Zurückhaltung bei Fluthilfe Boykott der Millionenspende aus Katar

Stand: 29.11.2022 09:47 Uhr

Eine Million Euro hat Katar für den Aufbau von Mini-Fußballfeldern in von der Flut betroffenen Regionen bereitgestellt. Recherchen von sportschau.de belegen, dass das katarische Geld bisher nicht abgerufen wird. Eine Gemeinde hat die Spende sogar abgelehnt.

"Wir haben das eher als Sünden reinwaschen gesehen und als Imagekampagne. Und deswegen haben wir darauf verzichtet", sagt Marcel Werner. Werner ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat von Grafschaft. Die Gemeinde mit ihren knapp 12.000 Einwohnern liegt in Rheinland-Pfalz direkt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen im Kreis Ahrweiler. Auch sie war mittelbar von der Flut im Sommer 2021 betroffen.

Bis heute sind manche der dortigen Sportanlagen nicht nutzbar. Da käme Geld für ein Fußball-Kleinspielfeld eigentlich genau richtig, um zeitnah die sportliche Infrastruktur zu stärken. Tatsächlich gibt auch einen Spender: Das Emirat Katar - Gastgeber der umstrittenen Fußball-WM - hat dem Fußballverband Rheinland über dessen Stiftung "Fußball hilft" eine Million Euro für den Bau solcher Anlagen zur Verfügung gestellt.

Erst ein Kleinspielfeld eingeweiht

Begleitet von großem Medienrummel überreichte der katarische Botschafter in Deutschland, Abdullah Bin Mohammed bin Saud Al-Thani, im Mai einen entsprechenden Scheck. Damals hieß es, man befinde sich in Gesprächen mit acht möglichen Standorten für solche Kleinspielfelder. Doch bisher ist erst ein solcher Platz mit dem katarischen Geld in Betrieb genommen worden - Mitte November im von der Flut stark betroffenen Hönningen.

In der Gemeinde Grafschaft haben sie die Spende aus Katar dagegen abgelehnt. CDU, Grüne, FDP und die Freien Wähler stimmten im Gemeinderat gegen die Annahme der rund 100.000 Euro für ein Kleinspielfeld. "Aus ethischen Gründen und wegen der Menschenrechtsverhältnisse in Katar wollten wir diese Spende nicht entgegennehmen," erklärt CDU-Fraktionschef Werner im Gespräch mit sportschau.de.

Die örtliche SPD, die als einzige für die Spende gestimmt hatte, beschwerte sich in einer Pressemitteilung, es gehe nicht, dass Befürworter als "willfährige Unterstützer des Regimes in Katar" diskreditiert würden und man ihnen sogar eine Mitschuld an den Zuständen in Katar ("Blut klebt an ihren Händen") zuschreibe, wie dies der Sprecher der CDU-Fraktion und der Fraktion der Grünen im Gemeinderat getan hätten. Die SPD habe als Arbeiterpartei "anscheinend die Arbeitsverhältnisse in anderen Ländern nicht für so wichtig erachtet“, hält CDU-Mann Werner dagegen.

Existenzangst nach der Flutkatastrophe

Thorsten Poppe, Sport inside, 24.09.2022 14:00 Uhr

Vorgaben verhindern angeblich kurzfristige Verteilung

Der politische Konflikt in Grafschaft zeugt vom schwierigen Umgang mit der Spende aus Katar. Dass bislang erst ein Kleinspielfeld entstanden ist, erklärt die Stiftung "Fußball hilft" damit, dass an weiteren möglichen Standorten noch nicht alle Details geklärt seien. Deshalb könne man aktuell noch keine verlässlichen Angaben machen, wo weitere Mini-Spielfelder mit der Katar-Spende finanziert und umgesetzt würden. Die Verteilung des Geldes könne aufgrund von Vorgaben zum Wiederaufbau nicht kurzfristig erfolgen, sondern werde sich noch über die nächsten Jahre hinziehen.

