Wales - Dänemark 0:4 Aushilfs-Held Dolberg schießt Dänemark gegen Wales ins Viertelfinale

Stand: 26.06.2021 20:21 Uhr

Als Juwel von Ajax Amsterdam mit überragender Scorer-Quote schien der Weg von Kasper Dolberg zu einem europäischen Top-Team vorgezeichnet. Doch der Stürmer strauchelte, bis er jetzt bei der EURO als Ersatzmann für Yussuf Poulsen seine Sternstunde erlebte - und Dänemark gegen Wales an seiner alten Wirkungsstätte in der Amsterdam Arena ins Viertelfinale schoss.

Schon mit 17 Jahren hatten die für ihre überragende Talentsuche bekannten Scouts von Ajax Amsterdam Kasper Dolberg im kleinen dänischen Silkeborg entdeckt und in die Ajaxschule gelotst. Es war sofort eine Erfolgsgeschichte.

61 Tore und Vorlagen in 119 Spielen steuerte Dolberg in der Eredivisie bei, wurde mit Ajax Meister und Pokalsieger. Als Dolberg 20, 21 Jahre alt war, gab es immer wieder Gerüchte um hochkarätige Interessenten: Neben zahlreichen Klubs aus England und Spanien soll ihn auch Borussia Dortmund lange beobachtet haben, zögerte aber letztlich doch.

Rekordtransfer für Nizza

Denn Dolberg wurde immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Zudem begleitete ihn manchmal ein gewisses Phlegma auf dem Platz, das die deutschen Fußballfans von Leroy Sané kennen. Letztlich sicherte sich OGC Nizza 2019 nach der Übernahme durch einen Investor die Dienste des dänischen Mittelstürmers für 20,5 Millionen Euro - bei den damaligen Preisen fast ein Schnäppchen, auch wenn es für Nizza der Rekordtransfer der Klubhistorie war.

Nizza wollte mit Dolberg dauerhaft nach Europa, so hieß es damals, doch noch ist dieser Wunsch nicht aufgegangen. Die Saison 20/21 schloss OGC als Tabellenneunter ab, Dolberg enttäuschte bei 23 Einätzen mit nur sechs Treffern und zwei Assists. Sogar seine EM-Teilnahme schien lange gefährdet, doch Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand gab ihm schließlich sein Vertrauen. Das hat Dolberg jetzt zurückgezahlt - und zwar im Doppelpack.

Nur als Ersatz für Poulsen dabei

Hjulmand musste im Achtelfinalspiel gegen Wales aber zu seinem Glück gezwungen werden. Nur weil Stammstürmer Yussuf Poulsen wegen einer Muskelverletzung ausfiel, rückte der lange Blonde mit dem harten Schuss in die Startelf - und lieferte mit den beiden Toren zum 4:0 (1:0)-Endstand prächtig.

Wales hatte die Partie eigentlich stärker begonnen, hatte in der ersten Viertelstunde durch Gareth Bale einen gefährlichen Abschluss und drängte Dänemark tief in die eigene Hälfte. Erst eine taktische Umstellung von Hjulmand kippte die Partie.

Christensen rückt auf die Sechser-Position

Nach 25 Minuten löste der Coach der Dänen seine Dreierabwehr auf, ließ fortan eine Viererkette spielen und beorderte Andreas Christensen ins defensive Mittelfeld. Damit bekam Hjulmand die permanente Unterzahl im Mittelfeld-Zentrum in den Griff, Dänemark hatte viel mehr Zugriff auf das Geschehen und wurde sofort belohnt.

Nach einem Angriff über die linke Seite rückten die Waliser nicht konsequent aus der Deckung, ließen dem heranstürmenden Dolberg so viel Platz, dass er die Suche nach einer Anspielstation aufgab und einfach selbst abzog: Mit perfekter Schusstechnik zirkelte er den Ball ins rechte Eck (27. Minute).

Vorentscheidung durch Dolberg kurz nach dem Wechsel

Die Viererkette mit Christensen davor auf der Sechs wirkte sich aber defensiv für die Dänen sehr gut aus: Bale und auch Aaron Ramsey kamen fast gar nicht mehr zu Abschlüssen, Kasper Schmeichel im Tor hatte für ein K.o.-Spiel bei einer EURO einen extrem ruhigen Nachmittag.

Kurz nach dem Wiederanpfiff sorgte dann wieder Dolberg für die Vorentscheidung. Martin Braithwaite hatte den Ball von rechts hereingegeben, der ungenau gespielte Ball wäre im Niemandsland verendet, doch Neco Williams entschloss sich zu einem folgenschweren Klärungsversuch. Die Kugel landete direkt bei Dolberg, der mühelos zum 2:0 vollstreckte.

Kein Aufbäumen von Gareth Bale und Co.

Von den Walisern kam danach kein wirkliches Aufbäumen mehr, sie schienen fast zu verzweifeln an der taktischen Meisterleistung von Hjulmand. Zwei Minuten vor dem Ende machte dann Joakim Maehle mit einer brillanten Einzelleistung zum 3:0 auch die letzten Hoffnungen der Waliser zunichte, die dann auch noch Harry Wilson mit einer Roten Karte vom guten deutschen Schiedsrichter Daniel Siebert verloren.

Braithwaite mit dem Schlusspunkt

In der Nachspielzeit traf dann auch noch Braithwaite, dessen 4:0 nach einem minutenlangen VAR-Check wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung erst mit großer Verzögerung Geltung fand.

Das dänische EURO-Märchen geht weiter

Die unglaubliche Geschichte der Dänen bei dieser EURO hält damit an, sie spielen ihr Viertelfinale jetzt in Baku und treffen auf den Sieger des Duells zwischen den Niederlanden und Tschechien. Im Auftaktspiel gegen Finnland hatten sie ihr traumatisches Erlebnis mit dem Zusammenbruch von Christian Eriksen zu verarbeiten, standen nach zwei Niederlagen vor dem Aus.

Dann kam das fulminante 4:1 gegen Russland - und jetzt lebt der Europameister von 1992 seinen Traum weiter. Spannend zu beobachten wird, was Hjulmand nun mit Doppelpacker Dolberg macht, wenn Poulsen wieder fit wird. Aber das ist gemessen an dem, was die Dänen bei diesem Turnier schon geschultert haben, ein Luxusproblem.