Robert Lewandowski

Abgang zum FC Barcelona Bayern "verpept" ohne Robert Lewandowski

Stand: 16.07.2022 20:53 Uhr

Pep Guardiola hat jahrelang bei Manchester City ohne echten Mittelstürmer gespielt. Gut möglich, dass Bayern München nach dem Abgang von Robert Lewandowski jetzt ähnlich agiert.

Die nackten Zahlen klingen zunächst mal etwas beängstigend für alle, die es gut meinen mit dem FC Bayern. Mit Robert Lewandowski, dessen Wechsel zum FC Barcelona laut Bayerns Vorstandschef Oliver Kahn bereits mündlich beschlossen ist, gehen 344 Tore und 72 Assists in 375 Pflichtspielen. In seinen 253 Bundesligaspielen für den Rekordmeister hat der Pole 238 Treffer erzielt und 45 vorbereitet.

Kein angemessener Abschied

Dass Joshua Zirkzee oder Eric-Maxim Choupo-Moting, die beiden einzigen Profis im aktuellen Bayern-Kader mit der Stellenbeschreibung "Mittelstürmer", Lewandowski nachfolgen werden, erwartet niemand. Aber wer soll jetzt all diese Tore erzielen? Und wie soll das taktisch gehen?

Für die Stimmung im Kader kann der Abgang des Superstars zunächst einmal nur Gutes bringen. Nach acht überragenden Jahren war es zuletzt ziemlich traurig zu beobachten, dass sowohl Spieler als auch Verein keinen angemessenen Abschied hinbekamen. Hier ein "Basta" (Oliver Kahn) oder ein "Barcelona kann sich weitere Angebote sparen" (Uli Hoeneß) zuviel, dort völlig überflüssige Vorwürfe wie "fehlende Wertschätzung des Klubs": Für einen Spieler, der eine Ära mitgesprägt und den Ewigkeitsrekord von Gerd Müller gebrochen hat (41 Bundesliga-Tore in einer Saison), waren die Statements auf beiden Seiten jämmerlich.

Gut für die Stimmung im Kader

Nach dem Zugang von Sadio Mané aus Liverpool wäre es aber auch für Julian Nagelsmann schwierig gewesen, die Luxusbesetzung im Offensivbereich kollektiv bei Laune zu halten. Hätte Lewandowski weiter das Zentrum besetzt, hätte der Trainer vor und nach jedem Spiel erklären müssen, warum er von Mané, Thomas Müller, Leroy Sané, Serge Gnabry oder Kingsley Coman mindestens zwei Mann auf die Bank gesetzt hat.

Dass die Bayern die 45 Millionen Euro aus Barcelona, die sich durch Bonuszahlungen noch erhöhen können, in einen adäquaten Nachfolger investieren, steht aktuell nicht im Raum. Mit dem Geld sollen stattdessen zunächst die Transfers von Juventus-Abwehrchef Matthijs de Ligt und Leipzigs Mittelfeldrenner Konrad Laimer gestemmt werden. Auf der Mittelstürmer-Position gibt es aktuell nur Gerüchte um Mathys Tel von Stade Rennes - ein 17-jähriges Talent.

Rotation und Intuition

Das bedeutet: Nagelsmann wird wohl dem Beispiel von Pep Guardiola folgen, bei dem in Manchester bis zu diesem Sommer viele Spieler vorne in der Spitze auftauchten - nur kein echter Neuner. Bei Bayern kann jetzt natürlich der geniale Fußballer Mané im Zentrum spielen, der Senegalese kommt aber eigentlich lieber mit Highspeed von der Linksaußen-Position. Auch Sané hat für die Nationalelf schon in der Sturmmitte agiert, er ruft seine Qualität aber sehr schwankend und oft tagesformabhängig ab. Müller ist mit all seiner Intuition nicht an einer Position festzumachen - aber das kann künftig durchaus für die gesamte Offensivabteilung gelten.

Bayern wird ohne den Abschluss-Fixpunkt Lewandowski auf jeden Fall schwieriger auszurechnen sein. Die Positionen werden freier interpretiert, es wird eine ständige Rotation geben, die Flügel werden wechselweise in die Mitte ziehen, die Zentrumsspieler auf außen ausweichen. Für die Gegner in der Bundesliga wird das taktisch nur ganz schwer zu lösen sein.

Champions League wird der Prüfstein

Die große Frage ist aber, wie bedrohlich die Bayern nach ihrem Viertelfinal-Aus zuletzt gegen den FC Villarreal in der Champions League ohne Lewandowski auftreten. Und ob bei aller Positionswechselei das Zentrum in den entscheidenden Momenten dann auch ausreichend besetzt ist.

Bei Manchester City hat es bei allen nationalen Erfolgen mit dieser Taktik bekanntlich nie für den großen Wurf gereicht, deshalb haben die Scheichs dort nun den quirligen Gabriel Jesus (zum FC Arsenal) durch den Brecher Erling Haaland aus Dortmund ersetzt. Wie lange es der FC Bayern nun ohne klassische Neun versucht, wird spannend zu beobachten und letztlich erfolgsabhängig sein - vor allem in der Champions League.