Bei Kosten von 100.000 Euro pro Mini-Spielfeld sind von der Katar-Spende also derzeit noch rund 900.000 Euro verfügbar. Eine Anfrage von sportschau.de bei der katarischen Botschaft, wie man die Ablehnung der Spende seitens der Gemeinde Grafschaft aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in Katar bewerte, bleibt unbeantwortet.

Streit um Stiftungszweck mit ehemaligen DFB-Präsidenten

Auch innerhalb der Stiftung sorgt die Spende für Konflikte. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger - Gründer der Stiftung, die früher sogar seinen Namen trug - legte wegen der umstrittenen Spende seine Ehrenpräsidentschaft im Fußballverband Rheinland nieder. Zudem beantragte Zwanziger bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) eine Prüfung, ob die Annahme der Millionen-Spende aus Katar den Stiftungszweck verletze.

In der Satzung der Stiftung ist "die Förderung des Sports sowie der vielfältigen gemeinnützigen und sozialen Tätigkeiten des Fußballverbandes Rheinland" als Zweck angegeben. Die ADD bestätigt auf sportschau.de-Anfrage, dass sie mit der Prüfung der Angelegenheit beschäftigt war. Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Spende dem in der Satzung niedergelegten Stiftungszwecke diene und diesen fördere. Rein rechtlich ist die Annahme des katarischen Geldes also nicht zu beanstanden.

Einflussnahme von Sport-Funktionären?

Pikant ist auch, dass Zwanziger laut dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" vorliegenden Dokumenten offenbar dazu gebracht werden sollte, sich nicht kritisch zu dieser Spende zu äußern. Der Präsident des Fußballverbands Rheinland, Georg Eibes, hatte sich deshalb mit Zwanziger getroffen. Eibes betont aber, er habe Zwanziger dabei nicht unter Druck gesetzt, sondern diesen lediglich nach seiner Haltung zum Spenden-Deal gefragt.

Marcel Werner von der CDU Grafschaft lässt zudem anklingen, dass seitens des organisierten Sports auch versucht worden sei, die Entscheidung im Gemeinderat zu beeinflussen. Der Vizepräsident des Sportbundes Rheinland, Fritz Langenhorst, habe "auch versucht, mit seiner Anwesenheit unsere Meinung noch ein bisschen zu verändern", behauptet Werner. Das sei ihm bisher noch nicht untergekommen, dass "wir so hohen Besuch bei unseren Sitzungen haben".

Fritz Langenhorst ist nicht nur Vizepräsident des Sportbunds Rheinland, sondern auch Vorsitzender des Sportkreises Ahrweiler. Zudem Beisitzer im Vorstand der SPD Bad Neuenahr-Ahrweiler. Auf sportschau.de-Anfrage gibt er an, dass seine Anwesenheit in solchen Sitzungen niemals Einfluss auf das Abstimmungsverhalten habe. Bei sportlichen Angelegenheiten nehme er auch an Gemeinderatssitzungen im Kreis teil. Ansonsten hätte der Sportbund Rheinland keine Aufgabe bei der Katar-Spende übernommen.

Sportswashing verhindert?

Es gibt jedoch diverse personelle Verbindungen zwischen den genannten Sportorganisationen. So ist der Vorsitzende der Stiftung "Fußball hilft", Walter Desch, gleichzeitig stellvertretender Präsident des Sportbunds Rheinland sowie Ehrenpräsident des Fußballverbandes Rheinland, an den wiederum die Stiftung angegliedert ist.

Für Marcel Werner hat jedenfalls das "Nein" der Gemeinde Grafschaft zu der Spende bewirkt, dass die daran Beteiligten auf dem katarischen Geld sitzen bleiben würden. Das sei für ihn aus ethischen Gründen ein wichtiges Signal, weil damit Sportswashing hätte verhindert werden können.