Irans Pouya Norouzinezhad im Einsatz gegen Chile

Handball-WM 2023 Irans Handballer – wenig Aufmerksamkeit, viel Druck

Stand: 13.01.2023 20:38 Uhr

Irans Handballer haben bei der WM die sportlichen Erwartungen schon jetzt übertroffen - unter großem Druck stehen sie trotzdem. Der ist aber nicht (nur) sportlich bedingt.

Von Maike Elger und Robin Tillenburg (Krakau)

Als in der Arena in Krakau die Schlusssirene ertönt, durchbricht sie eine fast gespenstische Stille. Gefolgt vom Jubel der in rot gekleideten Spieler auf dem Feld. 15.000 Leute fasst die Arena in Krakau und nur wenige hundert haben gerade eine sportliche Sensation erlebt, die meisten Sitze sind leer geblieben.

"Das ist Wahnsinn und eine große Erleichterung. Es ist erst unsere zweite WM. Wir hatten viel Druck", sagt Pouya Norouzinezhad am Sportschau-Mikrofon. In einer hoch spannenden Schlussphase hat seine iranische Nationalmannschaft gerade gegen die favorisierten Chilenen mit 25:24 ihr WM-Auftaktspiel gewonnen. Der Jubel auf dem Spielfeld ist riesig, der auf den Rängen nicht existent. Zwei iranische Flaggen sind auf den Tribünen zu sehen, ansonsten einige Hundert neutrale oder chilenische Fans.

Iranischer Handball unter dem Radar

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar stand die iranische Nationalmannschaft noch voll im Fokus, vor allem wegen der angespannten politischen Lage im Land. Auf den Tribünen wurde für die "Woman, Life, Freedom"-Bewegung demonstriert, die Mannschaft verweigerte bei der ersten Partie das Mitsingen der Nationalhymne als Zeichen des Protests gegen das Regime.

Das mediale Interesse an den Handballern steht bei der WM in Polen und Schweden in keinem Verhältnis dazu. Das zweite Mal in der Verbandsgeschichte ist der Iran bei einer Handball-Weltmeisterschaft vertreten, erstmals gelingt ein Sieg in der Gruppenphase, die Chance auf die Hauptrunde ist plötzlich groß – und kaum jemand spricht darüber oder bekommt es mit.

Genau unter Beobachtung

Nichtsdestotrotz stehen die Spieler unter Druck. Nicht nur sportlich. Verschiedene Quellen erklären gegenüber der Sportschau, dass es im Iran vorkommt, dass finanzielle Mittel von Sportlern und Sportlerinnen eingefroren werden, wenn diese zu Wettkämpfen ins Ausland reisen. Manchen soll sogar für die Dauer des Turniers der Pass abgenommen werden, sagen die Quellen. Ob das bei den Handballern auch der Fall ist, ist nicht bestätigt.

Die Spieler stehen unter Dauerbeobachtung. Zwei Aufpasser begleiten nach Sportschau-Informationen das iranische Team. Sie sollen kontrollieren, dass sich die Spieler an die strengen Regeln halten, keinen Alkohol trinken, nicht heimlich mit der Presse sprechen oder sich mit der Protestbewegung solidarisieren.

Eintracht Hagens Norouzinezhad singt nicht mit

Als vor dem Spiel die iranische Hymne in der Krakauer Arena erklingt, stehen die Spieler dicht beieinander. Pouya Norouzinezhad ist der einzige Spieler, der die Hymne nicht mitsingt. Eine Bedeutung habe das nicht, erklärt der Spielmacher nach der Partie.

Eine Quelle, die anonym bleiben möchte, erklärt der Sportschau, Norouzinezhad sei der einzige Spieler, der sich das erlauben könne, er hätte nicht die gleichen Konsequenzen zu befürchten, wie ein Spieler der in der Heimat spielt. Pouya Norouzinezhad ist der einzige Spieler der iranischen Mannschaft, der nicht im Iran spielt und lebt. Er steht beim deutschen Zweitligisten VfL Eintracht Hagen unter Vertrag, spielte zuvor unter anderem bei FA Göppingen, dem VfL Gummersbach und dem Bergischen HC. Mit seiner sportlichen Klasse und seiner Erfahrung ist er auf dem Spielfeld der sportliche Strippenzieher.

"Ich habe im Iran mit dem Handballspielen angefangen. Dort ist der Sport nicht so populär wie in Europa. Für mich war es immer ein Traum, in der Bundesliga zu spielen", sagt Norouzinezhad. Seit 2017 lebt der 28-Jährige in Deutschland, mit Zwischenstationen in Schweden und der Schweiz.

Mehr Aufmerksamkeit – noch mehr Druck?

Durch den nicht unbedingt zu erwartenden sportlichen Erfolg sind die Iraner nun so richtig auf der Handball-Weltkarte angekommen, in der Vorrunde geht es noch gegen Spanien, in der Hauptrunde potenziell gegen Frankreich oder Gastgeber Polen. Gut möglich, dass dadurch die Aufmerksamkeit, die die Mannschaft bekommt, zunimmt – und damit auch der Druck? "Ich versuche, mich auf den Sport zu fokussieren. Das ist erst unsere zweite WM, wir haben wenig Erfahrung. Wenn wir etwas vermischen, können wir keinen Handball spielen."