Der deutsche Hindernisläufer Frederik Ruppert bei der Leichtathletik-WM in Eugene.
kommentar

WM-Bilanz Masse statt Klasse - DLV-Team historisch schlecht

Stand: 25.07.2022 06:30 Uhr

Die deutschen Leichtathleten haben in den USA ein historisches Debakel erlebt. Noch nie war ein DLV-Team bei Welt-Titelkämpfen so schlecht. Nach dieser traumatischen WM bedarf es einer schonungslosen Analyse.

Von Martin Roschitz

Träume sind Schäume. Das glänzende Gold des einzigen deutschen Superstars Malaika Mihambo hat die desaströse WM-Bilanz allenfalls aufgehübscht. Auch die vier Bronzemedaillen für das Sprint-Quartett der Frauen zählen in der Endabrechnung leider nur einfach. Unter dem Strich steht ein sporthistorisches Debakel. Nur zwei Mal Edelmetall. Noch nie war ein deutsches WM-Team so schlecht.

Übrigens nicht nur, was die Medaillenausbeute betrifft. Auch bei den für die Sportförderung wichtigen Endkampfplatzierungen haben die Athletinnen und Athleten des deutschen Leichtathletik-Verbandes das schwächste Ergebnis der Geschichte erzielt. Nur sieben Plätze unter den besten Acht - eine verheerende Bilanz.

Die Deutschen abgehängt und auf Weltniveau meist chancenlos. Von den 78 WM-Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben zu viele nur Erfahrung gesammelt statt Punkte für die Nationenwertung. Masse statt Klasse. Nicht jeden scheint das zu stören. Hochsprung-Europameister Mateusz Przybylko hatte eine aus seiner Sicht plausible Erklärung für den vorletzten Platz im Finale. Alles halb so schlimm - die WM sei für ihn nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zur Heim-EM in München. Verständlich aus Athleten-Sicht.

Heim-EM in München zum Alibi verkommen

Werden sie doch in drei Wochen im Olympiastadion von den heimischen Fans, Familie und Freunden angefeuert und sind auch in den Medien sichtbarer als im Nachtschatten in Übersee. Doch der emotionale Höhepunkt München ist in Eugene zum Alibi verkommen. Der absolute Siegeswille, den die Athleten der USA bei ihrer ersten Heim-WM in beeindruckender Manier vorgelebt haben, ging den Deutschen völlig ab. Mitverantwortlich dafür die Verbandsspitze, die ihren Athleten das Alibi München hat durchgehen lassen und mit widersprüchlichen Aussagen in der amerikanischen Provinz selbst für Negativ-Schlagzeilen sorgte.

Nach dieser traumatischen WM bedarf es einer schonungslosen Analyse. Warum ist es so wenigen gelungen, ihre Topleistung abzurufen? Liegt es an der laschen Einstellung, an der falschen Trainingssteuerung - oder fehlt einfach das Leistungsniveau? Warum kann sich der erfolgreiche Nachwuchs international noch nicht behaupten?

Träume sind Schäume. Die deutsche Leichtathletik muss endlich aufwachen. Sollte auch die Heim-EM in München zu einem sportlichen Albtraum werden, droht die olympische Kernsportart in Deutschland von der Bildfläche zu verschwinden.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr