Ein Anhänger des Fußballvereins Hapoel Tel Aviv hält den Schal seines Vereins hoch, während er mit Demonstranten bei einer Kundgebung gegen den Gesetzentwurf der israelischen Regierung zur Justizreform in Tel Aviv am 1. April 2023 mitmarschiert.

Massenproteste gegen Regierung Die Fan-Kurven in Israel sind politisch

Stand: 02.08.2023 08:26 Uhr

Auf den Straßen des jüdischen Staates Israels gibt es seit mehr als einem halben Jahr Demonstrationen gegen die rechts-religiöse Regierung. Auch Fußball-Fangruppierungen von unterschiedlichen politischen Seiten mischen sich ein.

Von Felix Tamsut

Israel ist gespalten wie nie zuvor. Auf der einen Seite steht die rechts-religiöse Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu, die eine weitgehende Justizreform durchführt. Auf der anderen Seite gehen Hunderttausende Israelis seit Monaten auf die Straße, um ihre Ablehnung gegen die Pläne der Regierung zu zeigen, die sie als undemokratisch bezeichnen.

Unter den Organisationen, die man auf den Straßen Israels sehen kann, befinden sich auch immer wieder Fangruppierungen aus dem Fußball, die an den Protesten teilnehmen, um ihre politische Position zu zeigen. Sowohl für die Regierung als auch gegen sie.

Hapoel-Fans demonstrieren gegen die Reformen

Unter den Demonstrierenden sind in den vergangenen Tagen auch Fans von Hapoel Tel Aviv zu sehen, die der linksliberalen Protestbewegung zuzuordnen sind. Der Klub hat seine Ursprünge in der Arbeiterbewegung. Bekleidet mit Fanschals und -Shirts in Rot und Weiß - die Farben von Hapoel - singen sie antifaschistische Lieder gegen die Regierung. Auch in den vergangenen Monaten skandierten Hapoel-Anhänger auf Demonstrationen immer wieder: "Wer nicht springt, der ist Faschist".

Spaltung der Fangruppen?

Auffällig ist, dass sich die führende Ultragruppe von Hapoel, Ultras Hapoel 99, zurückhaltend gegenüber der Protestbewegung verhält. Obwohl einige Gruppenmitglieder zwar anwesend waren, unterstütze Ultras Hapoel 99 nicht die Fanmärsche nach Heimspielen Hapoels. Dies könnte auf einen Bruch innerhalb der Fanlandschaft des Vereins hinweisen, was die Protestbewegung angeht.

Hinweise darauf liefern zum Beispiel Kommentare in sozialen Medien. Nachdem im Juli ein Video von demonstrierenden Hapoel-Fans viral ging, hatten einige Fans ihren Unmut gegenüber den Protestierenden geäußert. "Sie vertreten nicht Hapoel, sie vertreten nur sich selbst", waren typische Kommentare unter dem Video.

Unterstützung von Fans des FC St. Pauli

Ende Juli war Hapoel Tel Aviv zu Gast beim FC St. Pauli. Die zwei Vereine bestritten ein Vorbereitungsspiel in Hamburg, wofür hunderte Fans aus Tel Aviv nach Norddeutschland reisten. Die antifaschistischen Rufe, die sie in Tel Aviv gerufen haben, konnte man auch in Hamburg hören.

Eine Aktion, die sehr viel Zustimmung bei den Fans in Israel fand. Nach dem Spiel haben die Fans beider Vereine zusammen eine Party in Hamburg organisiert, auf der antifaschistische Lieder gesungen wurden.

Auch rechte Gruppen sind aktiv

Gleichzeitig zeigen sich auf den Demonstrationen in Israel mehrere Fangruppierungen, die dem rechten und rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Bereits Ende März hatten sie öffentlich angekündigt, dass sie sich den Demonstrationen zur Unterstützung der Regierung anschließen wollen.

"Wir sehen, was in diesem Land passiert, wie die Medien einen Umsturz herbeiführen möchten, und wir können nicht leise bleiben" hatten Mitglieder der "Lions Army", eine Ultragruppierung von Bnei Yehuda, dem drittgrößten Verein Tel Avivs, auf ihrer Facebook-Seite geschrieben: "Wir werden bei den Demos für die Regierung mit dabei sein."

Rechtsextreme Slogans auf Tel Avivs Straßen

Komplett in schwarz gekleidete junge Menschen konnten in den Straßen Tel Avivs gesichtet werden. Einige haben orangefarbene Fahnen gehisst, die Farbe des Vereins Bnei Yehuda. Dazu wurden Schilder mit rechtsextremen Slogans hochgehalten, die an den verstorbenen rechtsextremen Rabbiner Meir Kahane erinnern sollten. Dessen Partei und Organisation Kahane Chai (Hebräisch für "Kahane lebt") ist unter anderem in Israel verboten und als terroristische Gruppe eingestuft.

Eine weitere Fangruppierung, die die rechts-religiöse Regierung aktiv unterstützt, ist "La Familia", die bekannteste rechtsextreme Fangruppierung Israels. Sie vereint Anhänger des sechsmaligen Meisters Beitar Jerusalem.

Beitar Jerusalem Fans

Beitar Jerusalem Fans

Angriffe der rechtsextremen Fangruppe "La Familia"

Auf den Straßen Jerusalems wurden Jugendliche und junge Erwachsene mit "La Familia"-Shirts gesehen, wie sie Protestierende angriffen, eine Regenbogenfahne nahmen und mit Füßen traten. Zudem hat ein Mann eine "La Familia"-Fahne benutzt, um einen arabischsprechenden Reporter bei der Arbeit zu stören. Laut Medienberichten sollen "La Familia"-Mitglieder ebenfalls einen arabischen Taxifahrer angegriffen haben.

Die Gruppe "La Familia" hat auch Verbindungen zu einem bekannten Gesicht der aktuellen Regierung: Itamar Ben Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit. Ein ehemaliger rechtsextremer Aktivist und heutiger Minister für nationale Sicherheit Israels. Ben Gvir vertrat als Anwalt in der Vergangenheit "La Familia"-Mitglieder.

Itamar Ben Gvir

Itamar Ben Gvir

Die Proteste gegen die umstrittene Justizreform in Israel haben Konflikte in allen Bereichen der israelischen Gesellschaft zur Folge. Auch in den Kurven der Fußballanhänger.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 01.08.2023 | 18:07 Uhr