Leroy Sané bejubelt sein Traumtor gegen den SC Freiburg - das wenig später aberkannt wurde.

BR24 Sport Leroy Sané: Vom Prügelknaben zur Trainerliebling

Stand: 09.10.2023 13:37 Uhr

Leroy Sané geht in seine vierte Saison beim FC Bayern – und scheint endlich so richtig angekommen zu sein. Vertrauen und eine neue Rolle haben das Potenzial des 27-Jährigen freigesetzt. Pfiffe der eigenen Fans dürfte es so schnell nicht mehr geben.

Von Raphael Weiss

Je weiter die Bundesligasaison voranschreitet, desto mehr wirken die Worte von Thomas Tuchel wie eine Prophezeiung. Leroy Sané müsse jemand sein, "der die Liga dominiert", hatte der Trainer des FC Bayern München zu Beginn der Spielzeit über seinen Flügelspieler gesagt. Sechs Tore in sieben Spielen hat der 27-Jährige nun erzielt. Und wer gegen den SC Freiburg Sané dabei beobachten konnte, wie er sich mit blitzschnellen Richtungswechseln durch die Abwehrreihen schlängelte, wie er Gegner mit dem Zucken seines Körpers ins Leere laufen ließ, wie er in Richtung Tor strebte und das 2:0 selber einleitete und vollendete – der musste Tuchel spätestens dann recht geben.

Vertragsverlängerung mit Sané: Freund will "Gespräche führen"

Nach dem 3:0-Sieg Spiel erneuerte Tuchel die hohen Ansprüche in Richtung Sané und bezeichnete ihn als "Maschine." Und Sportdirektor Christoph Freund sah Handlungsbedarf: "Wir werden sicher in den nächsten Wochen Gespräche führen. Er ist ein außergewöhnlich guter Spieler, für Bayern München ein Schlüsselspieler", so Freund. "Es wäre sicher schön, wenn er lange in München bleiben würde."

Sanés Vertrag läuft noch bis 2025. Es wird spannend, ob und wie reibungslos das Vorhaben gelingt, ihn noch länger zu halten. Aktuell scheint sich Sané sehr wohl in München zu fühlen. Doch kürzlich wurde darüber berichtet, dass der gebürtige Essener sich sehr gut vorstellen könnte, der lockenden Versuchungen der spanischen Topklubs nachzugeben.

Pfiffe von den eigenen Fans – "tut keinem gut"

Ein Grund dafür dürfte auch die nicht allzu weit entfernte Vergangenheit sein: Es ist nicht lange her, da wurde Leroy Sané in der Münchner Arena von den eigenen Fans ausgepfiffen. Hämischer Beifall und Buh-Rufe ergossen sich im August 2021 über den damals 25-jährigen Flügelspieler. Man merkte, dass sich bei einigen Fans des FC Bayern München etwas angestaut hatte, was sich beim 3:2-Sieg über Köln auf einmal entlud. "Das tut keinem gut, auf jeden Fall. Egal, in welcher Sportart", sagte Sané wenig später über die Pfiffe von den eigenen Anhängern.

Enttäuschte Erwartungen, gepaart mit einem extravaganten Mode-Geschmack und Schultern, die manches Mal in Richtung Rasen sacken, sobald ein Spiel so gar nicht in die erwünschte Richtung läuft: Das ist eine Kombination, die so manchem Fan dazu verleitet, seinen Unmut aus den Backen in die Finger zu pusten, sodass ein schrilles Geräusch entsteht. So ist es vielleicht zu erklären, dass Leroy Sané, der zweifelsohne zu den begabtesten Männern gehört, die in der Bundesliga gegen einen Ball treten, so oft im Mittelpunkt der Kritik steht, sobald etwas nicht läuft.

Im März von der DFB-Elf ausgeschlossen, nun unverzichtbar

Seit Sané im Juli 2020 für knapp 50 Millionen Euro zum FC Bayern gewechselt ist, durchlebte er nicht wenige dieser Phasen, in denen der öffentliche Unmut über ihn hereinbrach. Doch nicht nur Fans, auch Trainer und Verantwortliche zeigten sich immer wieder frustriert und ratlos, warum Sané nicht immer ein Spieler der Kategorie "Weltklasse" ist.

Zuletzt war das im März der vergangenen Saison so. Der Flügelstürmer war nach einem starken Saisonbeginn durch eine Verletzung aus der Bahn geworfen worden. Bei der Weltmeisterschaft in Katar blieb er hinter den Erwartungen. Und seine Trainingsleistungen bei den Münchnern sollen zumindest ausbaufähig gewesen sein – und so flog Sané aus dem Kader der Nationalmannschaft. Man wolle sich nach "Alternativen" umschauen, begründete der damalige Bundestrainer Hansi Flick seine Entscheidung.

Bei der kommenden EM dürfte Sané für den neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann alternativlos sein. Zumindest, wenn er die aktuelle Form diesmal auch über den Winter retten kann. Mit sechs Tore in sieben Bundesligaspielen ist der FC-Bayern-Spieler auf dem besten Weg, seine bisherige Bestmarke (acht Tore) zu pulverisieren. Auf dem Platz macht er immer wieder den Unterschied, ist ein ständiger Stressfaktor für gegnerische Abwehrreihen und für die Mitspieler eine oft gesuchte Anspielstation, wenn nach Lösungen gesucht wird.

Tuchel: Sané ist "eine Maschine"

Tuchel – ganz unbescheiden – sieht einen Grund für den aktuellen Höhenflug von Sané auch bei sich selbst. "Es hängt ganz viel mit seinem Wohlbefinden zusammen", erklärte Tuchel die konstant gute Form des 27-Jährigen nach dem Spiel gegen Freiburg bei DAZN und fügte an: "Wir haben einen Draht zueinander." Ob Tuchel oder Nagelsmann: Immer wieder erklärten Trainer, dass der Nationalspieler sehr sensibel sei und das Vertrauen spüren müsse.

Tuchel gibt ihm genau das, lässt ihn bislang in jedem Bundesliga- oder Champions-League-Spiel von Beginn an spielen – und fordert im Gegenzug nicht mehr als Spitzenleistungen. Ein Deal, an den sich derzeit beide Partien halten.

Meiste Dribblings, starke Pässe: Sané dominiert

Doch Tuchel redet Sané nicht einfach nur gut zu. Sané ist deutlich weiter vorne positioniert, als in vergangenen Saisons. 41 Prozent seiner Ballberührungen hat er im Angriffsdrittel. In den vergangenen Saisons lag dieser Wert noch bei 30 Prozent. Mit neuen Freiheiten und Vertrauen ausgestattet, bewegt er sich dort in einem deutlich größeren Radius und kann so seine größte Stärke ausspielen: das Dribbling. Mehr als achtmal pro 90 Minuten sucht Sané mit dem Ball am Fuß das eins-gegen-eins. Kein anderer Bundesligaspieler kann auch nur im Ansatz diesen Wert vorweisen. 35-mal konnte Sané so schon seine Gegenspieler bezwingen. Auf Platz zwei: Victor Boniface und Alphonso Davies mit 24 erfolgreichen Dribblings.

Kein Wunder also, dass Sané für seine Mitspieler so viele Schussgelegenheiten kreiert, wie sonst kein anderer Bundesligaprofi. Und auch sein Passspiel ist deutlich zielgerichteter und führt zu deutlich mehr Raumgewinn (auch hier ist Sané Bundesliga-Spitzenreiter) als in vergangenen Spielzeiten. In anderen Worten: Sané dominiert die Liga. Dem Flügelstürmer kommt dabei freilich auch entgegen, dass nun mit Harry Kane wieder ein echter Mittelstürmer im Kader ist. Einer, der Freiräume schafft, ein dankbarer Abnehmer für gute Pässe ist – und Sané mit solchen auch selbst gerne sucht. So wie beim 2:0 gegen Freiburg.

Sané stellt sogar Kane in den Schatten

Doch trotz der Ankunft des Superstars, trotz Shootingstar Jamal Musiala – Leroy Sané ist derzeit der spektakulärste Spieler beim FC Bayern. Egal ob im Dribbling oder mit dem Pass zum Mitspieler – sobald Sané den Ball im Angriffsdrittel am Fuß hat, wird es für den Gegner richtig stressig und für die Fans meist eine Augenweide. Pfiffe von den FC-Bayern-Fans in Richtung des 27-Jährigen kann man also in der nächsten Zeit eher nicht erwarten. Schließlich sollten mittlerweile alle wissen, wie wichtig es für Sané ist, sich wohlzufühlen – und wie wichtig es für den FC Bayern ist, dass genau das der Fall ist. Wenn möglich auch noch nach dem Jahr 2025.

Im Video: FC Bayern gegen SC Freiburg - die Highlights

Leroy Sane (l) feiert sein Tor zum 2:0 mit Joshua Kimmich.

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Quelle: BR24Sport 09.10.2023 - 18:30 Uhr