Trainer Miroslav Jagatic Chemie Leipzig

Fußball | Regionalliga Chemie-Trainer Jagatic: "Wir sind immer noch eine Amateurmannschaft"

Stand: 28.07.2023 08:00 Uhr

Miroslav Jagatic will mit Chemie Leipzig im Mittelfeld landen. Zugleich muss er mit einem überschaubaren Kader zurechtkommen. Im "SpiO"-Interview spricht der Trainer über die speziellen Herausforderungen bei der BSG.

Frage: Herr Jagatic, Präsident Frank Kühne hat als Saisonziel einen gesicherten Mittelfeldplatz ausgegeben. Wird es schwer, den Erfolg der vergangenen Spielzeit – Platz sieben, 53 Punkte – zu wiederholen?

Miroslav Jagatic: "Ich hätte natürlich Bock, um die 3. Liga mitzuspielen. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Gleichzeitig will ich die Erwartungen nicht total herunterschrauben. Wir sind schon offensiver herangegangen, wollen nicht nur um den Klassenerhalt spielen, sondern um einen gesicherten Mittelfeldplatz. Das sind wir unseren Fans und Sponsoren schuldig. Und trotzdem sind wir immer noch eine Amateurmannschaft, das darf man nicht vergessen."

Die jüngsten Testspiele verliefen durchwachsen: 0:1 gegen Aue, 1:1 gegen den österreichischen Viertligisten Innsbruck, 0:3 gegen Regionalligist Barockstadt. Müssen Sie vor dem Saisonstart bei Hertha BSC II vor allem Optimismus verbreiten?

"Ich brauche keinen Optimismus zu verbreiten. Optimismus ist bei uns 'Chemikern' sowieso da. Wir hatten vier Spiele in acht Tagen, hatten ein paar Ausfälle. Ohnehin haben wir nicht so viele Spieler in der Breite. Dafür war es okay, da ziehe ich den Hut vor meiner Mannschaft. Natürlich hat man auch ein paar Defizite gesehen. Aber die Vorbereitungsspiele sind dazu da, um Erkenntnisse zu sammeln. In der Saison musst du die Punkte holen. Meine Mannschaft ist bereit, die brauchst du nicht zu pushen."

Was erwarten Sie für einen Gegner?

"Das wird ein Kessel Buntes. Es können Spieler aus der ersten Mannschaft herunterkommen, dazu hat Hertha immer wieder Talente aus der Jugend hochgezogen. Aussagekräftig ist gar nichts. Bei den U23-Mannschaften weißt du nicht hundertprozentig, wo es langgeht. Uns erwartet auf jeden Fall eine spielerisch starke Mannschaft."

Chemie-Trainer Jagatic: Von der 3. Liga "noch weit weg"

Chemie hat einige Abgänge zu verkraften – darunter auch Torjäger Manassé Eshele, der als körperlich robuster, kopfballstarker Mittelstürmer eine spezifische Rolle im Chemie-System einnahm. Wer tritt nun an dessen Stelle?

"Manassé hat in der Hinrunde super performt, über die komplette Saison haben wir die Last in der Offensive aber auf viele Rücken verteilt. Als Florian Kirstein in der Rückrunde von seiner Reise zurückkehrte, hat er diese Rolle übernommen. Wir sind zudem keine Mannschaft, die auf Ballbesitz aus ist. Wenn der Gegner ungeordnet ist, das Spiel schnell gemacht wird, sind wir erfolgreicher. Manassés Stärke ist seine körperliche Präsenz im Strafraum bei Flanken. Wir hatten in der Rückrunde aber nicht sehr viele Flanken."

Ihr Top-Neuzugang ist Marcel Hilßner, der schon in der 2. Bundesliga und der 3. Liga gespielt hat. Er kann auf beiden offensiven Flügeln eingesetzt werden. Was erhoffen Sie sich von ihm? Soll er eine Führungsrolle einnehmen?

"Marcel war bereits in seiner Jugend ein 'Chemiker', und es freut uns, dass er zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist. Er ist variabel einsetzbar, sowohl auf den Flügeln als auch auf einer dritten Position, die ich noch nicht verrate. Vor allem aber ist er ein überragender Mensch, hat ein sehr gutes Standing in der Mannschaft und nimmt die jungen Spieler mit."

Chemie-Trainer Jagatic über Neuzugang Hilßner: "Überragender Mensch"

Neben Eshele haben vor allem Spieler, die für eine gewisse Breite im Kader gesorgt haben, den Verein verlassen. Dafür haben Sie neben Hilßner und Thilo Gildenberg vom ZFC Meuselwitz vor allem sehr junge Spieler wie Elias Ndukwe Oke (Sturm), Justin Gröger (Abwehr) und Lenno Schmidt (Tor) verpflichtet. Welche Rolle sollen diese übernehmen?

"Wir wollen ihnen nicht gleich die volle Verantwortung geben, aber irgendwann werden sie soweit sein. Viele Vereine erzählen immer, dass sie auf junge Spieler setzen wollen. Wir machen es. Und wenn die Jungs mal einen Fehler machen, dann müssen wir das ihnen auch zugestehen. Wir wollen ihnen eine Bühne geben, wir wollen unser Ding machen."

Ihre Stammelf konnten Sie beisammenhalten. Ihr größter Trumpf für die neue Saison?

"Das Ziel ist immer: die Leute, die wir für die BSG begeistert haben, die sich mit dem Verein identifizieren, langfristig zu binden. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Nicht jeder geht diesen brutalen Weg mit. Ich habe die Leute beisammen, die in der vergangenen Saison oft in der Startformation standen. Aber es geht auch um Wertschätzung allen Spielern gegenüber und darum, die Tür offenzuhalten."

Sie suchen noch nach weiteren Verstärkungen, haben jüngst ein paar Spieler getestet. Auf welchen Positionen sehen Sie noch Handlungsbedarf?

"Vor allem geht es darum, den Jungs zu sagen, dass sie nebenbei arbeiten gehen müssen. Bei der BSG lebt man nicht vom Fußball. Wir haben auch eine soziale Verantwortung, und diese besteht darin, den Jungs reinen Wein einzuschenken und zu sagen, dass sie einen normalen Rhythmus haben müssen."

Welcher Spieler kommt noch, Herr Jagatic?

Das Interview führte Max Zeising.