Oliver Kahn (r.) und Hasan Salihamidzic
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Personalbeben beim FCB FC Hollywood? Dieser FC Bayern ist eher Trash-TV

Stand: 27.05.2023 20:58 Uhr

Nur Minuten nach dem Titelgewinn macht die Nachricht die Runde, dass der FC Bayern München Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic entlässt. Die Geschehnisse um diese Entscheidung sind wie aus einer schlechten Serie.

Der FC Bayern München wird zum elften Mal in Folge deutscher Meister in der Fußball-Bundesliga - und schon bevor Manuel Neuer die Schale überreicht bekommt, interessiert das kaum noch jemanden. Denn wenige Minuten nach dem Schlusspfiff meldet der "Kicker", dass die Bayern ihren Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und den Sportvorstand Hasan Salihamidzic entlassen. Das war aber nur der Anfang einer Kette an Nachrichten rund um diese Entscheidung, die fassungslos machen.

Nagelsmann-Entschluss war der Anfang vom Ende

Vorab: Kahn und Salihamidzic zu entlassen, ist eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung. Die beiden sportlich Verantwortlichen feuerten vor zwei Monaten, völlig ohne Not, Trainer Julian Nagelsmann. Damals waren die Bayern in der Champions League und im DFB-Pokal noch vertreten, in der Bundesliga Tabellenführer. Das Duo sah wegen "starken Leistungsschwankungen" die Vereinsziele in Gefahr, begründete Kahn. Doch statt Schwankungen kam der tiefe Fall.

Erst gab es unter Nagelsmann-Nachfolger Thomas Tuchel das Ausscheiden gegen den SC Freiburg (1:2) im Pokal, dann war in der Champions League gegen Manchester City eigentlich schon nach dem Hinspiel (0:3) Schluss. Und in der Liga gab es auch kaum überzeugende Auftritte - vielleicht mit Ausnahme der Partien gegen Dortmund und Schalke.

Der Gewinn dieses elften Bundesliga-Titels in Folge ist kein Meisterstück, sondern die Folge daraus, dass Borussia Dortmund völlig überraschend im eigenen Stadion gegen Mainz 05 den ersten Platz herschenkte.

Müller genervt, Hainer bestätigt

Da ist es schon fast Schicksal, dass der FC Bayern gar nicht die Gelegenheit bekam, sich groß über den Erfolg zu freuen - weil er sich gleich mit den personellen Konsequenzen der nahezu katastrophalen vergangenen Wochen beschäftigen musste. Thomas Müller war bei "Sky" der erste Münchner, der im Interview Rede und Antwort stand, und er ließ seinem Frust darüber freien Lauf, dass die Kahn-Salihamidzic-Meldung unmittelbar nach Abpfiff aufkam.

Verständlich. Allerdings ist hier ganz sicher nicht der "Kicker" oder ein anderes Medium der Bösewicht. Die Journalisten arbeiten nicht für das Wohl des FC Bayern, sondern haben die Aufgabe, zu recherchieren und über das zu berichten, was ist. Und was nur eine Stunde nach Abpfiff der Aufsichtsratsvorsitzende Herbert Hainer bestätigte, war eben diese fundamentale Entscheidung: Kahn und Salihamidzic wurden von ihren Aufgaben entbunden.

Der Aufsichtsrat entscheidet - und die Medien sind hautnah dabei

Es gab mehrere Journalisten, die schon weit vor dem Anpfiff von den Personalien erfahren haben. Das muss auch so sein, denn es wird niemand direkt nach dem Triumph eine Kurznachricht mit dem Inhalt "Ach, übrigens: Wir entlassen Kahn und Salihamidzic!" verschickt haben. Die Meldung wird vorbereitet gewesen sein und die Informanten waren gewillt, ihre Erkenntnisse schnell weiterzugeben, weshalb es wieder nur wenige Minuten dauerte, bis mehrere Medien nachzogen.

Weil es in früheren Jahren immer wieder verrückte Momente im Verein gegeben hatte und diese recht schnell bei den Medien durchgesickert waren, verdiente sich der Klub den Spitznamen "FC Hollywood". Hollywood steht aber für großes Kino, für Blockbuster, für Kunst - mal bessere, mal schlechtere, eigentlich immer aber schon hochwertige Filme. Was aktuell aber bei den Bayern passiert, ist ein schlechter Film, eine schlechte Serie, eigentlich nur noch Trash-TV.

Tuchel bewahrt die Fassung, aber kündigt Klartext an

Tuchel erzählte in der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass er am Freitagnachmittag, also ungefähr 24 Stunden vor dem Spiel, von dem Aus seiner Vorgesetzten erfahren hatte.

Geht's noch?

Die Mannschaft kämpft um die letzte Chance im Titelduell, steht aufgrund der schwierigen Saison ohnehin unter Druck und der Trainer, der diese Misserfolge begleitet hat, bekommt mitten in der Spielvorbereitung diese Nachricht. Da kann man nur den Hut davor ziehen, dass Tuchel derart die Nerven behielt. Sowohl sportlich als auch verbal in seinen Statements.

Tuchel weiß nicht, wie es weitergeht

Der Trainer kündigte aber auch an, jetzt nicht in den Urlaub zu fahren und in München bleiben zu wollen, auch, um seine Meinung zu sagen. Wie die sein wird, kann man sich vorstellen. Denn es ist völlig unerklärlich, warum sich die Verantwortlichen - in diesem Fall der achtköpfige Aufsichtsrat des Klubs, zu dem auch Uli Hoeneß gehört - nicht nach dem letzten Spiel entscheiden.

FCB-Trainer Tuchel - "Weiß nicht, wie es weitergeht"

Sportschau

Welchen Unterschied machen zwei Tage längeres Warten? Am Montag tagt das Gremium, da hätte es doch gereicht, den Daumen zu senken. Oder warum nicht zwei Wochen vorher? Denn die Entscheidung deutete sich längst an.

Kahn durfte nicht mal mehr nach Köln

Und als wäre das alles nicht genug, gibt es ja auch noch diesen Kahn-Tweet. Der war in Köln nicht dabei - wegen einer Grippe, wie zunächst berichtet wurde. Nach dem Sieg drückte dieser zwar seinen Glückwunsch aus, offenbarte aber in einem Zuge auch, dass es ihm "untersagt" wurde, nach Köln zu reisen. Bei "Sky90" sprach Kahn deswegen sogar vom "schlimmsten Tag meines Lebens".

Salihamidzic saß dagegen auf der Tribüne und flippte beim 2:1-Treffer von Musiala regelrecht aus vor Freude. Als wären die letzten 24 Stunden nicht passiert.

Angesichts dieser Bilder darf die Frage erlaubt sein: Wusste er zu diesem Zeitpunkt von seiner Entlassung? Das Zwiegespräch mit dem Aufsichtsvorsitzenden Herbert Hainer lässt durchaus Raum für Spekulationen. Es wurde wild gestikuliert, ganz offensichtlich gab es Meinungsverschiedenheiten. Vielleicht sogar die Nachricht, dass Salihamidzic nicht mehr länger Sportvorstand sein wird. Zur grauenhaften Vorstellung des FC Bayern würde es auf jeden Fall passen.

ARD-Reporter Dominik Vischer zum Trubel beim FC Bayern