Frankfurts Sportdezernent Mike Josef

Frankfurts Sportdezernent Mike Josef im Interview Sportdezernent Mike Josef: "Es stimmt nicht, dass wir nur Geld in die Eintracht pumpen"

Stand: 28.12.2022 10:42 Uhr

Sportdezernent Mike Josef wehrt sich gegen die Kritik, dass die selbsternannte Sportstadt Frankfurt Randsportarten vernachlässige. Stellung bezieht er auch zum kommenden NFL-Spiel und der seit Jahren geplanten Multifunktionshalle.

Wer an Profi-Sport in Frankfurt denkt, denkt zuerst an Eintracht Frankfurt. Das wird sich im Fußball-Land Deutschland wohl auch so schnell nicht ändern. Dennoch möchte die Stadt auch andere Sportarten wieder vermehrt in den Fokus rücken. Helfen soll dabei die NFL und eine neue Multifunkionsarena, erklärt Sportdezernent Mike Josef (SPD) im Interview.

hessenschau.de: Herr Josef, welchen Sport betreibt Frankfurts Sportdezernent eigentlich privat?

Mike Josef: Wenn die Zeit es zulässt, spiele ich Fußball und laufe gerne. Ich habe jahrelang in meiner Jugend Fußball gespielt und war auch ein Jahr lang C-Jugend-Trainer. Generell mag ich am Sport, dass er ein starkes verbindendes Element hat: zwischen Ehrenamt und Hauptamt, Fans und Sportlerinnen und Sportlern auf der einen Seite, aber auch in der Entwicklungsmöglichkeit  aus der Breite in die Spitze.

hessenschau.de: Sie waren als Fußballer beim SSV Ulm recht erfolgreich. Es heißt, sie hätten es sogar fast zum Profi geschafft…

Josef: Wir haben schon relativ erfolgreich gespielt, aber ob ich kurz davorstand, Profifußballer zu werden… Das lassen wir mal so stehen. Einige meiner Mitspieler haben es tatsächlich geschafft. Mit Matthias Lehmann, der ja auch ein Jahr bei der Eintracht gekickt hat, habe ich ab der C-Jugend zusammengespielt. Mario Gomez war ein Jahrgang unter uns. Es sind aber nicht immer unbedingt diejenigen dann Profis geworden, die das größte Talent hatten. Man unterschätzt oft, wie viel Disziplin dazugehört: Dass man sich mit 16, 17 oder 18 Jahren zusammenreißt, während die anderen abends weggehen, du aber daheimbleiben musst, weil du am nächsten Tag einen großen Wettkampf hast.

hessenschau.de: Wie sieht es denn abseits des Fußballs aus? Welche Wettkämpfe lassen ihr Sportlerherz höherschlagen?

Josef: Ich schaue schon immer viel Sport. Ob Basketball, Schwimmen oder die Vierschanzentournee jetzt im Januar: Mich begeistern die Emotionen, die mit dem Sport verbunden sind. Das ist einfach großartig.

hessenschau.de: Und American Football?

Josef: Joe Montana oder Dan Marino waren großartige Quarterbacks. Und gerade in Frankfurt hat der Sport ja eine lange Tradition. Ich bin zwar in Ulm aufgewachsen, aber ich habe trotzdem die Frankfurt Galaxy im Fernsehen geschaut vor 50.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Stadion hier. Football vereint Athletik und Taktik. Man hat große Offensive Tackles und pfeilschnelle Wide Receivers. Diese Breite an Sportler-Typen hast du in kaum einer anderen Sportart. Deswegen freut es mich besonders, dass wir nächstes Jahr die NFL hier zu Gast haben werden.

hessenschau.de: Was viele Football-Fans natürlich besonders interessiert ist, welche Teams in Frankfurt spielen werden. Wissen Sie das schon?

Josef: Nein, das weiß ich tatsächlich noch nicht. Die NFL will in den nächsten Tagen die Heimmannschaften für die Spiele 2023 in London und in Frankfurt bekanntgeben. Der genaue Spieltermin soll dann Ende Januar oder Anfang Februar verkündet werden, eventuell im Rahmen des Super Bowls.

hessenschau.de: In München musste die Arena jüngst für das NFL-Spiel extra umgebaut werden. Die Umkleidekabinen der Fußballer waren zu klein für eine ganze Football-Mannschaft. Das Frankfurter Stadion wird für die Eintracht im Moment ohnehin umgebaut. Denken Sie bei den Maßnahmen das NFL-Spiel schon mit?

