Fußball | Corona Bundesliga: Geisterspiele im Fußball vergrößern die Sorgen

Stand: 22.12.2021 08:02 Uhr

Die neue Omikron-Variante trifft auch den deutschen Fußball mit voller Wucht. Im neuen Jahr werden wegen der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie erst einmal keine Zuschauer erlaubt sein. Das vergrößert die Sorgen in 1. und 2. Bundesliga.

An die Feiertage vor einem Jahr erinnert sich Christian Heidel eher mit einem unguten Gefühl. "Im letzten Jahr hatte die Bescherung genau eine Stunde gedauert, und dann habe ich wieder telefoniert und diskutiert."

Der gebürtige Mainzer rang mit sich, ob er wieder als Vorstand für Strategie, Sport und Kommunikation zu seinem Heimatklub 1. FSV Mainz 05 zurückkehren sollte, und gleichzeitig versuchte er noch, Martin Schmidt als Sportdirektor und Bo Svensson als Cheftrainer zu gewinnen. Dieses Jahr nun will er tatsächlich das Handy ausschalten. Und dennoch gehen besinnliche Feiertage auch diesmal anders.

Corona: Nicht das Stadion ist das Problem

Ab dem 28. Dezember werden überregionale Sportveranstaltungen wieder ohne Zuschauer stattfinden. Ganz gleich ob in der Halle oder im Freien. Unabhängig vom Impfstatus und auch davon, ob Hygienekonzepte funktioniert haben oder nicht. Die Furcht vor der hochansteckenden Omikron-Variante in der Politik ist riesig; man will sich nicht vorwerfen lassen, nicht vorausschauend gehandelt zu haben.

Denn weniger der Stadionbesuch ist das Problem. Das hat auch der vom Fußball gerne zitierte Aerosolforscher Gerhard Scheuch gesagt, der allerdings die An-und Abreise, Toiletten und die Logen als die gefährlichsten Orte bei der Delta-Variante benannte. Omikron verbreitet sich noch schneller.

Als Heidel am vergangenen Sonntag (19.12.2021) über die Folgen sprechen sollte, die eine fünfte Welle im neuen Jahr im deutschen Profifußball auslösen könnte, legte der 58-Jährige die Stirn in Falten. Ein diffiziles Thema. Bevor er sich Gedanken um den Fußball mache, würde er als erstes an die Gesundheit der Menschen denken. Beispielsweise an seine Eltern: "Mein Papa ist 89, Mama wird 85. Als zweites kommt dann die Überlegung, was bedeutet das für den Verein. Wenn die schlimmsten Prognosen eintreten, dann wird es schwierig."

Der Terminplan hat kaum Puffer

Nichts ist mehr ausgeschlossen: Auch eine Saisonunterbrechung wie zum Beginn der Pandemie erscheint nicht völlig unvorstellbar. Das Problem: Alle Ligen würden bei einer längeren Pause von mehreren Wochen immense Terminprobleme kommen. Ein bisschen Puffer gäbe es für die nationalen Ligen noch im Sommer, wenn die UEFA ihre vier Nations-League-Termine im Juni opfern würde, aber danach geht wegen der WM 2022 in Katar gar nichts mehr.

Die nächste Saison 2022/23 ist heillos überfrachtet, damit in knapp einem Jahr das Experiment mit der Wüsten-WM starten kann. Und wenn der Fußball auch oft von Demut redete: Weder die Nationalverbände, noch UEFA oder FIFA waren bereit, auch nur irgendeinen Wettbewerb zu opfern. Selbst die unwichtigen Freundschaftsspiele der Nationalmannschaften, Supercups und Weltpokal wurden durchgepeitscht, um die lukrativen Verträge zu erfüllen.

Es drohen neue Einnahmeausfälle

Für die Bundesligisten stellt sich das Problem, dass die Einnahmeausfälle durch vermehrte Geisterspiele eigentlich nicht in den Budgets eingepreist sind. Karl-Heinz Rummenigge, der ehemalige Vorstandschef des FC Bayern, ahnte bereits am Montag bei "Bild-TV": "Das wird noch eine große Herausforderung."

