Erfahrung plus neue Gesichter Titelverteidiger Niederlande kommt mit frischem Top-Team
Schweden gegen Niederlande - die Frauen-EM sieht schon am Samstag ein Topspiel. Die Niederlande gehen als Titelverteidiger in das Turnier und verfügen über einen hervorragenden Kader.
Der Schock bei den Niederländerinnen saß tief. Und Trainer Mark Parsons beeilte sich, die Schuld auf sich zu nehmen. "Ich hätte eingreifen sollen und habe es nicht getan, also ist es nicht ihre Schuld", sagte Parsons vor zwei Wochen nach der ernüchternden 1:5-Packung, die sich die Niederländerinnen im Testspiel gegen England abgeholt hatten.
Oranje-Abwehr wackelt
Es war vor allem die Abwehr des Titelverteidigers, die bedenklich wackelte. Zwar rehabilitierte sich das Team in den nächsten beiden Tests gegen Weißrussland (3:0) und Finnland (2:0), doch Zweifel sind geblieben. Sind die Niederlande stark genug, um den Titel, den sie vor fünf Jahren vor eigenem Publikum errungen haben, zu verteidigen?
Einen ersten Aufschluss über die Stärke der "Orange Lionesses" könnte es schon im ersten Gruppenspiel geben, wenn es das Team rund um Rekord-Torjägerin Vivianne Miedema am Samstag (09.07.2022, 21 Uhr im Livestream bei sportschau.de) mit Schweden zu tun bekommt. Die Skandinavierinnen gehören ebenso zum Favoritenkreis auf den Titel.
Blütenweiße Weste in der Qualifikation
Das Selbstvertrauen der Niederländerinnen dürfte dabei enorm sein. Schließlich hat sich das Parsons-Team mit einer perfekten Bilanz - 30 Punkte aus zehn Spielen - für die Euro 2022 qualifiziert. Sie erzielten im Durchschnitt 4,8 Tore pro Spiel und kassierten insgesamt nur drei Gegentreffer. Am Ende hatten sie sechs Punkte Vorsprung auf Russland. Keine Mannschaft hat in der Qualifikation mehr Tore erzielt als die Niederlande, nur Spanien und Dänemark liegen mit 48 Treffern gleichauf. Die erfahrene Mittelfeldspielerin Sherida Spitse steuerte zehn Treffer bei, Miedema neun und Daniëlle van de Donk acht.
Alle Augen auf Miedema
Vivianne Miedema ist ein Phänomen. Sie wird während des Turniers 26 Jahre alt und ist bereits seit vier Jahren eine der besten Stürmerinnen der Welt. Sie ist eiskalt vor dem Tor und hat eine seltene, selbstlose Ader für eine Angreiferin, die so viele Tore erzielt hat. Miedema wurde 2019 zur besten niederländischen Torschützin aller Zeiten, als sie in der WM-Gruppenphase ihr 60. internationales Tor erzielte. Inzwischen hat sie 111 Länderspiele für ihr Land absolviert, und dabei 94 Treffer erzielt.
In England, das sie ihre "erste Heimat" nennt, ist Miedemas Status noch größer als in ihrem Geburtsland. "Die Leute dort müssen es satt haben, mein Gesicht zu sehen, denn es ist überall", sagte sie kürzlich nach einer Trainingseinheit. Sie hat gerade einen neuen Vertrag bei Arsenal unterschrieben, wo sie seit fünf Jahren spielt, und mindestens zwei weitere hinzugefügt. Das macht sie - nach eigenen Worten - zur "bestbezahlten" Spielerin der Women's Super League.
Viel individuelle Klasse
Im Blick haben sollte man auch Chelsea-Verteidigerin Aniek Nouwen. Die solide und zuverlässige 23-Jährige ist bereits eine Leistungsträgerin für ihr Land. Und natürlich Lieke Martens, Jill Roord und van de Donk - die sich gerade von einer Verletzung erholt hat. Sie alle verfügen über enorme individuelle Klasse, die für den Unterschied sorgen kann.
Stühlerücken gab es bei den Niederländerinnen auf der Trainerbank: Sarina Wiegman, die das Team zum Erfolg bei der Euro 2017 und ins Finale der Weltmeisterschaft 2019 geführt hatte, trat nach den Olympischen Spielen im vergangenen Sommer zurück, um eine neue Herausforderung in England anzunehmen. Sie wurde durch den Engländer Mark Parsons ersetzt.
Trainer Parsons - jung aber enorm erfahren
Parsons ist zwar erst 35 Jahre alt, hat aber bereits reichlich Erfahrung als Vereinstrainer und in den Vereinigten Staaten viel gearbeitet, nachdem er bereits in jungen Jahren verschiedene Posten als Juniorentrainer beim FC Chelsea innehatte. Die Niederlande sind seine erste internationale Aufgabe. Und die Euro 2022 die erste richtige Standortbestimmung für ihn und sein neues Team.