Josef: Das ist in Frankfurt in der Tat etwas anderes als in München. Als wir hier das Stadion gebaut haben, hatten wir schon für den American Football mitgedacht. Daher ist unser Kenntnisstand, dass die Größen von den Umkleidekabinen ausreichen. Das sind etwa 160 Quadratmeter. Und auch für die Football-Tore müssen keine neuen Löcher gebohrt werden wie in München. Das wurde beim Fundament schon mitgedacht.

hessenschau.de: Es gibt einen Vertrag mit der NFL, in dem sich die Stadt zu gewissen Sachen verpflichtet hat. Können Sie uns kurz skizzieren, was da alles gemacht werden muss?

Josef: Vertragspartner für die NFL ist die Eintracht Frankfurt Stadion GmbH. Aber wir arbeiten natürlich mit beiden Organisationen sehr eng zusammen. Zum Beispiel in der Verkehrsabwicklung, bei der Entwicklung eines Sicherheitskonzepts und bei einem gemeinsamen Volunteer-Programm, das es geben wird. Wir haben auch infrastrukturelle Maßnahmen zugesagt. Es soll eine Fan-Zone geben in der Stadt und viele Veranstaltungen rund um das Spiel. Wir wollen die Plätze aber nicht nur einmalig für die NFL umgestalten, sondern nachhaltig auch für weitere künftige Veranstaltungen in der Stadt.

hessenschau.de: Wissen Sie schon, wo die Fanmeile angesiedelt sein wird?

Josef: Das diskutieren wir momentan. Wir haben bei der Fußball-WM 2006 und bei der Frauen-WM 2011 die Erfahrung gemacht, dass die Flächen rund um den Main immer gut genutzt wurden. Wir haben aber auch größere Plätze wie den Rathenauplatz, Roßmarkt oder den Goetheplatz, die man dafür nutzen kann. Da das Spiel aber im November stattfinden wird, müssen wir bei unseren Planungen auch die Vorbereitungen auf den Frankfurter Weihnachtsmarkt berücksichtigen.

hessenschau.de: Wie viel kosten diese Maßnahmen?

Josef: Dafür nehmen wir als Stadt Frankfurt eine Million Euro in die Hand. Das Geld ist aber aus dem Innenstadtprogramm, das heißt, es ist ohnehin für die Innenstadt vorgesehen.

hessenschau.de: Sie haben sich auch verpflichtet, den Football in Frankfurt zu fördern, insbesondere die Jugendarbeit. Was ist da genau geplant?

Josef: Wir haben noch einmal 500.000 Euro extra zur Förderung des Flag Footballs zur Verfügung gestellt, den Football für Kinder und Jugendliche, der kontaktlos ist. Das Geld soll aber auch für die Um- beziehungsweise Neugestaltung von Sportplätzen für den American Football verwendet werden: Das prüfen wir derzeit an verschiedenen Orten in der Stadt in Ergänzung zu den bereits bestehenden Spielstätten wie dem Stadion am Brentanobad und am Bornheimer Hang.

hessenschau.de: Sehen Sie das NFL-Spiel in Frankfurt als eine Chance für den Football, den nächsten Schritt zu machen? Um sichtbarer zu werden?

Josef: Laut Medienberichten gab es mehr als drei Millionen Ticketanfragen für das Spiel in München. Football wird nachgefragt. So ein Spiel schafft natürlich neue Möglichkeiten für den Football in Frankfurt, aber auch insgesamt in Deutschland, und das ist auch gut so. Der Fußball – und das sage ich als ehemaliger Fußballer – dominiert den Sport in Deutschland. Aber wenn wir von der Sportstadt Frankfurt reden, müssen wir es auch schaffen, den Sport breiter aufzustellen. So ein NFL-Spiel gibt da noch einmal einen zusätzlichen Schub.

hessenschau.de: Sie wollen den Sport in Frankfurt auch mit einer neuen Multifunktionshalle auf breitere Füße stellen. Da sind Sie aber nicht der erste Sportdezernent…

