Sandro Wagner bereitet das Training der deutschen Nationalmannschaft vor

BR24 Sport Sandro Wagner: Eine Trainerkarriere im Zeitraffer

Stand: 12.09.2023 13:28 Uhr

Vor drei Monaten coachte Sandro Wagner die SpVgg Unterhaching noch zum Aufstieg in die 3. Liga - gegen Frankreich nimmt er jetzt als Co-Trainer auf der Bank der A-Nationalmannschaft Platz. Er wirkt wie ein Gegenentwurf zu Jogi Löw und Hansi Flick.

Von Raphael Weiss

Es ist eine Art Götterdämmerung im deutschen Fußball. Nach dem blamablen 1:4 im Testspiel gegen Japan machte sich beim DFB und in der Nationalmannschaft die Erkenntnis breit, dass sich man in der Vergangenheit wohl zu Unrecht für unverwundbar gehalten hat. "Vielleicht denken wir auch, dass wir besser sind, als wir eigentlich sind", sagte der neue Kapitän İlkay Gündoğan nach dem Spiel. "Vielleicht muss man auch einfach mal zugeben, dass man spielerisch gerade nicht mit solchen Mannschaften wie heute auf Augenhöhe ist", fügte Gündoğan an und meinte damit die Nationalmannschaft Japans. Die erste Konsequenz: Nach zwei Jahren im Amt wurde Bundestrainer Hansi Flick entlassen.

Wagner als Co-Trainer beim Spiel gegen Frankreich

Diese Entlassung war abzusehen. Nach drei Großturnieren, bei denen die DFB-Elf zweimal in der Vorrunde und einmal im Achtelfinale ausschied, wirkte die Niederlage gegen Japan wie ein Vorbote für das nächste große Unheil, während die Europameisterschaft 2024 im eigenen Land schon am Horizont zu sehen ist.

In dieser dramatischen Situation ist es nur passend, dass der Name Wagner durch die Münder und Köpfe der deutschen Fußballfans geistert. Im Testspiel gegen Frankreich wird Sandro Wagner auf der Bank der Nationalmannschaft Platz nehmen. Als Co- zum Interims-Trainer Rudi Völler - und nicht wenige Anhänger wünschen sich, dass dem 35-Jährigen sogar die ganz große Retterrolle gegeben wird und er die DFB-Elf als Trainer bei der EM anführt.

Wagner: Der Gegenentwurf zum Typus Flick und Löw

Ein Grund dafür: Ganz wie sein Namensvetter, Schöpfer des Opernepos "Der Ring der Nibelungen", Richard Wagner, ist Sandro Wagner ebenfalls nicht für seine leisen Töne bekannt. Als TV-Experte machte er sich mit seiner selbstbewussten Art und seinen Analysen, in denen er nur selten ein Blatt vor den Mund nahm, vor allen Dingen unter den Zuschauern viele Freunde. Ähnlich trat er auch als Trainer auf. Nahbar und unverblümt gab sich Wagner auch als Coach der SpVgg Unterhaching, die er in seinem ersten Jahr als Cheftrainer auf Platz vier der Regionalliga Bayern führte und anschließend zum Meistertitel und Aufstieg coachte.

Es ist diese direkte und unbekümmerte Art, die ihn so sehr von den oft als glatt empfunden ehemaligen DFB-Trainer Jürgen Klinsmann, Joachim Löw und nun Hansi Flick unterscheidet - und gerade deshalb auch in der Gunst der Fans nach oben schnellen lässt. Wagner kommt anders daher; imposant, er nimmt sofort einen Raum ein, den er betritt. "Ein echter Kerl", wie man im Stammtischjargon sagen würde und damit auch einer, den man in vielen Fußballdebatten so schmerzlich vermisst. Das führt auch dazu, dass sie so manchen vergessen lässt, dass Wagner für einen Bundestrainer doch ziemlich unerfahren wäre.

Wagners steile Karriere: Von 0 zur DFB-Elf in drei Jahren

Seine Laufbahn an der Seitenlinie begann nur wenige Monate nach seinem letzten Spiel im Trikot der chinesischen Tianjin Jinmen Tiger. Zuvor war er nach vielen Stationen noch einmal zu seinem Jugendverein FC Bayern München zurückgekehrt. Im Oktober 2020 trat er seine erste Stelle an: Als Stürmertrainer sollte er dem DFB-Nachwuchs beibringen, wie sich echte Mittelstürmer im Sturmzentrum zu verhalten haben. Nach knapp einem halben Jahr wechselte er zur U19-Abteilung von Unterhaching und stieg dort - wieder nur wenige Monate später - zum Cheftrainer der ersten Mannschaft auf.

Zwei Jahre lang war Wagner der prominenteste Name bei Unterhaching und anschließend, trotz des Aufstiegs in die 3. Liga, als Trainer dem Team entwachsen. Trotz einiger unternommener Anstrengungen, gelang es Unterhaching-Präsident Manfred Schwabl nicht, seinen Trainer zu halten. Wagner zog es zurück zum DFB.

Als Co-Trainer von Hannes Wolf wollte er bei der U20 den nächsten Karriereschritt gehen und wurde zudem in das "Nachwuchs-Kompetenzteam" berufen. Dass dieser Schritt nur wenige Monate später auf den Co-Trainer-Platz der A-Nationalmannschaft führen würde, hatte selbst bei diesem steilen Karrierepfad wohl keiner vorhersagen können. Doch ebenso schnell wie er zu dieser Stelle gekommen ist, könnte er sie auch wieder los sein. Denn Wagner ist nur interimsweise Co-Trainer der Nationalmannschaft.

Völler: "In dreieinhalb Wochen den richtigen Trainer präsentieren"

"Wir wollen in den nächsten dreieinhalb Wochen den richtigen Trainer präsentieren", kündigte Sportdirektor und Kurzzeit-Cheftrainer Rudi Völler an und bezeichnete wenig später Julian Nagelsmann als einen "absoluten Top-Trainer". Nagelsmanns Karriere verlief sogar noch steiler als die von Wagner. Doch ob der ehemalige FC-Bayern-Trainer im Falle eines Angebots tatsächlich zusagen würde? Schließlich scheint der einstige Traumjob Bundesligatrainer derzeit so unattraktiv wie nie zu sein. Auch andere Namen wie Oliver Glasner, Stefan Kuntz, Louis van Gaal und Matthias Sammer werden gehandelt.

An welcher Stelle in der DFB-internen Liste der Name Wagner auftaucht, ist nicht bekannt. Vermutlich sogar noch etwas hinter Hannes Wolf. Der zweite Interims-Co-Trainer gegen Frankreich ist eigentlich der Cheftrainer der DFB-U20 Nationalmannschaft und somit auch der Vorgesetzte von Wagner. Dass Wagner also tatsächlich den Platz bei der A-Nationalmannschaft einnimmt, ist mehr als unwahrscheinlich.

Unmöglich scheint in dieser Krisensituation, ja in der Götterdämmerung, in der sich der DFB befindet, allerdings fast gar nichts mehr zu sein. Schaut man dann noch einmal zu Wagners Namensvetter Richard, dann findet man vielleicht doch ein Argument für Sandro als Bundestrainer. Schließlich geht es bei dem Komponisten eigentlich immer nur um ein Thema: die Erlösung. Und die hätte der DFB dringend nötig.

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Quelle: BR24Sport im Radio 12.09.2023 - 21:00 Uhr