Julian Nagelsmann beim Debüt in Hartford

BR24 Sport Mut, Freude und ein Aber: Nagelsmann nach Debüt kritisch

Stand: 15.10.2023 16:59 Uhr

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft macht wieder Hoffnung. Der Mut von Julian Nagelsmann bei seiner Premiere als Bundestrainer wird gegen die USA belohnt. Doch dem ehemaligen Bayern-Coach ist bewusst, welches Risiko sein Spielstil birgt.

Von Hannes Nebelung

Erstmal durchatmen nach dem guten Auftritt gegen die USA? Auf keinen Fall, sagt Bundestrainer Julian Nagelsmann. Der Ex-Bayern-Coach gönnt der DFB-Mannschaft nach dem 3:1-Erfolg gegen die US-Boys keinen freien Tag, nicht mal einen halben. "Vielleicht mal ein Stündchen" Freizeit, stellte der 36-Jährige seinen Nationalspielern nach seiner Premiere in Aussicht. "Wir sind jetzt auch nicht zum La-Paloma-Pfeifen da. Jetzt haben wir ein Spiel gewonnen. Und es wäre ganz gut, wenn wir auch noch das zweite (gegen Mexiko, Mittwoch ab 3 Uhr live in der BR24-Radioreportage) gewinnen."

Die Nationalelf hatte seinen neuen Chef "fußballerisch sehr" zufriedengestellt am Samstagnachmittag (Ortszeit) im Hartford/Connecticut. "Wir haben sehr viele Torchancen in einer guten Qualität herausgespielt", sagte Nagelsmann im Interview mit der ARD nach dem Spiel. Doch das ist ihm bei weitem noch nicht genug. Denn noch bis kurz vor der Pause hatte sein neues Team Probleme und lag zurück, danach drehten Ilkay Gündogan, Niclas Füllkrug und Jamal Musiala die Partie.

Aggressives DFB-Pressing offenbart Lücken

Nagelsmanns Handschrift war von Minute eins im College-Stadion am Rentschler Field erkennbar. Die Offensivreihe mit Füllkrug, Musiala sowie Leroy Sané und Florian Wirtz attackierte die US-Abwehr schon an deren eigenem Strafraum. Es folgten die ersten sehr hohen Ballgewinne ("Da können wir mehr draus machen"), doch dann stellte Nagelsmann fest, dass "die Positionierung nicht immer perfekt war. Der Gegner konnte zu oft nach innen dribbeln".

So geschehen beim 0:1-Gegentreffer durch Christian Pulisic: Der Angreifer der AC Mailand nutzte das halbherzige Anlaufen der deutschen Mannschaft auf dem linken Flügel, zog unbedrängt in Richtung Strafraum und ließ Keeper Marc-André ter Stegen bei seinem Schlenzer keine Chance. Die DFB-Elf wollte direkt zurückschlagen, "was ja ein gutes Zeichen ist", stellte Nagelsmann wohlwollend fest.

"Zu viel Risiko": Nagelsmann passt Taktik an

Doch was ihm in dieser Spielphase missfiel, war das ungeduldige Ballbesitzspiel und die daraus resultierenden Fehlpässe seines Teams, die die schnellen US-Amerikaner "zum Kontern eingeladen" haben. Sein Team habe in den zehn Minuten zwischen 0:1 und 1:1 mit "zu viel Risiko" gespielt, "dann wurde das Spiel wild. (...) Wir hatten eine hohe Ballverlust-Rate".

In die gleiche Kerbe schlug auch Gündogan, der den "einen oder anderen unnötigen Ballverlust" in der Mittelfeldzentrale ansprach, in der zweiten Halbzeit aber eine "deutlich bessere Balance" feststellte. "Der größte Unterschied war die Geduld in der gegnerischen Hälfte", erklärte Nagelsmann zum Auftritt im zweiten Durchgang.

Dies hatte er in der Pausenansprache so eingefordert. Seine Offensive sollte "nicht in jeder Situation zum Abschluss kommen", stattdessen sich den Gegner zurechtlegen. Nach den Anpassungen in der Kabine trat die deutsche Mannschaft tatsächlich stabiler auf. Füllkrug agierte außerdem klarer als Mittelstürmer und verschaffte so den Ballkünstlern um Sané, Musiala und Wirtz mehr Platz in den gefährlichen Halbräumen.

DFB-Elf besteht Charaktertest

Angesichts von letztendlich 60 Prozent Ballbesitz und 19:6 Torschüssen ist dies der Nationalmannschaft auch durchaus gelungen. Zudem hob Nagelsmann die Widerstandsfähigkeit seiner Schützlinge hervor. "Dass wir nach einem Rückstand zurückkommen, ist nicht selbstverständlich, wenn man so die letzten Wochen und Monate verfolgt hat."

Das letzte Spiel, was die DFB-Elf nach Rückstand noch gewinnen konnte, liegt knapp ein Jahr zurück, es war das abschließende Gruppenspiel beim WM-Aus gegen Costa Rica (4:2). Der Erfolg gegen die USA war erst der dritte Sieg seit dem Debakel von Katar und gleichzeitig der zweite in Folge nach dem 2:1 gegen Frankreich vor einem Monat. Umso wichtiger ist für Nagelsmann deshalb, auch das zweite Spiel der USA-Reise gegen Mexiko zu gewinnen.

Und genau aus diesem Grund will der neue Bundestrainer jede freie Minute mit der Mannschaft verbringen, um ihre Abläufe weiter zu verfestigen. Die Regeneration und Erholung sollen laut Nagelsmann andere übernehmen. "Vielleicht geben die Klub-Trainer ja dann zwei Tage frei", sagte Deutschlands neuer Hoffnungsträger mit einem Augenzwinkern. Die Zeit bis zum Mexiko-Spiel soll so intensiv wie möglich genutzt werden – damit die Aufbruchstimmung bis zum EM-Start in knapp acht Monaten erhalten bleibt.

VIDEO: Die Highlights vom Nagelsmann-Debüt gegen die USA

Jamal Musiala, Leroy Sané und Ilkay Gündogan (v.l.)

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Quelle: BR24Sport im Radio 15.10.2023 - 12:55 Uhr