Josef: Es ist dringend notwendig, dass wir eine Multifunktionshalle hier in Frankfurt bekommen, um wettbewerbsfähig zu sein im nationalen und internationalen Sport. Fakt ist, dass wir am P9-Parkplatz am Stadion seit 2006 Baurecht haben. Beim Neubau des Stadions für die Eintracht vor 20 Jahren gab es lange Diskussionen über die benötigten Zuschauerkapazitäten – und da hat man noch mit einem Zuschauerschnitt von 30.000 gerechnet. Aber das Fundament, das damals geschaffen wurde, war auch die Grundlage für den Erfolg der Eintracht heute. Und heute reden wir über bald 60.000 Zuschauerplätze. So eine Infrastruktur beflügelt den Sport in Gänze.

hessenschau.de: Wieso fällt denn der Stadt erst 2022 auf, dass man an diesem Standort bereits seit 2006 Baurecht hat? Da könnte doch im Prinzip schon längst eine Halle stehen.

Josef: Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren Sportdezernent. Warum das in den letzten fast 20 Jahren so gelaufen ist, vermag ich final nicht zu bewerten. Ich persönlich glaube aber, dass die Entscheidung über die Multifunktionshalle nie am Standort gescheitert ist.

hessenschau.de: Sondern?

Josef: Die entscheidende Frage ist: Hast du den Mut zu investieren in eine Infrastruktur, die sich – wie ich glaube – über die Jahre und Jahrzehnte positiv für die Stadt auswirken wird? Es ist eine Frage der Investition in die Zukunft des Profisports in Frankfurt und die braucht eine Entscheidung. Keine Entscheidung zu treffen ist übrigens auch etwas Politisches. Wir haben die Ballsporthalle  und die Eissporthalle: Beide Hallen werden in den nächsten Jahren die nationalen Anforderungen für Sportarten wie Eishockey oder Basketball nicht mehr auffangen können.

hessenschau.de: Die Skyliners Frankfurt befürworten diese Halle. Die Löwen Frankfurt bevorzugen aber ein anderes Projekt, "The Dome". Möchte die Stadt am Stadion also wirklich eine Sporthalle bauen, in der auch Konzerte stattfinden, oder nicht doch eher eine Konzerthalle, in der auch hin und wieder ein bisschen Sport stattfindet?

Josef: Für uns ist es in erster Linie eine Sporthalle. Deswegen engagiere ich mich als Sportdezernent auch so. Aber Experten sagen uns, dass durch das große Einzugsgebiet auch die Grundlagen gegeben sind für eine Konzert- und Veranstaltungshalle. Die Kombination halte ich für sinnvoll. Dadurch können Einnahmen generiert werden, mit denen wir als Stadt garantieren können, dass die Vereine dort eine Perspektive haben. Wir wollen Grundlagen schaffen für Sportarten wie Eishockey, Basketball oder zum Beispiel Handball. Ich weiß, wir haben keinen Handball-Verein, aber es geht darum, auch mal wieder in diesen Sportarten Welt- und Europameisterschaften in Frankfurt auszutragen.

hessenschau.de: Es gibt Sorgen über die verkehrstechnische Anbindung des Standorts. Rein theoretisch könnten an einem Sonntag die Eintracht, die Löwen und die Skyliners alle ein Heimspiel haben. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es dann nicht zum Chaos kommt?

Josef: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das alles unter einen Hut bekommen. Wir sind dabei, eine Machbarkeitsstudie gemeinsam mit dem Verkehrsdezernat in Auftrag zu geben. Das erfolgt in den nächsten Wochen. Aber auch jetzt kann man schon durch einige Veränderungen in den Rahmenbedingungen Abläufe verbessern: Wie ist das mit den Taktungen der Bahn? Wie gut funktioniert das Verkehrsleitsystem rund ums Stadion? Wir haben schon einige Hausaufgaben unabhängig von der Multifunktionshalle und können jetzt Synergien nutzen. Wenn der Regelfall eintritt und es keinen Parallelbetrieb von Stadion und Halle gibt, ist das übrigens einer der besterschlossensten Standorte bundesweit.

hessenschau.de: Wer soll so eine Multifunktionsarena eigentlich betreiben? Die Stadt, die Eintracht oder doch die Skyliners?

Josef: Das ist momentan in Klärung. Grundsätzlich ist vieles denkbar. Am Ende muss es sich auch wirtschaftlich rechnen. Grundlagen dafür werden wir in den nächsten Monaten vorstellen.

hessenschau.de: Wenn man über Sport in Frankfurt spricht, kommt man an der Eintracht nicht vorbei. Ist es ein Fluch oder ein Segen, so einen präsenten Club in der Stadt zu haben?

