Juri Knorr und Julian Köster besprechen sich während des Spiels

Handball-WM 2023 DHB-Kader - Die Hoffnung auf das "gewisse Etwas"

Stand: 23.12.2022 16:47 Uhr

Der 18er-Kader, den Handball-Bundestrainer Alfred Gislason für die WM nominiert hat, ist erneut tief besetzt. Er hat aber seit langem mal wieder das Potenzial für "das gewisse Etwas".

"Viele durchschnittliche Bundesligaspieler" - das ist der Tenor diverser Kommentare in den sozialen Medien zur Kadernominierung für die Handball-WM 2023. Diese Einschätzung ist so nicht korrekt. Das, was grundsätzlich dahinter steht, war aber zuletzt tatsächlich ein Problem, das aber vielleicht schon bald gelöst wird. Ein Erklärungsversuch.

Deutschlands Kader hat durchaus auch "Spitze"

Gleich fünf Spieler im Aufgebot stehen unter den 25 besten Torschützen der laufenden Bundesligasaison. Drei aus dem Aufgebot gehören zu den fünf besten Vorlagengebern, zwei zu den drei besten Blockern der Saison.

Und der in Polen aktive Torhüter Andreas Wolff ist in dieser Spielzeit in der Champions League der bisher stärkste Keeper mit einer Fangquote von über 32 Prozent bei 111 Paraden. Der Kader hat also nicht nur Breite, sondern durchaus auch Spitze.

Da spielen nicht nur "durchschnittliche Bundesligaspieler". Es gibt sicherlich auch einige Namen im Aufgebot, die nicht bei den Topteams unter Vertrag stehen und auch nicht die großen Stars bei ihren Mannschaften sind, aber sie haben dafür spezifische Rollen und Stärken, die in einem Gesamtgefüge wichtig sind. So funktioniert Mannschaftssport.

Suche nach "Unterschiedsspieler" im deutschen Rückraum

Das Problem: Bei den vergangenen großen Turnieren mit der Nationalmannschaft konnten die deutschen Topspieler ihr Potenzial nicht konstant abrufen. Die Gründe waren unterschiedlich. Manche waren noch sehr jung und unerfahren wie EM-Entdeckung Julian Köster, der sowohl bei den Torschützen, als auch den Assists und den Blocks zu den Topspielern der Liga gehört.

Manche waren zuletzt gar nicht dabei, wie Juri Knorr (bei Toren und Assists ebenfalls ganz weit vorn), dessen Impfstatus ihm Anfang 2022 einen Strich durch die EM-Rechnung machte, und manche waren einfach gerade in einem Formtief, wie Wolff. Kapitän Johannes Golla war zwar im Abwehrzentrum auch bei der EM ein Kernbaustein, hat als Kreisläufer im Angriff allerdings nicht so viel Einfluss auf das Gelingen wie Rückraumspieler, die einfach am häufigsten den Ball haben.

Und dass es, wenn es in der Weltspitze in den wichtigen Spielen zwischen guten Mannschaften eng wird, eben oft in der Offensive die individuelle Klasse Einzelner braucht, um den kleinen Unterschied auszumachen, ist eine Erkenntnis, die nun wirklich nicht neu ist.

Knorr und Köster - das kann was werden

Offensive "Unterschiedsspieler" auf absolutem Top-Niveau hatte der DHB in den vergangenen Jahren im Rückraum nicht. Keinen vom Format eines Nikola Karabatic, eines Mikkel Hansen, eines Sander Sagosen oder auch eines Matthias Gidsel, der für die Dänen zuletzt immer mehr in diese Rolle hineinwuchs. Wenn man die individuell am besten veranlagten deutschen Spieler sucht, die am ehesten die Chance haben, so ein Spieler zu werden, landet man zwangsläufig bei Juri Knorr und Julian Köster.

Julian Köster feiert sein Tor

Beide sind erst 22 Jahre alt, und wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblickt, muss man konstatieren: Dass gleich zwei Rückraumspieler im Kader womöglich zu solchen Unterschiedsspielern reifen können, ist eine Situation, die es lange nicht mehr gab.

"Ist an der Zeit, dass viele Spieler über den Talentstatus hinauskommen"

Thomas Koos, Sportschau, 23.12.2022 08:07 Uhr

WM 2023 als Start in eine spannende Zukunft?

Ob man das schon jetzt von so jungen Leuten erwarten darf und der Kader somit den nächsten Schritt machen kann, ist eine andere Frage. Aber zu behaupten, der Kader verfüge nicht über das Potenzial für große individuelle Leistungen, ist falsch.

Die WM 2023 kann aus deutscher Sicht eine sehr interessante werden. Und selbst wenn es noch nicht für den erhofften Sprung nach ganz oben reicht, kann sie vielleicht zumindest der Start in eine neue Ära sein, denn auch Wolff ist erst 31 Jahre alt - kein Alter für einen Torhüter - und Kapitän Golla sogar erst 25. "Es ist an der Zeit, dass viele über den Talentstatus hinauswachsen", stieß auch Golla selbst jüngst im Sportschau-Interview ins gleiche Horn.