Nur Platz acht in der Serie A Italiens Meister Neapel - erst Absturz, jetzt neuer Angriff
Selten ist ein Titelträger in Italien so heftig abgestürzt wie die SSC Neapel. Nach dem Scudetto im vergangenen Jahr steht Napoli momentan nur auf Rang acht der Serie A. Jetzt will die SSC wieder nach ganz oben.
Die Helden leben noch. Zumindest auf den Bildern im Spanischen Viertel, in dem die Leidenschaft für die SSC Neapel besonders intensiv gelebt wird. Immer noch hängen von vielen Balkonen überlebensgroße Portraits der Meisterspieler, weiß-blaue Girlanden schmücken nach wie vor viele der engen Gassen.
Napoli mag sich nicht verabschieden von der Erinnerung an die rauschende Meisterfeier im vergangenen Frühjahr, als die SSC nach 33 Jahren den Scudetto holte. Die Realität Anfang 2024 aber lautet: Selten ist ein Titelträger in Italien so heftig abgestürzt wie die SSC Neapel.
"Neapel sinkt immer tiefer"
Auf dem Rasen erinnert nichts mehr an die "grande bellezza", den mitreißenden Fußball, für den Neapel auch in Europa mit Komplimenten überschüttet wurde. Zuletzt hat sich Napoli zu Hause zu einem 0:0 gegen Monza gequält und sogar noch Glück gehabt, dass der Aufsteiger des vergangenen Jahres im Stadio Diego Armando Maradona einen Elfmeter vergab. Auf Rang 8 droht die SSC jetzt sogar die Conference-League-Plätze aus den Augen zu verlieren. "Neapel sinkt immer tiefer", titelt die Gazzetta dello Sport.
Ein Symbol des sportlichen Niedergangs ist Napolis Shootingstar der vergangenen Saison. Khvicha Kvaratskhelia ist die Leichtigkeit seines Premierenjahres verloren gegangen, zeitweise musste der Georgier sogar auf der Ersatzbank Platz nehmen. Victor Osimhen hängt im Sturmzentrum häufig in der Luft, auch Verletzungen und eine Rotsperre sorgen dafür, dass der Torschützenkönig der vergangenen Saison bislang auf nur sieben Treffer kommt.
Neuzugänge enttäuschen bisher
Auch hinten läuft es nicht, die im Meisterjahr beste Abwehr der Serie A hat aktuell in 18 Ligaspielen schon 21 Gegentore gefangen. Dabei stehen im Vergleich zur vergangenen Saison häufig fast dieselben Spieler auf dem Platz.
Aber das von Erfolgstrainer Luciano Spalletti kreierte, fast perfekte Räderwerk des neapolitanischen Spiels ist verloren gegangen, ebenso das Selbstbewusstsein und die Euphorie, die die SSC auf der Erfolgswelle getragen haben. Hinzu kommt, dass ausnahmslos alle Neueinkäufe in Neapel bislang enttäuschten, auch der ehemalige Frankfurter Jesper Lindström. Napoli lernt derzeit, wie sich eine Negativspirale anfühlt. Nach dem 0:0 gegen Monza wurde das Team aus dem Stadion gepfiffen.
Wintertransfer-Offensive geplant
Jetzt aber soll (wieder) alles besser werden. Präsident Aurelio De Laurentiis will im Wintertransferfenster die Mannschaft verstärken und mehrere neue Spieler holen. Anders ausgedrückt: Der im Verein allmächtige Filmmogul möchte einen Teil seiner im Sommer begangenen Fehler korrigieren.
Nach der hollywoodreifen, von ihm selbst moderierten Meisterfeier im voll besetzten Stadion zeigte De Laurentiis dem Prinzip "Never change a winning team" die kalte Schulter. Neapels Präsident ließ Meistertrainer Luciano Spalletti und Erfolgsmanager Cristiano Giuntoli gehen, verkaufte mit Kim Min-jae die zentrale Defensivstütze des Teams an Bayern München. Eine eigenwillige Revolution nach dem erfolgreichsten Vereinsjahr seit Jahrzehnten.
