Analyse nach dem Finalsieg gegen England Italien ist Europameister, Roberto Mancini der Finder

Stand: 12.07.2021 10:00 Uhr

Die beste Mannschaft - im Sinne von Mannschaft - hat die Europameisterschaft gewonnen. Trainer Roberto Mancini fand nach eingehender Suche die richtigen Spieler und vor allem immer wieder Lösungen, auch im Finale.

Wartet mal ab, die anderen werden auch noch ruhiger. Das prophezeite Joachim Löw, als sich die deutsche Mannschaft durch die EURO 2020 quälte. Keine Mannschaft, so der nun ehemalige Bundestrainer, flutsche vom ersten bis zum letzten Spiel glanzvoll durch ein Turnier. Er behielt teilweise recht, denn die Niederlande verabschiedeten sich ebenfalls früh. Aber er lag auch daneben, denn die Italiener, die mit drei Siegen bei 7:0 Toren in der Gruppenphase gestartet waren, holten den Titel.

Italien überzeugt auch in engen Duellen

Ja, gegen Österreich wackelten sie ein wenig als klarer Favorit, aber den ersten Treffer kassierten sie auch erst bei einer 2:0-Führung. Löw dürfte sich an das Achtelfinale bei der WM 2014 erinnert haben, als Deutschland gegen Algerien zitterte.

Im Halbfinale war Spanien sogar besser als Italien, aber das in einem herausragend guten Fußballspiel, das von Nationalmannschaften in dieser Form selten zu sehen ist. Wenig Training, wenig gemeinsame Zeit, heißt die Erklärung für das häufig geringere Niveau als bei Spielen von Vereinsmannschaften auf Toplevel.

Donnarumma Spieler des Turniers

Das Endspiel, so dramatisch es auch angesichts des Elfmeterschießens war, gewann Italien verdient. Die Mannschaft von Roberto Mancini brauchte zwar ein bisschen, um sich von dem sehr frühen Rückstand zu erholen, aber sie gewann die Kontrolle und brauchte letztlich erst im Elfmeterschießen wieder die Hilfe von Gianluigi Donnarumma. Der Torhüter wurde von der Technischen Kommission der UEFA zum Spieler des Turniers gewählt.

Es wären aus der italienischen Mannschaft andere für diesen Titel eher infrage gekommen, etwa Jorginho, die beiden Innenverteidiger Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini, der Dribbler Lorenzo Insigne oder der Dribbler Federico Chiesa. Besser wäre gewesen, den Titel an einen Spieler einer anderen Nation zu vergeben, denn Italien bestach als Mannschaft, geformt vom wahren Star des Turniers, Roberto Mancini.

Eigentlicher Star: Roberto Mancini

Kurz bevor die Weltmeisterschaft 2018 begann, für die sich Italien nicht qualifiziert hatte, übernahm Mancini die Aufgabe des Nationaltrainers. Er setzte die Ziele hoch, im Grunde unverhältnismäßig hoch nach dem Debakel in den Playoffs gegen Schweden. Die Ergebnisse lauteten 0:1 und 0:0.

Dann kam Mancini, probierte fast 40 neue Spieler aus, änderte dies, änderte das. Vor allem änderte er, dass Italien nicht mehr mit Ergebnissen wie 1:0 und 0:0 in Verbindung gebracht wird.

34 Spiele ohne Niederlage für Italien

Zur Europameisterschaft, nach einer Serie von 27 Spielen ohne Niederlage, fand er dann einen Kader, in dem sich eine Startelf abgezeichnet hatte, aber es auch schon einen Plan gab, wer wie eingewechselt wird, wenn es die Umstände erfordern.

Im Endspiel von Wembley waren es weniger die Wechsel, die Besserung brachten. Es waren einige Änderungen, die nach der Pause zu erkennen waren. Italien griff weiter vorne und in einem leicht veränderten, breiter aufgestellten System an, um den Engländern auf den Flügeln weniger Raum zu geben. Chiellini räumte nicht nur hinten ab, sondern schaltete sich mehr in Angriffe ein, sorgte für Überzahlsituationen im Mittelfeld.

Trainer entschieden das Finale

Gegen den widrigen Umstand des Rückstands und der Kulisse in Wembley setzte sich Italien schließlich im Elfmeterschießen durch, das auch entscheidend von Trainern beeinflusst werden kann. Mancini profitierte von Gareth Southgates dubiosen Entscheidungen und holte gleich bei seinem ersten Turnier mit Italien den Titel.

Seinen zunächst angekündigten Plan, nach der WM 2022 wieder als Vereinstrainer arbeiten zu wollen, hatte er schon vor der EURO verworfen. Mancini unterschrieb im Mai einen neuen Vertrag bis 2026.