Cottbuserin knackte als erste die zwei Meter Der Jahrhundertsprung - Rosi Ackermann wird 70

Stand: 04.04.2022 11:21 Uhr

Zwei Meter gelten im Hochsprung der Frauen noch immer als magische Grenze. Wer sie schafft, gehört zu den ganz Großen dieses Sports. Eine junge Frau aus Cottbus schaffte das erstmals 1977. Jetzt wird Rosi Ackermann 70 Jahre alt.

Es ist mucksmäuschenstill an diesem 26. August 1977 im Berliner Olympiastadion. Beim "Internationalen Stadionfest" - dem Istaf hat sich die Cottbuser Hochspringerin Rosi Ackermann gerade zwei Meter auflegen lassen. Die junge Frau aus der DDR ist 1,73 Meter groß. Niemals zuvor hatte eine Frau auf der Welt diese Höhe in einem Wettkampf gemeistert. Und dennoch gelingt es ihr gleich im ersten Versuch.
 
"So wie ich damals gelandet bin, bin ich vor Freude gleich noch mal so hoch gesprungen auf der Matte, weil ich wusste, ich bin rübergekommen." Ackermann ist damit die erste Frau, die die magische Marke überspringt. "Realisiert habe ich diese Leistung erst viele Monate später", sagt Ackermann viele Jahre nach ihrem Triumph.

Zuschauer hält es nicht mehr auf den Sitzen

Übermannt von ihren Emotionen liegt Ackermann nach ihrem Jahrhundertsprung mit Tränen in den Augen auf der Matte. Umringt von dutzenden Fotographen und TV-Kameras. Weil es ihr unangenehm ist und als Schwäche ausgelegt werden könnte, läuft die damals 25-Jährige den Fotografen davon. Weit kommt sie aber nicht. "Nach einer halben Stadionrunde konnte ich aber nicht mehr. Hinter mir waren die Fotografen und vor mir die Zuschauer, die es nicht mehr auf den Sitzen hielt."

Kuriose Anekdote am Rande: Weil das DDR-Fernsehen an diesem Abend nicht mehr im Stadion ist, müssen die Bilder vom Jahrhundertsprung später für Westgeld eingekauft werden. Schließlich will man den DDR-Zuschauern diese Sensation nicht vorenthalten. Ackermann wird 1977 erst DDR-Sportlerin des Jahres, später auch noch Europas Sportlerin des Jahres. Zur Belohnung für ihren Erfolg verkürzt die Staatsführung die Wartezeit für ihren neuen Wartburg um knapp zwei Jahre. Statt 18 Jahre, musst Ackermann nur 16 auf ihr neues Auto warten.

DDR-Fernsehen verpasst den Jahrhundertsprung

Drei Jahre nach dem magischen Abend von Berlin ist dann Schluss. Mit Platz vier bei den Olympischen Spielen in Moskau endet die sportliche Laufbahn. "Ich habe wortwörtlich meine Schuhe an den Nagel gehangen. Nach dem Wettkampf habe ich sie nie wieder angezogen." Wie außergewöhnlich die Leistungen der Lausitzerin waren, wir auch daran deutlich, dass die zwei Meter auch heute noch eine magische Grenze sind. Bei den vergangenen Olympischen Spielen in Tokio hätte Ackermann mit dieser Höhe Bronze gewonnen. Und das fast 45 Jahre nach ihrem Erfolg.

Bis zur Wende arbeitet Ackermann beim SC Cottbus. Danach wird sie Sachbearbeiterin bei der Bundesagentur für Arbeit. 2015 geht die Cottbuserin in Rente und genießt seitdem die Zeit mit ihrem Mann. "Rentner haben niemals Zeit. Denn unsere Zeit geht schneller vorbei, weil man alles bedächtiger und langsamer tun muss", sagt die nun 70-Jährige.
 
Die Jahrhundertsportlerin hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Interviews gibt nur ganz selten. Im Kreis ihrer Familie und Freunde wird sie heute feiern und vielleicht in diesem Rahmen auch noch mal, über jenen Abend im August 1977 sprechen, der sie weltberühmt machte.

Sendung: Inforadio, 04.04.2022 08:15 Uhr