
Marianne Vos übernimmt Gelb In der Ausreißergruppe mit der Autogrammjägerin
Marianne Vos übernimmt auf der 2. Etappe der Tour de France Femmes das Gelbe Trikot. Sie ist ein großer Star des Frauenradsports und hat großen Anteil daran, dass es die Frauen-Tour gibt.
Hinter der Ziellinie in Provins gab es die ersten Lagebesprechungen. Die 2. Etappe der Tour de France der Frauen war gerade zu Ende gegangen und die knapp 140 noch im Rennen verliebenen Fahrerinnen standen in Gruppen zusammen, um erste Analysen zu treffen. Es gab einges zu besprechen nach dieser "chaotischen Etappe" wie die deutsche Meisterin Liane Lippert es ausdrückte.
Hektik wegen Wind und kleinen Straßen
Am Morgen noch in Meaux, wo im Fan-Park Menschen mit Kostümen herumliefen, zu denen Hüte in Form des nach der Stadt benannten Käses Briex de Meaux gehörten, hatten die meisten Teams wohl mit einer Sprintankunft in Provins gerechnet. Unterwegs aber sorgte dann die Angst vor dem Seitenwind und eine einen Kilometer lang ansteigende Zielgerade für ein ganz anderes Szenario.
"Wegen der schmalen Straßen und des Windes war die Anspannung groß", berichtete die Etappensiegerin Marianne Vos, die auch gleich das Gelbe Trikot übernahm. "Alle wollten vorne sein." Das aber geht im Radsport immer schief. Die Folge war, dass das Peloton eine frühe Fluchtgruppe schnell stellte und dann lange zusammenblieb. In der Hektik kamen sich die Fahrerinnen häufiger in die Quere.
Etappensiegerin Vos fährt für das Frauenteam der niederländischen Jumbo-Visma-Mannschaft, das gerade der Tour der Männer ihren Stempel aufgedrückt hat. Vos' Teamkolleginnen hielten sie weitgehend aus allen Schwierigkeiten heraus. Und als das Feld das erste Mal die Ziellinie in Provins überquerte, um sich auf die 19,7 Kilometer lange Schlussrunde zu begeben, blieb die Niederländerin dann ebenfalls im Bilde.
Van der Duin gemeinsam mit ihrem Vorbild
Es war die erst 20 Jahre alte Maike van der Duin, die sich 27 Kilometer vor dem Ziel absetzen konnte. Vos und fünf weitere Fahrerinnen, darunter die Italienerin Elisa Longo Borghini und eine der Mitfavoritinnen auf den Gesamtsieg, die Polin Katarzyna Niewiadoma vom deutschen Team Canyon-SRAM, schafften nach der Sprintwertung bei der ersten Zieldurchfahrt den Anschluss.
Diese Gruppe fuhr dann den Tagessieg unter sich aus. Van der Duin, die das Ziel als Fünfte erreichte, wurde für ihren Angriff als kämpferischste Fahrerin ausgezeichnet und durfte sich außerdem das Weiße Trikot der besten Nachwuchsfahrerin überstreifen. Danach erzählte die junge Frau strahlend, wie sie als Achtjährige eine Autogrammkarte von Marianne Vos bekommen habe. "Und heute bin ich mit ihr in einer Ausreißergruppe gefahren - unglaublich."
241 Siege stehen auf Vos' Liste
Vos ist ein großer Star des Frauenradsports. Ihr Vater errichtet gerade eine Art Museum mit all den Radsportmemorabilia, die seine Tochter im Laufe der Jahre gesammelt hat. Dabei ist einiges zusammengekommen: Die Liste ihrer 241 Siege umfasst unter anderem drei Weltmeistertitel, einen Olympiasieg und 32 Etappensiege beim Giro d'Italia, dem bislang wichtigsten Etappenrennen im Rennkalender der Frauen.
Vor sieben Jahren gewann sie auf den Champs-Élysées die erste Auflage von "La Course", einem Eintagesrennen der Frauen im Rahmen der Tour de France der Männer. Dieses Rennen sei ein Meilenstein für den Frauenradsport gewesen, sagte Vos. Sie hatte sich damals dafür eingesetzt, dass der Tourveranstalter ASO den Frauen diese Chance gibt.
Aber schon damals gab sie sich nicht damit zufrieden, dass die Frauen für einen Tag auf der großen Bühne der Männer eine Nebenrolle spielen durften. Eine Tour de France der Frauen war damals schon Vos' Ziel: "Das wir jetzt eine echte Tour de France haben, mit all den Emotionen, die ein Etappenrennen mit sich bringt, ist ein weiterer Meilenstein."
Strahlkraft des Gelben Trikots
Vos ist sich der Strahlkraft des Gelben Trikots bewusst - kein anderes Trikot im Radsport ist derart mit Bedeutung aufgeladen wie das Maillot Jaune. Aber geträumt habe sie nie davon: "Ich habe als Kind die Tour an der Strecke gesehen und den Jungs zugeguckt. Sie waren alle Helden, der Letzte genauso wie der Erste", sagte sie. "Aber das Gelbe Trikot war nie ein Traum von mir, weil es das für Frauen nicht gab."
Jetzt aber bekommt es auch für große Fahrerinnen wie Marianne Vos eine Bedeutung. Schon auf der 1. Etappe auf den Champs-Élysées am Sonntag wäre sie gerne ganz vorne gewesen, es schien die beste Chance für sie als Sprinterin zu sein, aber gegen Lorena Wiebes war sie in Sachen Schnelligkeit deutlich unterlegen. Darum musste es auf anderem Wege gehen. "Ich hätte meine Karriere nicht beenden können, ohne es zu tragen", sagte Vos. "Es ist etwas Großes. Und es wird besonders sein, es morgen zu tragen."