Schweigen seit dem EM-Aus gegen England Kommentar zum DFB - Es wird Zeit, aufzutauchen

Stand: 11.07.2021 06:00 Uhr

Das schnelle EM-Aus und die Gründe dafür bleiben ein Rätsel, das Konzept für die Zukunft besteht nur aus dem Namen des neuen Trainers. Der DFB ist bis zum Ende der EURO 2020 auf Tauchstation gegangen. So schwindet das Interesse.

Mehr als zwei Monate ließ sich Joachim Löw nach dem Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 Zeit, um seine Analyse des Scheiterns vorzutragen und die Konsequenzen zu ziehen.

Dieses Mal hätte es mit der Analyse deutlich schneller gehen müssen, denn die Konsequenz, dass er als Bundestrainer von Hansi Flick abgelöst werden würde, war schon vor dem Beginn der Europameisterschaft bekannt.

Flick startet am 1. August

Am Tag nach dem 0:2 im Achtelfinale gegen England sah sich Löw noch nicht in der Lage, die Gründe für das frühe Aus zu benennen. Auch Oliver Bierhoff, für die Nationalmannschaft zuständiger Direktor des Deutschen Fußball-Bundes und damit Löws Vorgesetzter, brachte nur sehr dünne Erklärungen hervor.

Bis zum Finaltag änderte sich daran nichts. Der DFB schweigt, und es deutet nichts darauf hin, dass sich daran etwas ändern wird. Bald, am 1. August, tritt Flick offiziell seine neue Stelle an, gut einen Monat später stehen dann drei Qualifikationsspiele für die WM 2022 an.

Toni Kroos wird dann im Kader fehlen, er will nur noch für seinen Verein Real Madrid Fußball spielen. Ansonsten hat sich noch niemand geäußert, weder zu seiner Zukunft, noch zur jüngeren Vergangenheit und der Frage, warum das zweite Turnier hintereinander enttäuschend verlief.

Warum spielten sie so, wie sie spielten?

Die Spiele der EM nach dem Aus Deutschlands rückten einen Aspekt noch mehr in den Vordergrund, auf den es bislang nicht den Hauch einer Antwort gab. Warum spielten Spieler wie Ilkay Gündogan, Timo Werner, Serge Gnabry und Leroy Sané so, wie sie spielten? Gerade das Beispiel England zeigt mit etwa John Stones, Luke Shaw, Harry Maguire und Raheem Sterling, dass Spieler auch nach einer anstrengenden Saison ihre Form halten oder sogar noch verbessern können. Es wird bei Deutschland vermutlich ein Rätsel bleiben, falls nicht jemand mal aus Frust plappert.

Neuer Trainer, Neuanfang ausrufen, das scheint dem DFB zu reichen, der aufgrund der internen Turbulenzen auch viel zu geschwächt ist, um Missstände in dem seit Jahren entschwundenen Kosmos Nationalmannschaft infrage zu stellen.

Gewinner Bierhoff

So kommt wieder derjenige als Gewinner aus einem Turnier heraus, der die Hauptverantwortung trägt: Oliver Bierhoff. Auch wenn es hier und da kritische Berichte in Medien und kritische Stimmen von Experten gab, der Direktor sitzt weiter an den Hebeln, ohne dass ein Korrektiv in Sicht wäre.

Dass er dank einer glücklichen Fügung in der Lage war, mit Hansi Flick den hoch dekorierten Trainer des FC Bayern für den Verband zu gewinnen, ist ein Verdienst, aber noch kein Konzept.

Erklärungsansatz widerlegt

Der DFB mag froh gewesen sein, dass aufgrund der vorher ausgemachten Regelung für den Posten des Bundestrainers langwierige Diskussionen nach dem Ausscheiden ausgeblieben sind. Aber dass die deutsche Mannschaft und deren Zukunft schon 36 Stunden nach dem Abpfiff in Wembley schon kein Thema mehr war, ist ein schlechtes Zeichen. Es zeugt von Desinteresse der Öffentlichkeit, und das knapp anderthalb Jahre vor einer WM und drei Jahre vor einer EM im eigenen Land.

Der Vergleich mit den erfolgreichen Mannschaften bei dieser EM zeigt, dass Deutschland nicht meilenweit der Spitze hinterherläuft, aber doch einiges fehlt. Der seichte Erklärungsansatz, dass sich die Mannschaft nicht habe einspielen können, wird von Nationen wie Italien und Spanien widerlegt, die das auch während der Pandemie geschafft haben.

Passt nicht zusammen

Bierhoff und der DFB müssen Farbe bekennen und die Öffentlichkeit mitnehmen wollen auf ihrem Kurs, von dem nichts bekannt ist außer der Name Flick. Einerseits - zu Recht - den Mangel an Talenten und das Fehlen eines Mittelstürmers zu beklagen, andererseits aber sofort die Rückkehr an die Weltspitze zu verlangen, passt nicht zusammen. Es lässt den Fan ratlos zurück. Schlimmer noch: Die Nationalmannschaft lässt die Fans gleichgültig zurück. Auch der Liga scheint das zweite Scheitern hintereinander egal zu sein. Hinter vorgehaltener Hand wird gerne mal gegen den DFB gestänkert und das Bierhoff'sche Imperium angeprangert.

Öffentliche Kritik und Lösungsvorschläge sind hingegen nicht zu hören. Dass die deutsche Olympiamannschaft nur mit 19 Spielern statt der erlaubten 22 nach Japan fliegen wird, ist ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball. Stefan Kuntz als Trainer hat es angeprangert. Ansonsten gab es vom DFB nur Schweigen.

Noch besteht die Möglichkeit, aus der durch Intrigen im Verband und sportliches Scheitern verordneten Defensive nach vorne zu preschen. Wenn Hansi Flick am 1. August seinen Job antritt, läuft noch die Vorbereitung. DFB-Pokal und Bundesliga beginnen erst später. Statt einer Analyse könnte dann ein Konzept bis zur EM 2024 vorgestellt werden.

Wird alles auf dieses Turnier ausgerichtet? Oder kurzfristig bis zur WM gedacht, dann vermutlich mit dem nahezu identischen Personal der EURO 2020? Einen Hinweis wird der erste Kader geben, den Flick bekannt gibt. Aber es sollte mehr kommen, um die Nationalmannschaft wieder ins Gespräch zu bringen.