Die US-amerikanische Sprinterin Allyson Felix bei der Leichtathletik WM 2022 in Eugene.

Busemanns WM-Kolumne Goodbye Allyson Felix - Inbegriff von Erfolg und Wagemut

Stand: 16.07.2022 07:00 Uhr

Allyson Felix ist in Eugene ihr letztes großes Rennen gelaufen. Die erfolgreichste WM-Athletin der Geschichte verabschiedete sich mit Bronze von der großen Bühne. Eine Würdigung von ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann.

29 internationale Medaillen. Global. Das ist mal ein Pfund. Dafür braucht man bei der Bank schon drei Schließfächer. Oder wegen der inflationären Schaffung immer neuer Superlative gibt man die Dinger den Kindern zum spielen. Man hat ja genug. Besser gesagt: Frau hat genug.

Eugene ist auch die Abschiedsshow von Allyson Felix. 2004 gewann sie zum ersten Mal eine olympische Silbermedaille. Ein Jahr später wurde sie das erste Mal Weltmeisterin. Danach avancierte sie zur erfolgreichsten WM-Teilnehmerin. Die Michael Phelps der Stadionrunde.

Irgendwann wurden ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft vom Ausrüster die Bezüge gekürzt. Ein Skandal, wie sie befand. Ich auch! Wer soll denn sonst die Kinder in die Welt setzen? Die Typen vielleicht? Besser nicht, die würden das nicht aushalten.

Sie läuft also im Laktatbad durch die Welt, bekommt Kinder und erhebt ihre Stimme. Legt sich mit Wirtschaftsgiganten an, sagt vor dem US-Kongress aus, um auf den Missstand schwarzer Frauen hinzuweisen, gründet eine eigene Schuhmarke und definiert sich über die Laufbahn hinaus. Der Inbegriff von Erfolg und Wagemut. Sonst würde sie auch nicht freiwillig die 400 Meter auf dem Zettel haben.

Ich weiß, dass es an der Zeit ist. Es war etwas ganz Besonderes, in meinem letzten Rennen vor dem amerikanischen Publikum laufen zu dürfen. Das war so cool. Meine Tochter war auf der Tribüne. Das sind so schöne Erinnerungen.  
Allyson Felix

Gold wäre Hollywood gewesen

Nun geht sie. In Eugene. In der 4x400-Meter-Mixed-Staffel der USA durfte sie noch ein letztes Mal das Trikot mit "Stars and Stripes" um die Runde tragen. Es war irgendwie angerichtet. Das Publikum feierte sie. Ein wenig. Die Pauken und Trompeten hatte man aber im Geräteschuppen des Stadions eingeschlossen. Dadurch, dass sie auf Position zwei lief, ging es unter und der Anstand gebot die Gleichbehandlung aller Nationen.

Bei einem Meeting wäre sie im Cabrio rein- und wieder rausgefahren worden. Doch hier war die WM. Und das war das Problem. Da konnte der Veranstalter kein Kanonenfutter einkaufen, die noch mal ein bisschen Ramba-Zamba mit Felix machten. Die machten das für sich selbst und kassierten die US-Mädels gnadenlos ein. Bronze sprang am Ende noch mal raus. Gold wäre Hollywood gewesen, die Karriere ist trotzdem Felixional.

Medaille Nummer 30 als Belohnung

Aber es musste sein, es sollte sein. Mit Allyson Felix geht die große Dame der Leichtathletik. Die scheinbar nie laut war, immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und über lange Zeit durch Leistung bestach. Das machte sie so massenkompatibel und beliebt.

Die Zuschauer hätten ihr natürlich die Goldmedaille gegönnt, doch so viel Pathos wussten die Dominikanische Republik und die Niederlande zu verhindern. Eine geschenkte Medaille hätte sie auch nicht gewollt. Dafür war sie viel zu sehr Kämpferin. Und wurde zum Abschluss mit Medaille Nummer 30 belohnt. Goodbye Allyson!

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr