Anweisungen an Nicolas Seiwald: Österreichs Trainer Ralf Rangnick hat taktisch einen klaren Plan

Vor Frankreich-Match Ralf Rangnick - Österreichs Hoffnungsträger vor dem "Reality-Check"

Stand: 17.06.2024 11:46 Uhr

Seit Trainer Ralf Rangnick auf der Bank sitzt, läuft es bei Österreich rund. Doch bei der EM wartet auf das Team eine extrem schwere Gruppe - und zum Auftakt geht es gegen die starken Franzosen.

Es war Anfang Mai, als die Zukunft von Nationaltrainer Ralf Rangnick tagelang ganz Fußball-Österreich beschäftigte. Für einige Tage hatte es so ausgesehen, als ob der 65 Jahre alte Erfolgscoach dem ÖFB-Team nach der EM 2024 in Deutschland von Bord gehen und zum FC Bayern München wechseln würde. Die Entscheider beim deutschen Rekordmeister jedenfalls waren sich sicher: Rangnick kommt!

FCB-Präsident Herbert Hainer etwa lehnte sich nach dem Champions-League-Hinspiel gegen Real Madrid (2:2) sehr weit aus dem Fenster. "Wir sind mit Ralf in sehr guten Gesprächen und müssen noch ein paar Tage abwarten", sagte Hainer damals und fügte im gleichen Atemzug an, warum Rangnick der ideale Mann für die Bayern sei: "Er ist ein exzellenter Kenner der Fußballszene. Er hat enorme Fähigkeiten, Spieler und Mannschaften zu entwickeln. Alles, was ich aus dem Umfeld der österreichischen Nationalmannschaft höre, ist sehr, sehr positiv. Und wir haben ja selber Spieler, die unter ihm arbeiten."

Thorsten Iffland, Sportschau, 17.06.2024 11:10 Uhr

Ralf Rangnick sagt den Bayern ab

Ein klassischer Fall von "Denkste"! Knapp anderthalb Tage später sagte Rangnick den Münchnern ab und bekannte sich zur österreichischen Nationalmannschaft - was der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) triumphal via X verkündete: "Ralf Rangnick bleibt Teamchef des Nationalteams! Wir haben noch viel vor!", twitterte der Verband.

Rangnick selbst lieferte etwas später die Begründung nach. "Hätte ich bei Bayern zugesagt, hätte ich drei Monate lang quasi beide Jobs gleichzeitig machen müssen, und ich hatte das ganz starke Gefühl, dass das über meine Kräfte gehen könnte", sagte er.

Österreich mit den großen Nationen auf Augenhöhe

Ganz Fußball-Österreich war jedenfalls erleichtert - denn Rangnick ist der große Hoffnungsträger für das Team Austria. Für die EM 2024 - und auch darüber hinaus. Seit dem Debüt des Deutschen als Nationalcoach im Juni 2022, einem 3:0 gegen Kroatien, eilt das Nationalteam von Erfolg zu Erfolg. Im November 2022 gab es ein 2:0 gegen Italien, der erste Sieg gegen den südlichen Nachbarn nach 62 Jahren. Im November 2023 wurde Deutschland mit 2:0 abgefertigt, im März 2023 die Türkei mit 6:1.

Die Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 gelang mit 19 Punkten aus acht Spielen souverän. Es gab nur eine einzige Niederlage (2:3 in Belgien) - bis jetzt die einzige Pleite für Rangnick als ÖFB-Coach.

Nun warten Kylian Mbappé und Co.

Dass das ÖFB-Team bei der EURO 2024 als Geheimfavorit gilt, ist zu großen Teilen Rangnick zu verdanken. Die Euphorie in Österreich ist jedenfalls sehr groß, vielleicht groß wie nie. Die hohen Erwartungen werden jedoch direkt zum Turnier-Auftakt gegen Frankreich und Superstar Kylian Mbappé (Montag, 17.06.2024, live im Ersten und im Livestream sowie im Audiostream auf sportschau.de) auf die Probe gestellt werden.

"Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir am obersten Level performen"

Eine maximal schwere Aufgabe, die kommenden Partien werden nicht viel leichter. Die weiteren Kontrahenten sind die Niederlande und Polen, die Vorrundengruppe D ist vielleicht die schwerste des Turniers. Nach einem knapp zweijährigen Höhenflug unter Rangnick eine Art "Reality-Check".

Rangnick jedenfalls nimmt es mit dem ihm eigenen Pragmatismus. "Wir sind in der mit Abstand schwierigsten Gruppe, das ist ja kein Geheimnis, dazu muss man sich nur die UEFA-Rangliste angucken", sagte er. "Wenn wir in der Gruppe weiterkommen wollen, müssen wir am absolut obersten Level performen."

Der typische "Rangnick-Vollgas-Fußball"

Zuzutrauen ist es dem ÖFB-Team. Der Hype um seine Mannschaft schmeckt Rangnick zwar nicht - dass Österreich als Geheimfavorit gilt, dafür ist der deutsche Trainer indes zu großen Teilen selbst verantwortlich.

Er hat ein System implementiert, das perfekt zu den Spielern passt, die er zur Verfügung hat. Sein Team spielt unter ihm den typischen "Rangnick-Vollgas-Fußball", den man bereits von seinen anderen Stationen, etwa bei RB Leipzig, kennt. Dieser Fußball ist auf maximales Pressing ausgelegt, um nach Ballgewinnen in höchstem Tempo umzuschalten, den Weg nach vorne zu suchen und abzuschließen. Am besten innerhalb nur weniger Sekunden mit so wenig Ballkontakten wie möglich. "Die Umschaltsituationen spielen bei uns eine ganz große Rolle", so der ÖFB-Coach.

"Wir wollen sehr unangenehm und aggressiv spielen"

Doch auch in der Defensive gibt es klare Vorgaben und Automatismen. Jeder Spieler, so Rangnick, wisse, was er zu tun habe. Deshalb sei es "gegen uns auch sehr schwer, Torchancen herauszuspielen. Wir wollen die am besten verteidigende Mannschaft bei diesem Turnier sein, wir wollen sehr unangenehm und aggressiv spielen."

Dass Schlüsselspieler wie Kapitän David Alaba (Real Madrid) oder Xaver Schlager (RB Leipzig) wegen Verletzungen ausfallen, nimmt Rangnick gelassen, er kann es ja ohnehin nicht ändern. Sein System und seine Taktik sind ohnehin unabhängig davon, wer auf dem Platz steht.

So wird Österreich wahrscheinlich auflaufen

Patrick Pentz - Stefan Posch, Kevin Danso, Philipp Lienhart, Philipp Mwene - Konrad Laimer, Nicolas Seiwald - Marcel Sabitzer, Christoph Baumgartner, Romano Schmid - Michael Gregoritsch

Zunächst einmal geht es für Rangnick und seine Mannschaft nun darum, die Vorrunde zu überstehen. Wenn das gegen maximal schwere Kontrahenten geschafft sei, so der Deutsche, sei "vieles möglich": "Wenn wir weiterkommen, dann kommen nicht mehr viel schwierigere Gegner!" Dann, so Rangnick, "traue ich uns einiges zu".