Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und ihre Spielerinnen mit Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU)

Frauen-Länderspiel gegen Frankreich Die Mission der deutschen Fußballerinnen

Stand: 06.10.2022 18:43 Uhr

Es geht für die deutschen Fußballerinnen im ersten Heimspiel nach der EM gegen Frankreich (20.30 Uhr/ARD) um mehr als nur das Publikum zu begeistern. Giulia Gwinns Verletzung trübt die Stimmung allerdings.

Die Semperoper ist besichtigt, Teelichter in der Frauenkirche sind angezündet: Das Touristenprogramm zum Länderspiel des deutschen Frauen-Nationalteams gegen Frankreich in Dresden war Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wichtig, weil sie den Spielort als "besondere Stadt" ansieht, aus der ihr Team beim ersten Heimspiel nach der EM in England auch "kulturell was mitnehmen soll".

Stichwort Horizont erweitern. Und wenn Fußballerinnen etwas lernen können, findet die 54-Jährige, dann ja wohl am Theater oder vom Orchester, wo auch viele Protagonisten bestens aufeinander abgestimmt sein müssen, um ein harmonisches Bild abzugeben.

Genau das soll ja auch in der Elbmetropole zustande kommen, wo die DFB-Frauen ihre deutlich vergrößerte Fangemeinde aus dem unbeschwerten Sommer im Großraum London begeistern wollen. Für die Neuauflage des EM-Halbfinals im Rudolf-Harbig-Stadion sind mehr als 25.000 Karten verkauft. Die Live-Übertragung zur Primetime dürfte zudem ein Millionenpublikum an den Fernseher locken. Damit werden zentrale Forderungen erfüllt, die die EM-Heldinnen erhoben hatten.

Vier Stützen der EM fehlen

Doch nicht alle bekommt das Publikum wieder zu Gesicht, weil mit Marina Hegering (Fußverletzung), Sara Däbritz (Sprunggelenk), Lina Magull (Corona-Infektion) und Giulia Gwinn (Verdacht auf Kreuzbandriss) gleich vier Leistungsträgerinnen fehlen. Gerade der sich am Mittwoch ereignende Trainingsunfall der so formstarken Verteidigerin Gwinn, eine der besten Spielerinnen der EM, schmerzt Voss-Tecklenburg, die sich deswegen auf die tolle Stimmung "nicht uneingeschränkt freuen" könne, wie die Bundestrainerin am Donnerstag sichtlich betroffen verriet. Die genaue Diagnose werde der FC Bayern übermitteln, hieß es. Die 23-Jährige hat einen Kreuzbandriss bereits 2020 erlitten.

Die Ausfälle bieten Chancen für Spielerinnen, die gerne schon in England deutlich häufiger gespielt hätten. So wie Linda Dallmann. Bei der EM kam die 28-Jährige fünfmal als Einwechselspielerin zum Zuge, viermal löste die Mittelfeldspielerin vom FC Bayern ihre Vereinskollegin Magull ab, einmal Däbritz. Als sie im (sportlich bedeutungslosen) Gruppenspiel gegen Finnland (3:0) in der Startelf stand, nahm die edle Technikerin prompt die Auszeichnung zur Spielerin des Spiels entgegen. Nun sagt sie: "Ich möchte mir natürlich auch hier meinen Stammplatz erarbeiten. Das ist mein Anspruch."

Gwinns Verletzung dämpft die Vorfreude

Sportschau, 06.10.2022 20:50 Uhr

Gleich zwei Testspiele gegen die USA im November

"Wir haben Potenziale und können noch weitere Schritte machen", sagt Voss-Tecklenburg mit Blickrichtung auf die WM 2023 in Australien und Neuseeland. Einerseits will sie für die Stammelf "Dinge festigen", andererseits vermehrt "junge Spielerinnen auf Topniveau“ testen. Beide Stränge miteinander zu verknüpfen, wird die hohe Kunst sein. Namentlich nannte Voss-Tecklenburg gegenüber der Sportschau Spielerinnen wie Sjoeke Nüsken und Nicole Anyomi (beide Eintracht Frankfurt) oder Jule Brand und Lena Lattwein (beide VfL Wolfsburg), die sich in dieser Saison entwickeln sollen.

Am besten auf Topniveau. Dazu helfen hochkarätige Testmöglichkeiten, die mehr Erkenntnisse bringen als freudlose Qualifikationsspiele. Daher ist die Reise im nächsten Monat in die USA wichtig, wo die DFB-Elf erst in Fort Lauderdale/Florida dann in Harrison/New Jersey gegen die Weltmeisterinnen (11. und 13. November) antreten. Fürs Frühjahr nächsten Jahres sind weitere Vergleiche gegen Topgegner in Vorbereitung - vielleicht kommt es zum Duell gegen Europameister England, dann auf deutschem Boden. Die Welle kann nur auf dem obersten Level geritten werden.

Der Konkurrenzkampf ist entfacht

Voss-Tecklenburg vernimmt es mit Wohlgefallen, wenn bereits jetzt ein offener Konkurrenzkampf entbrennt. Das Finale gegen England (1:2 nach Verlängerung) ging auch deshalb verloren, weil die Nachrückerinnen nicht stark genug waren. Ausgerechnet Kapitänin und Torjägerin Alexandra Popp, die Deutschland erst per Doppelpack durchs umkämpfte Halbfinale gegen Frankreich (2:1) in Milton Keynes gebracht hatte, fiel damals kurzfristig mit einer Muskelverletzung aus, Klara Bühl war positiv auf Corona getestet worden, Lea Schüller hatte dieselbe Erkrankung gerade überstanden.

Bei allem Talent konnte sich Jule Brand im Finale nicht durchsetzen und auch die eingewechselte Tabea Waßmuth konnte diese Lücke nicht schließen. Anyomi hatte als Einwechselspielerin überdies einen ganz schlechten Tag erwischt. Voss-Tecklenburg weiß selbst, dass es ein Fehler war, mit Laura Freigang die letzte gesunde Angreiferin nicht mal einzuwechseln. In diesem Fall gingen die Planspiele aus dem Trainerteam nicht auf, nachdem zuvor fast alles auf Knopfdruck klappte.

Der Traum ist das WM-Finale nächsten Sommer in Sydney

Der Kader soll bis nächsten Sommer in der Breite besser werden. "Für uns beginnt ab jetzt die Turniervorbereitung", sagt die Bundestrainerin: "Der Auftakt gegen einen Weltklassegegner wie Frankreich vor einer tollen Kulisse ist dafür optimal."

Genau solche Spiele seien für die weitere Entwicklung "extrem wichtig", verdeutlicht auch Popp. Denn: "Uns ist schon bewusst, wo wir hinwollen. Wir wollen nächstes Jahr bei der Weltmeisterschaft erfolgreich spielen." Der Traum: Am 20. August 2023 soll im Australia-Stadion von Sydney im WM-Finale das glücken, was am 31. Juli beim EM-Endspiel nicht gelang.