatz, doch seit dem Abstieg ist sie eine zentrale Säule.
 
Es ist auch Fischers guter Saison zu verdanken, dass sich Potsdam dank einer herausragenden Defensive im Aufstiegsrennen wiederfindet. "Gerade ich - die schon so lange im Verein ist - wünsche mir, dass es nicht weiter bergab geht und man zurück auf den richtigen Weg kommt. Es macht mich stolz und freut mich, dass ich dem Verein mit Paraden nun etwas zurückgeben kann", sagt die 25-Jährige rbb|24.

Torhüterin Vanessa Fischer ist in der laufenden Saison ein großer Rückhalt für Turbine Potsdam. (Foto: picture alliance / foto2press | Oliver Baumgart)

Eigengewächs und großer Rückhalt für Turbine Potsdam: Torhüterin Vanessa Fischer

Das insgeheime Ziel Wiederaufstieg

Im vergangenen Dezember verlängerte Fischer ihren Vertrag in der brandenburgischen Landeshauptstadt – mit einem klaren Ziel: Wiederaufstieg. "Es freut mich natürlich, dass wir nach dem Abstieg direkt wieder oben mitspielen und Chancen auf den Aufstieg haben. Ich glaube, wir alle hatten uns dieses Ziel insgeheim vorgenommen, auch wenn es anfangs keiner wirklich ausgesprochen hat", verrät die Torhüterin, die nach der deutschen B-Jugendmeisterschaft den nächsten Titel mit Turbine anstrebt.
 
Trainer Gebhardt tritt hier noch etwas auf die Euphoriebremse. In einem Interview mit "FuPa" erklärt der 51-Jährige: "Die Saison ist lang. Wir werden alles versuchen und alles raushauen, was wir beeinflussen können. Am Ende sind es fünf bis sechs Mannschaften, die um zwei Aufstiegsplätze spielen werden und wir wollen natürlich bis zum Schluss dabei sein." Die Tabelle gibt dem Übungsleiter Recht, der Potsdam im Februar 2023 übernommen hatte. Potsdam belegt derzeit zwar Rang zwei und damit einen Aufstiegsplatz, allerdings mit nur zwei Punkten Abstand vor dem SC Sand, SV Meppen und dem FC Carl Zeiss Jena. Es ist ein intensiver Konkurrenzkampf um die zwei Aufstiegsplätze.

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Finanzierung der Saison gesichert

So stark Potsdams derzeitige Serie ist, so fraglich ist, ob sie weiter anhalten kann. Denn während die Defensive überragt, ist der Sturm das große Sorgenkind. Potsdam hat nach 13 Ligaspielen erst 14 Tore erzielt – der drittschwächste Angriff der Liga. Fünf der insgesamt acht Siege wurden mit nur einem Treffer Vorsprung eingefahren. "Wir haben viele Spiele natürlich auch knapp gewonnen. Wir haben uns für die Rückrunde vorgenommen, das ein oder andere Tore mehr zu schießen", erklärt Torhüterin Fischer schmunzelnd.
 
Mit Minimalismus kennt sich Turbine Potsdam auch wirtschaftlich bestens aus. Seit nun schon ein paar Jahren ist der Klub finanziell sehr wackelig aufgestellt. Zuletzt verkündete der Zweitligist allerdings, die laufende Saison ohne weitere Geldprobleme beenden zu können. "Wir sind nicht auf Rosen gebettet, aber es ist uns in großen Teilen gelungen, den Betrag, der uns durch den Ausstieg der AOK verloren gegangen ist, zu kompensieren", sagte Turbine-Präsident Karsten Ritter-Lang der "Märkischen Allgemeinen Zeitung".
 
Durch das mediale Echo auf die Sorgen des sechsmaligen deutschen Meisters seien laut Ritter-Lang "Leute auf uns aufmerksam geworden und haben gesagt: 'Komm, wir helfen euch!' Diese Öffentlichkeit braucht man eben auch." Eine Öffentlichkeit, die bei einer etwaigen Bundesliga-Rückkehr nur weiter anwachsen würde. Vielleicht stehen nun wieder bessere Zeiten für Potsdam bevor. Mit dem Spiel am Sonntag gegen den SV Meppen beginnt die Rückrunde - 13 Spiele für das große und tatsächlich realistische Ziel Wiederaufstieg.

Sendung: Der Tag, 16.02.2024, 18 Uhr