Premier League FC Brentford - die "Bienen" und der Wettkönig

Stand: 27.07.2021 22:32 Uhr

In der kommenden Premier-League-Saison wird erstmals seit 1947 der FC Brentford wieder erstklassig spielen. Der Aufstieg des Klubs ist keine Geschichte des Glücks - sondern der Mathematik.

Im Fußball zählt oft das richtige Bauchgefühl, die emotionale Komponente. Vielerorts zumindest, aber nicht beim FC Brentford. Die "Bienen", frisch als Tabellendritter der Championship in die englische Premier League aufgestiegen, mögen emotionale Fans haben und auch auf dem Platz leidenschaftlich kämpfen, aber strategische Entscheidungen werden nüchtern und sachlich getroffen.

Brentford-Besitzer Benham: Vermögen durch Sportwetten

Dies liegt an der Führungsetage um Matthew Benham, dem der Klub seit 2012 gehört. Der studierte Oxford-Physiker hat nicht nur in Brentford den Hut auf und dort bereits gut 100 Millionen Euro investiert, sondern verdient seinen Lebensunterhalt mit Sportwetten. Und zwar so erfolgreich, dass ihn seine Wettfirma, die systematisch auf Fußballspiele setzt, zum Multimillionär gemacht hat. Was zunächst kurios anmuten mag, ist ein Glücksfall für den Lieblingsklub Benhams aus Kindheitstagen, der nun einer von sieben Londoner Premier-League-Vereinen ist.

"Ich habe nie aus Spaß gewettet oder um mir die Zeit zu vertreiben. Bei uns geht es um Wahrscheinlichkeitsberechnungen mit Hilfe mathematischer Modelle", erklärte Benham mal in einem "11Freunde"-Interview sein Geschäftsmodell, das nicht aufs Zocken angelegt ist, sondern darauf abzielt, durch die Analyse von großen Mengen an Sportdaten über die Hälfte der platzierten Wetten sicher zu gewinnen.

Datenanalyse auch mit sportlichem Nutzen

Nun sind Statistiken im Sport nichts Neues. Doch erst die statistischen Kenntnisse Benhams brachten Brentford in die Position, die wirklich wichtigen Parameter für sich nutzbar zu machen - auch im konkret sportlichen Bereich, wenn es zum Beispiel um das Scouting von Spielern geht, das auf herausragende Individualisten ausgerichtet ist.

Ein Blick auf die Transferbilanz des Klubs bringt Aufschluss: Brentford kauft junge Talente günstig ein, entwickelt sie zu Leistungsträgern und verkauft sie teuer weiter. Was simpel klingt, brachte schon mit einer beinahe unheimlichen Konstanz Gewinne.

Stürmer Ollie Watkins kam 2017 vom Viertligisten Exeter City nach London. Nach 132 Zweitliga-Partien für die "Bees" und 45 Toren sicherte sich Premier-League-Klub Aston Villa seine Dienste im September 2020 für 34 Millionen Euro. Zuletzt verkaufte Brentford außerdem den bereits ausgeliehenen Linksaußen Said Benrahma für 22 Millionen Euro fest an West Ham United - er war 2018 für 1,7 Millionen vom OGC Nizza gekommen.

Ivan Toney, ein weiterer Stürmer, der seinerseits als Watkins-Ersatz im September 2020 nach Brentford gekommen war, zeichnete in der vergangenen Spielzeit mit seinen 31 Treffern - ein neuer Championship-Rekord - maßgeblich für den Aufstieg verantwortlich. Zudem gab er zehn Assists.

"Mit der akademischen Disziplin Statistik hat das nichts zu tun"

Brentford-Macher Benham deutete bei "11Freunde" an, dass er nicht nach den üblichen Fußball-Statistiken geht: "Die meisten Leute denken bei Statistiken an den nutzlosen Kram, der einem heute im Fernsehen um die Ohren gehauen wird. ​'Das ist das sechste Mal, dass er mit links ein Tor gegen eine Mannschaft in Gelb geschossen hat.' Mit der akademischen Disziplin Statistik hat das wenig zu tun."

Der Brentford-Boss achtet auf andere - wenn auch natürlich geheime - Indikatoren für Leistung. Dass diese zuweilen sehr kompliziert sein können, deutete er gegenüber dem britischen Portal "At the Match" an: "Wenn ich mir einen Stürmer ansehe, ist mir seine Torquote völlig egal. Für mich ist nur interessant, wie sich die Mannschaft als Ganzes, offensiv und defensiv, im Zusammenhang mit der Leistung des Einzelnen schlägt."

Auch Midtjylland von Benham groß gemacht

Das Engagement des nüchtern analysierenden Wahrscheinlichkeits-Mathematikers ist eng verknüpft mit dem Wirken von Rasmus Ankersen. Der Däne, Ex-Profi und Bestseller-Autor eines Buchs über die Fußballer-Ausbildung, ist nicht nur Sportdirektor und Scouting-Chef des FC Brentford, sondern überzeugte Benham auch, 2014 den mittlerweile erfolgreichen dänischen Klub FC Midtjylland zu übernehmen. Dort ist Ankersen seither Vorsitzender.

Der 37-Jährige arbeitet auch als Redner - und formulierte bei einem "Ted Talk" in Manchester den Grundsatz, wonach sowohl Midtjylland als auch Brentford geführt werden: Die Annahme, dass "gute Resultate immer die Konsequenz guter Entscheidungen sind", führe leicht in die Irre und zu Fehlerblindheit. Stattdessen werde immer streng nach der Datenlage gegangen, ob Dinge verbessert werden müssen. "Die Tabelle lügt immer."

Sollte der FC Brentford in der kommenden Premier-League-Saison statt gegen den Abstieg vielleicht sogar im Tabellenmittelfeld spielen, wird niemand sagen können, das habe etwas mit Zufall oder Glück zu tun.