Wintersport | Para Ski Alpin Anna-Maria Rieder vor der Para-WM: "Shiffrin und Dürr sind meine Vorbilder"

Stand: 10.01.2022 09:49 Uhr

Die alpine Skirennläuferin Anna-Maria Rieder vom deutschen Parateam steht vor ihren dritten Weltmeisterschaften und ihren zweiten Paralympics. Die Bronze-Gewinnerin von der WM 2017 im Slalom gehört bei der Para Snow WM in Hafjell und den Paralympics in Peking zu den Mitfavoritinnen im Kampf um die Medaillen.

Von Maria Köhler-Thiel

Sportschau: Anna-Maria Rieder, vor noch nicht langer Zeit waren Sie das „Küken“ im alpinen Team. Wie sehen Sie kurz vor der WM in Lillehammer / Hafjell (8. bis 23. Januar 2022) Ihre Rolle?

Anna Maria Rieder (lacht): "Das ist eine gute Frage. Dadurch dass wir noch zwei jüngere Männer im Team haben (Christoph Glötzner und Leander Kress, Anm. d. Red.), bin ich nicht mehr die Jüngste. Ich bin auf jeden Fall im Team und im Weltcup angekommen. In die Weltspitze habe ich es geschafft. Ich bin noch jung, aber nicht mehr das kleine Mädel. Ich fühle mich jetzt nicht mehr wie das Küken. Ich bin bei jedem Lehrgang und Rennen dabei. Ich habe mich gut etabliert."

Beim Weltcup in St. Moritz gelang Ihnen dreimal der zweite Platz. Zudem wurden Sie einmal Dritte. Wie fit fühlen Sie sich kurz vor den Para Snow Welt-meisterschaften, dem ersten von zwei Saisonhighlights?

Rieder: "Schon ziemlich fit. Ich habe im Sommer gut trainiert - Kondition und viel auf Schnee. Ich habe versucht, gescheit zu trainieren. Ich bin nicht müde oder schlapp. Ich fühle mich gut."

Gibt es Vorbilder oder Athletinnen, denen Sie besonders gern zuschauen?

Rieder: "Ja, natürlich. Ein Vorbild ist gewissermaßen Mikaela Shiffrin. Sie ist saustark und ein Weltstar. Aber auch Lena Dürr ist ein Vorbild. Manchmal kann ich am Olympiastützpunkt in Garmisch-Patenkirchen mit ihr trainieren. Das ist etwas Besonderes. Sie ist eine brutale Arbeiterin und tut alles für ihren Sport. Ich finde es cool, zum Beispiel im Sommer, mit ihr trainieren zu dürfen. Auch mit Kira Weidle konnte ich schon trainieren. Sie versucht auch, das Beste aus sich herauszuholen. Beide arbeiten hart, um ihre Ziele zu erreichen."

Zuschauer sind wegen der Corona-Bestimmungen in Norwegen nicht zugelassen. Wer oder was motiviert Sie stattdessen?

Rieder (überlegt): "Mich motiviert es, dass es hier einen guten Rennhang mit einer sauguten Piste gibt. Hier kann man geil Ski fahren. Der Schnee und die Landschaft sind richtig schön. Da kann ich jetzt auch Spaß haben und mein gutes Können zeigen. Mich motiviert auch, dass ich mit meinen Heimtrainern und Eltern Kontakt habe. Sie schauen sich Videos und meine Zeiten an, obwohl sie gerade nicht da sind. Familie, Freunde und das Team motivieren mich. Ein tollerTeamgeist ist da."

Warum ist für Sie der alpine Sport so faszinierend?

Rieder: "Ich fand es von Anfang an cool, dass ich möglichst schnell den Berg hinunterfahren kann. Du hast eine gewisse Freiheit beim Skifahren. Ich mag Schnee und den Winter sehr gerne. Das hat mir schon immer gefallen. Schon bei Kinder- und Jugendrennen hat es mir Spaß gemacht, obwohl ich nicht die Schnellste war. Ich messe mich gern mit anderen. Ich habe nie darüber nachgedacht, mal auf etwas anderes umzusteigen."

