Moritz Seider im Trikot der Detroit Red Wings

NHL-Profi Moritz Seider Der deutsche Leistungsträger in Detroit

Stand: 28.10.2022 10:37 Uhr

Die erste NHL-Saison hätte für Moritz Seider nicht besser laufen können. Der Verteidiger wurde "Rookie of the year". Nun will er den nächsten Schritt machen - und mit Detroit "auf eine coole Reise" gehen.

Von Heiko Oldörp, Boston

Wer Moritz Seider sprechen möchte, braucht ein wenig Geduld. Das Morgentraining der Detroit Red Wings vor dem Auswärtsspiel bei den Boston Bruins ist vorbei, viele Akteure sind bereits umgezogen und geduscht, doch Seider steht immer noch auf dem Eis des TD Garden. Noch ein Schlagschuss, noch ein weiterer Pass, noch eine Kombination. "Ich mag es, mir zum Schluss ein bisschen alleine oder mit ein, zwei Jungs die Zeit zu vertreiben", sagt der Verteidiger, als er in die Kabine kommt, im Gespräch mit der Sportschau.

Seider ist gerade in seine zweite NHL-Saison gestartet. Seine Premieren-Spielzeit war bereits eine für die Geschichtsbücher gewesen. Als erster Deutscher hatte der 1,93 Meter große Lockenkopf, der einst als Fünfjähriger beim EHC Erfurt mit dem Eishockey begann, die Auszeichnung zum “Rookie of the year” gewonnen. Seit der Saison 1932/33 kürt die NHL den “besten Neuling des Jahres”, seit 1936/37 erhält der Sieger die Calder Memorial Trophy.

Detroit-Verteidiger Moritz Seider erhält die Calder Trophy

Moritz Seider erhält die Calder Trophy

Gefragter Mann in der Saisonpause


60 Kanadier, ein Dutzend Amerikaner, acht Russen, vier Schweden, zwei Finnen sowie jeweils ein Slowake und ein Brite haben sie bereits erhalten. Seit dem 21. Juni 2022 ist auf den Silberplaketten des Holzsockels der Trophäe auch der Name Moritz Seider eingraviert. Der 21-Jährige war nach Olaf Kölzig (bester Torwart 1999/00) und Leon Draisaitl (wertvollster Spieler, herausragender Spieler, Topscorer 2019/20) erst der dritte Deutsche, der mit einer individuellen NHL-Auszeichnung geehrt wurde.

Was das zur Folge hatte? "Erstmal nur bisschen mehr Arbeit im Sommer", sagt Seider. PR-Termine, Sponsoren-Auftritte, Interviews in Berlin, Paris und der Schweiz. Und, ergänzt er freudig, er habe auch “die eine oder andere Nachricht” von jemandem bekommen, "den man länger nicht mehr gesehen hat. Das war auch sehr, sehr schön."

Talent, Leistungsträger, langfristiger Eckpfeiler

Ansonsten aber habe sich nichts geändert. "Ich versuche immer noch, ich selber zu sein, mich nicht zu verstellen". Und natürlich gibt es auch "Familie, Freunde und die Jungs hier in der Kabine”, sagt Seider, “die einen sehr schnell wieder erden." Wobei das ja implizieren würde, dass der Mann mit der Rückennummer 53 abgehoben wäre. Doch das ist er keineswegs.

Detroit-Verteidiger Moritz Seider im Spiel gegen Sam Poulin von den Pittsburgh Penguins

Seider (r.) im Spiel gegen Sam Poulin von den Pittsburgh Penguins


Seider weiß, dass er Talent hat. Dass er, trotz seiner gerade mal 21 Jahre, bereits ein Leistungsträger beim Traditionsverein ist. Und dass viele in Detroit ihn als langfristigen Eckpfeiler der Red Wings sehen. Aber ihm ist natürlich auch klar, dass er trotzdem noch am Anfang seiner NHL-Karriere steht. Und gerade derzeit gefallen ihm seine Leistungen nicht. Da springt der Puck mal über den Schläger, da landet ein Schuss genau in der Fanghand des Torhüters. "Und dann hast du manchmal schneller ein Gegentor kassiert, als du gucken kannst", sagt Seider. Aber davon lasse er sich nicht aus der Ruhe bringen.

Zwischen "Elite-Niveau" und "leichten Puckverlusten"


Derek Lalonde, seit dieser Saison Red Wings-Trainer, nennt die Entwicklung des Deutschen “einen Prozess”. Seiders Spiel sei “manchmal auf Elite-Niveau”, doch manchmal habe er eben auch “leichte Puckverluste”. Der Coach fasst alles als “growing pains”, also eine Art Wachstums-Beschwerden zusammen.

Red Wings-Trainer Derek Lalonde auf der Auswechselbank hinter seinen Spielern

Red Wings-Trainer Derek Lalonde

Ähnliches lässt sich über den Verein sagen. Die Red Wings haben von allen amerikanischen NHL-Teams mit elf Meisterschaften die meisten Titel gewonnen. Allerdings liegt der letzte Triumph 14 Jahre zurück. Seit 2016 hat Detroit keine Playoffs mehr gespielt. Aber die Talsohle scheint durchschritten. Der Verein hat viel versprechende Talente wie Seider, und in der Sommerpause zudem erfahrene Profis geholt.  

Hauptrolle auf der “coolen Reise”


In der Stadt herrsche Euphorie, betont Seider. Erstmals seit 2011 haben die Red Wings wieder in den ersten fünf Saisonpartien gepunktet. Dass die vergangenen beiden Spiele gegen New Jersey (2:6) und gestern in Boston (1:5) deutlich verloren wurden, nun, das kommt in einer 82 Partien umfassenden Vorrunde natürlich auch vor.

Doch Seider geht es um das "größere Bild", das betrachtet werden solle - und um den “Weitblick”. Er weiß, dass Detroit nicht Meister wird. Und vielleicht werden die Red Wings auch wieder die Playoffs verpassen. Aber, man wolle "den nächsten großen Schritt Richtung Playoffs machen". Die Mannschaft habe das Zeug dazu, sei "in der Tiefe sehr stark aufgestellt". Die Saison könne, so Seider "eine richtig coole Reise" werden. Und dem deutschen Nationalspieler ist auf dieser Tour eine der Hauptrollen zugedacht.

Red Wings-Verteidiger Moritz Seider im Spiel gegen die New Jersey Devils

Seider im Spiel gegen die New Jersey Devils