Champions-League-Sieg als Ziel?
Dennoch gab De Laurentiis als Ziel für 2024 den Gewinn der Champions League aus. Denn, so Erzählung des Vereinspatrons, Spalletti und Giuntoli seien nichts anderes als ausführende Angestellte gewesen. Schließlich habe er als Präsident beide ausgesucht, bei der Kaderzusammenstellung immer das letzte Wort gehabt und auch die taktische Grundausrichtung des Meisterteams beruhe im Grunde auf seinen Vorgaben.
Kurz gesagt: De Laurentiis fand, der Meistertitel sei in erster Linie De Laurentiis‘ Werk. In der Folge verabschiedete sich der zum Trainer des Jahres gekürte Spalletti von Neapels Sonnenkönig in ein Sabbatjahr (um kurz darauf das Nationalteam zu übernehmen), Manager und oberster Kaderplaner Giuntoli ließ sich von Juventus Turin abwerben.
Demütigung im italienischen Pokal
De Laurentiis liegt seitdem nicht nur mit seinen Spielerneuverpflichtungen, sondern auch mit seinen Trainerentscheidungen daneben. Spallettis direkter Nachfolger Rudi Garcia wurde von den Fans von Beginn an kritisiert, nach nur zwölf Spieltagen musste der Franzose gehen. Eine 0:1-Heimniederlage gegen Abstiegskandidat Empoli war die eine Enttäuschung zu viel. Der von De Laurentiis daraufhin geholte Walter Mazzarri hat von neun Spielen fünf verloren, im Pokal ist Neapel nach einer demütigenden 0:4-Niederlage zu Hause gegen Frosinone Calcio ausgeschieden.
Bei De Laurentiis ist die Hybris des Sommers mittlerweile ungewohnter Demut gewichen. "Ich übernehme die Verantwortung für alles, was wir derzeit durchleben, und ich bitte die Neapolitaner um Entschuldigung für den Platz, den wir derzeit in der Tabelle belegen", ließ der zerknirscht wirkende Napoli-Boss zum Jahreswechsel wissen. Um sich im nächsten Augenblick wieder kämpferisch zu geben: "Die Saison ist noch lang und wir werden auf dem Transfermarkt etwas machen, um von der verlorenen Zeit etwas aufzuholen."
Erster Neuzugang: Pasquale Mazzocchi
Als ersten Spieler hat Neapel gleich nach Neujahr Pasquale Mazzocchi verpflichtet. Der 28-Jährige kommt von Nachbar und Lokalkonkurrent US Salernitana, zählt in dieser Saison zu den Stärksten auf der linken Außenbahn. Nach übereinstimmenden Meldungen der italienischen Sportzeitungen steht Neapel außerdem kurz davor, den gebürtigen Berliner Lazar Samardzic (21) zu verpflichten.
Der bei Hertha BSC und RB Leipzig Ausgebildete hat sich bei Udinese Calcio zu einem der begehrtesten jungen Spieler der Serie A entwickelt. Nachdem Samardzic ab der U16 sämtliche deutsche Nationalmannschaften durchlaufen hat, spielt der offensive Mittelfeldmann seit dem vergangenen Jahr für Serbien.
Nepael blickt auch in die Bundesliga
Auch einen aktuellen Bundesligaspieler soll De Laurentiis auf der Liste haben. Die "Gazzetta dello Sport" berichtete in großer Aufmachung über ein Interesse an Dortmunds Emre Can. Für den BVB-Kapitän sprächen aus Napoli-Sicht seine Führungsqualitäten und die Erfahrung in der Serie A aus seiner Zeit bei Juventus Turin.
Als Alternative wird in Neapel unter anderem der ehemaliger Bayern- und Schalke-Spieler Pierre-Emile Höjbjerg von Tottenham Hotspur gehandelt. Die SSC sucht händeringend Personal für die Operation Restart.