Bei der Frage nach den Medaillenkandidatinnen nannte Bundestrainer Justus Wolf auch Ihren Namen. Wie schätzen Sie Ihre Chancen für die Welt-meisterschaften und Paralympics ein?

Rieder: "Beim Riesenslalom und Slalom bin ich eine Favoritin. Da könnte ich vorn dabei sein. Ich will aber nicht sagen, ich könnte die oder die Medaille gewinnen. Wenn ich mir Druck mache, wird nichts Gescheites daraus. Man kann immer Fehler machen. Ich versuche, mein Bestes zu zeigen und Spaß zu haben. Wenn ich Spaß habe, fahre ich schnell Ski. Ich schaue am Schluss, was dann rauskommt."

Woran haben Sie gerade in den vergangenen Wochen noch gearbeitet?

Rieder: "Es gibt da schon einzelne Punkte - dass ich noch schneller Ski fahre zum Beispiel. Oft ist der Rechtsschwung besser als der Linksschwung - durch meine Halbseitenlähmung. Das ist aber eine Sache, an der wir schon seit Jahren arbeiten. Auch auf dem Spaß liegt ein Fokus."

Im Slalom von Pyeongchang sind Sie ausgeschieden. Wieviel Risiko Sie gehen, entscheidet über die Platzierung bzw. ein mögliches Ausscheiden. Wie gehen Sie damit um?

Rieder: "Ich denke mir, wenn ich schnell Ski fahre, kann es schon einmal passieren, dass ich ausscheide. Im Training scheide ich wenig aus. Ich muss ans Limit gehen. Aber ich werde in Peking deshalb nicht besonders aufpassen, nicht auszuscheiden, weil mir das vor vier Jahren bei den Paralympics passiert ist."

Andrea Rothfuss lobte Sie im Interview, dass Sie sie im Training extrem pushen. Muss Sie Ihnen etwas ausgeben, wenn sie Gold holt?

Rieder (lacht): "Darüber haben wir ehrlich gesagt noch gar nicht gesprochen. Aber das ist eine gute, coole Idee. Wir pushen uns gegenseitig, da wir in einer Klasse starten. Wir gucken im Training, wer schneller war."

Wie ist der Schnee in Lillehammer? Und wie beurteilen Sie die Organisation vor Ort?

Rieder: "Es gibt überhaupt nichts zu schimpfen. Der Schnee ist hart, schön gewalzt, aber nicht brutal glatt. Bei eisigerem Schnee tue ich mich schwerer. Die Organisation ist echt ziemlich cool. Es ist schon eine Umstellung, wenn die Sonne nur für wenige Stunden da ist, sonst gibt es nichts auszusetzen. Ich bin begeistert."

In Peking finden die Paralympics (4. bis 13. März 2022) in einer Region statt, in der es normalerweise nicht schneit. Inwiefern scheren Sie sich um das Thema Nachhaltigkeit?

Rieder: "Wir sind viel in der Natur, müssen dort aber mit dem Auto hinfahren oder hinfliegen. Es ist schwierig, als Skifahrerin richtig darauf zu achten. Man muss einiges in Kauf nehmen, weil die Rennen woanders stattfinden. Ich versuche, im Alltag nachhaltig zu sein. Ich kaufe wenig Plastik, trenne Müll und versuche, in einer Fahrgemeinschaft zum Lehrgang zu fahren."

Das deutsche Aufgebot für die Speed-Rennen ab 13.1.:

Andrea Rothfuss (Frauen stehend), Anna-Maria Rieder (Frauen stehend), Anna-Lena Forster (Frauen sitzend), Leander Kress (Männer stehend)

Für die Technik-Rennen ab 19.1. kommen dazu:

Noemi Ristau (Frauen sehbehindert, mit Guidin Paula Brenzel), Isabell Thal (Frauen sehbehindert, mit Guide Maximilian Körner), Luisa Grube (Frauen sehbehindert, mit Guide Luca Traichel), Christoph Glötzner (Männer stehend)