Josef: Ganz klar ein Segen. Die Eintracht wurde gerade von den Sportjournalistinnen und -journalisten zur Mannschaft des Jahres gekürt. Das sind normalerweise Nationalmannschaften. Da darf man doch mal stolz sein. Unsere Eintracht steht für die Sportstadt Frankfurt wie die Skyline für die Stadt Frankfurt. Mit dem Erfolg der Eintracht geht der Erfolg für unseren Sport insgesamt einher. Es hat etwas Identitätsstiftendes für Stadt und Region. Auch weil die Eintracht es geschafft hat, sich über den Sport hinaus gesellschaftspolitisch einzubringen. Ein Präsident Peter Fischer, der klare Kante gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zeigt, ist für unsere Stadt ein Gewinn.

hessenschau.de: Aber überstrahlt die Eintracht nicht vielleicht andere Vereine, die sich ebenfalls bemühen und auch gute Arbeit leisten?

Josef: Das bedeutet ja nicht, dass wir die anderen Sportarten und Vereine vernachlässigen. Ganz im Gegenteil. Jeder Verein und jede Sportart hat doch eine Fan-Basis. Wir haben das Reitturnier, das Radrennen am 1. Mai, den Ironman und den Marathon. Wir haben die Löwen, die Skyliners, die Galaxy, den SC 1880 im Rugby und viele weitere 1. und 2. Bundesligisten. Das ist die Sportstadt Frankfurt. Die Eintracht steht mit ihrem Erfolg über Gebühr für eine erfolgreiche Entwicklung. Und sie hat es sich zu einem Großteil selbst erarbeitet. Noch vor wenigen Jahren ging es mehrmals um die Frage, ob sie 1. oder 2. Bundesliga spielt. Aber die Eintracht hat sich mittlerweile wirtschaftlich und sportlich stabilisiert, auch durch eigene Entscheidungen. Aber das Fundament war sicherlich der Stadionbau und die sich hieraus ergebenden Perspektiven.

hessenschau.de: Und die Eintracht hat diesen infrastrukturellen Vorteil schon vor Jahren bekommen, während die Löwen und die Skyliners noch immer warten…

Josef: Die Debatte um die Infrastruktur finde ich wichtig. Aber ich spiele nicht das eine gegen das andere aus. Es stimmt auch nicht zu sagen, dass wir nur Geld in die Eintracht pumpen und die anderen Vereine vernachlässigen. Bevor wir Anfang der 2000er das Waldstadion erneuert und zu einem WM-Stadion gebaut haben, hatten die Basketballer und unser Eishockey-Team die moderneren Hallen. Wir haben auch auf dem Bornheimer Hang das Stadion für über 30 Millionen Euro ausgebaut. Hier spielt der FSV Frankfurt und die Frankfurt Galaxy. Wir haben in zehn Jahren über 14 Millionen Euro in die Eissporthalle investiert. Wir merken aber, dass das sowohl energetisch als auch, was den nationalen und internationalen Wettbewerb angeht, nicht mehr tragfähig ist. Deswegen sage ich ja, dass wir die Multifunktionshalle brauchen.

hessenschau.de: Sie sind SPD-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl am 5. März 2023. Werden Sie gewählt, bekommt die Stadt auch einen neuen Sportdezernenten. Geht die Diskussion um die Mehrzweckhalle dann wieder von vorne los?

Josef: Wenn ein Oberbürgermeister den Profisport neben dem Fußball in Frankfurt halten und fördern will, muss er auch das Projekt der Multifunktionshalle zu einem erfolgreichen Abschluss bringen und dem Sport in all seinen Facetten eine hohe Priorität einräumen. Sport ermöglicht Begegnung, fördert die Gesundheit und hält zusammen. Denn nirgendwo finden sich so unterschiedliche Menschen zusammen, engagieren sich für eine Sache, jubeln mit ihrem Verein und trösten sich gegenseitig, wenn es mal nicht so gut klappt. Wir brauchen unsere Vereine, die jeden Tag tausende von Sportangebote für Jung und Alt organisieren. Wir brauchen die vielen Ehrenamtlichen in unserer Stadt, ohne die das alles nicht möglich wäre.

Die Fragen stellte: Gerald Schäfer