Der Branchenprimus verliert bei jedem Heimspiel ohne Zuschauer vier bis fünf Millionen Euro. Härter trifft es dennoch die restlichen Klubs, die über keine so üppige Eigenkapitalausstattung verfügen. In fast weiser Voraussicht hatten die Liga-Vertreter bei ihrer jüngsten Mitgliederversammlung die Zügel für die Lizenzierung erneut gelockert.

Denn Geisterspiele reißen nun einmal ein Loch in die Kasse. Aber was sollen andere Profisportarten sagen, deren Erlösstruktur noch viel mehr von Zuschauerreinnahmen abhängt? Die 36 Profiklubs im Fußball nehmen im Schnitt nur jeden siebten Euro über den Kartenverkauf ein. Das müsste bei entsprechenden Sparmaßnahmen eigentlich zu verkraften sein.

DFL-Chef Christian Seifert kennt die komplexe Thematik

Der scheidende DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, weiß um die komplexe Thematik und die vielen Tretminen bei diesem Thema. Bei seinem Abschiedsgespräch am vergangenen Donnerstag erinnerte der DFL-Chef daran, dass es für die Corona-Lage zwar kein Knowhow gäbe, aber "am Ende ist das Thema des Umgangs mit Großveranstaltungen immer zu bewerten in dem Kontext einer gesamten Pandemiestrategie eines Landes. Und da habe ich den Eindruck, dass Deutschland seine zu Beginn deutlich führende Rolle eingebüßt hat."

Wo die Bundesliga im Frühjahr 2020 mit der Fortsetzung des Spielbetriebs den Vorreiter gab, hat sie im Herbst 2021 als erste europäische Topliga wieder Geisterspiele eingeführt. Das können vielen Klubs nicht verstehen. "Wir bekommen vom Gesundheitsamt in Mainz immer dieselbe Antwort: Es sind von den Tribünen, bei der Anreise keine Fälle bekannt, die zu Nachverfolgungen geführt haben", erläutert Heidel am Beispiel der 05er.

Ähnliche Argumente trugen auch die Geschäftsführer Frank Briel (TSG Hoffenheim) oder Michael Ströll (FC Augsburg) vor, als beide gegen die seit Anfang Dezember für ihre Klubs gültigen Zuschauerbeschränkungen argumentierten.

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke kritisiert Symbolpolitik

Mainz konnte immerhin noch vor 10.000 Fans antreten. Die Rheinhessen gehören zu den Vereinen, die die eindringliche Empfehlung der DFL zur Booster-Impfung im eigenen Klub mit Hochdruck vorantreiben. Spieler, Trainer, Betreuer und Angestellte, aber auch Angehörige bekommen den dritten Piks. Der Verein hat mittlerweile eine Impfquote von 100 Prozent.

Anfang der Saison war das noch anders, doch als Corona ausgerechnet kurz vor dem ersten Saisonspiel zuschlug und die Mainzer mit einem Rumpfkader gegen RB Leipzig antraten (und 1:0 gewannen), hat es auch bei den letzten Impfskeptikern klick gemacht, wie Heidel erzählt hat.

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Hans-Joachim Watzke, hatte noch am Montag vor einer Symbolpolitik gewarnt: "Der Profifußball in Deutschland hat als Freiluftveranstaltung mit schon jetzt deutlich reduzierten Zuschauerkapazitäten ein schlüssiges Konzept." Das mag ja sein, ändert aber nichts daran, dass dem Profifußball bei Omikron keine Extrawurst gebraten wird: Wenn Großveranstaltungen generell vorerst nicht mehr zulässig sind, muss die Bundesliga wohl oder übel auch Gefolgschaft leisten. Zu groß und gefährlich scheint die fünfte Welle, die unaufhaltsam auch auf Deutschland zurollt.