Golf PGA-Tour-Finale: Joaquin Niemann - der rennende Golfer

Stand: 06.09.2021 13:30 Uhr

Mit dem Sieg beim Saisonfinale der Golfer in Atlanta hatte Joaquin Niemann nichts zu tun, er wurde Letzter. Und doch sprachen später alle über Niemann und seinen Auftritt.

Golf gilt als Sport, der an einen gemütlichen Spaziergang erinnert. Die Schlussrunde des chilenischen Profis Joaquin Niemann beim Tour-Finale in Atlanta hatte mit Spazieren aber nichts zu tun. Niemann rannte über den Kurs des East Lake Golf Clubs. Sein Ziel: die schnellste Golfrunde der Turniergeschichte.

Bei Temperaturen von rund 30 Grad hetzte Niemann mit seinem Caddie Gary Matthews von Loch zu Loch. Begleitet von Teenagern, die Niemanns hölzerne Ergebnistafel mitschleppten. "In der Schule bin ich gerne gerannt, damals war ich sogar im Leichtathletik-Team", sagte Niemann später. "Mittlerweile hasse ich es eigentlich, zu laufen. Diesmal hat's aber Spaß gemacht."

Vor dem Schlusstag beim Tour-Finale war Niemann Letzter. Die verletzungsbedingte Aufgabe von US-Superstar Brooks Koepka sorgte dafür, dass nur noch 29 Golfer am Start waren - eine ungerade Zahl. So musste Niemann die Schlussrunde ohne Begleitung angehen.

Angesichts seines großen Rückstands im Gesamtklassement konnte der Chilene zwanglos aufspielen. Eine echte Chance auf den 15-Millionen-Dollar-Jackpot für den Sieger hatte er nicht mehr.

Erst verlor Niemann einen Schuh, dann stellte er einen Rekord auf

"Ich habe die ganze Woche nicht wirklich gut gespielt. Irgendwann habe ich mir gesagt, komm lass uns Spaß haben", erzählte der 22-jährige Niemann später. Also beschloss er, fortan lieber um die schnellste Runde in der Geschichte der Tour Championship zu spielen. Den bisherigen Rekord hatte der US-Amerikaner Kevin Na vor fünf Jahren in 1:59 Stunden aufgestellt.

Auf den ersten Löchern spielte Niemann zügig, ohne allerdings zu rennen. An einem Abhang rutschte er sogar aus, verlor einen Schuh und spielte Double Bogey, also zwei Schläge über Platzstandard. Nach neun Löchern fiel dann seine Entscheidung, den Rekordversuch zu wagen. "Wir haben nach der Hälfte gehört, wie schnell wir unterwegs sind. Dann haben wir uns gesagt, wir versuchen es", sagte der Caddie Gary Matthews.

Nur drei statt neun Golfbälle in der Tasche

Die Golftasche hatte Matthews vorab leichter bepackt, um sie besser im Dauerlauf über den Kurs wuchten zu können: "Wir haben nur drei statt der üblichen neun Bälle mitgenommen. Den Regenschutz, den Schirm und ein paar Instrumente haben wir gar nicht eingesteckt und auch nur einen Handschuh." Mit der immer noch rund 13 Kilogramm schweren Tasche über der Schulter wetzte Matthews dem drahtigen Niemann hinterher.

Im Schlepptau hatten sie Tyler und Evan Henley, zwei Teenager im türkisen Shirt des Veranstalters, die das schwere Scoreboard aus Holz trugen. "Plötzlich sind die losgerannt. Wir haben nur gehört, wie Niemann sich umgedreht hat und rief: 'Komm wir schlagen den Rekord'", erzählte Tyler Henley im Gespräch mit CNN. Er und sein Bruder erreichten das Klubhaus mit hochroten Köpfen und durchgeschwitzten Shirts.

Begeisternder Putt aus mehr als neun Metern

Auch Caddie Matthews war die Anstrengung anzusehen. Niemann dagegen wirkte fast entspannt trotz seines Dauerlaufs, auf den letzten neun Löchern spielte er dann groß auf. Der Weltranglisten-29. schaffte sieben Pars, ein Birdie, bei nur einem Bogey. Ganz nebenbei begeisterte er das Publikum mit einem sensationellen Putt an der 15, den er aus rund neun Metern lochte. 

Als Niemann am letzten Loch den Ball versenkt hatte, waren gerade einmal 1:53 Stunden seit seinem ersten Abschlag verstrichen. Den Rekord hatte er um sechs Minuten unterboten.

Eine Geldstrafe, die keine ist

Im Zelt der Regelhüter wurden Niemann und Caddie Matthews dann von dem PGA-Tour-Vertreter Andy Pazder erwartet. Und der hatte eine unangenehme Überraschung zu verkünden. "Er sagte uns, dass wir den Golfsport und das Turnier nicht respektiert hätten", erzählte Gary Matthews. 

Pazder belegte das Duo zunächst mit einer 10.000 Dollar-Strafe. "Innerlich habe ich gebrannt und wollte schon etwas sagen", erzählte Niemann. "Aber dann sagte mir Andy, es sei nur ein Witz gewesen. Das war einfach nur verrückt."

Wiederholen möchte Niemann seine Hetzjagd über einen Golfkurs übrigens nicht: "Das Laufen ist gut für die Gesundheit, aber es hilft nicht, besser Golf zu spielen."