Christine Aulenbrock

Beachvolleyball | Bekleidung Viel Haut oder voll bedeckt? Es geht um die freie Wahl

Stand: 23.03.2022 08:00 Uhr

Die Saison im Beachvolleyball startet – und damit auch die Diskussion um Kleidervorschriften? Laut Weltverband haben Spielerinnen die freie Wahl. Doch es gibt andere Zwänge.

Ein einteiliger Badeanzug oder ein Bikini mit einer maximalen Seitenbreite von sieben Zentimetern – zwischen diesen Outfits mussten Beachvolleyballerinnen bis 2012 wählen. Erst danach waren seitens des Weltverbands FIVB etwa auch kurze Hosen oder gar Ganzkörperanzüge erlaubt.

Trotzdem war die freie Wahl nicht immer gegeben. Als Anfang 2021 ein Turnier in Katar stattfand, durften die Spielerinnen nicht im üblichen Sportbikini spielen, weil dieser dort als anstößig gilt. Das deutsche Team Karla Borger und Julia Sude boykottierte daraufhin das Turnier und stieß eine weltweite Diskussion an.

Kampf um eine freie Kleiderwahl

Jetzt geht es wieder los: Am 16. März startete in Mexiko die internationale Beachvolleyball-Saison. Die Weltserie heißt nun "Volleyball World - Beach Pro Tour". In drei Kategorien kämpfen die Teams um Preisgelder und Weltranglistenpunkte. Der Kampf um eine liberale Kleiderordnung dagegen könnte schon vor Saisonbeginn beendet sein.

Der Weltverband reagierte vergangenes Jahr auf die Kritik an den Kleidervorschriften in Katar und ließ die Spielerinnen schließlich doch im Bikini spielen. Laut der offiziellen Regeln hätte es die Diskussion gar nicht geben dürfen, denn seit Jahren können Sportlerinnen etwa zwischen Shorts, langen Hosen, langärmeligen oder kurzen Oberteilen wählen.

Der Weltverband betont: "Diese Uniformvorschriften gewährleisten, dass unser Sport kulturell und religiös integrativ ist. Natürlich steht es den Spielerinnen und Spielern unabhängig ihrer Herkunft frei, die verschiedenen Uniformtypen gemäß den Richtlinien zu tragen." Nur was Farbe und Stil angeht wird ausdrücklich empfohlen, dass Paare sich einheitlich zeigen.

"Es geht um die freie Entscheidung"

Weder den Zwang zum Bikini noch die Pflicht einer längeren Hose kann Borger, die auch Präsidentin des Vereins Athleten Deutschland ist, befürworten. "Es geht um die freie Entscheidung und in welcher Uniform ich mich wohlfühle", sagt die 33-Jährige, die sich in Brasilien auf die Saison vorbereitet hat.

Dass beispielsweise die Frauen dort häufig in Höschen spielen, die nicht viel mehr Stoff haben als ein String, sei einfach Teil der dortigen Körperkultur. "In Deutschland würde da wohl jeder sagen: Holla, die Waldfee. Aber dort ist das eben normal." Für die zweifache Olympia-Teilnehmerin ist der Sportbikini normal, in dem sie und andere Spielerinnen sich vor allem bei hohen Temperaturen wohlfühlen. Trotz viel nackter Haut.

Anstößige Kommentare hat Borger nie bewusst wahrgenommen. Wenn aber der Verband darum gebeten hat, auch bei niedrigen Temperaturen die Siegerehrung im Bikini durchzuführen – wegen der TV-Kameras – hat sich das für Borger nicht richtig angefühlt. "Zum Teil kann ich das ja aus Marketinggründen ein bisschen verstehen. Trotzdem muss ich mich wohlfühlen und den Bikini gerne tragen."

Gitta Axmann von der Deutschen Sporthochschule in Köln geht in ihrer Kritik sogar noch weiter. Sie sagt: "Solche Kleidervorgaben fallen meines Erachtens in die Kategorie sexualisierte Gewalt ohne Körperkontakt – etwa durch anzügliche Blicke und Bemerkungen, die durch die vorgeschriebene Kleidung hervorgerufen werden und auch bewusst hervorgerufen werden sollen, denn sonst würde es diese Regeln gar nicht geben."

Die Zeiten ändern sich – auch im Sport

Axmann macht sich seit mehr als 15 Jahren, zunächst beim DOSB und nun an der Sporthochschule, für Chancengleichheit und Prävention sexualisierter Gewalt im Sport stark. Gerade in ihrer Zeit beim Sportbund hat sie immer wieder miterlebt, wie sich Spielerinnen über Kleidervorschriften insbesondere im Beachvolleyball beschwert haben. Sie weiß: "Durch solche Regeln wie die Pflicht zum Bikini sind dem deutschen Sport auch Talente verloren gegangen, weil die das nicht mitmachen wollten." Seit gut zehn Jahren habe sich aber einiges verändert. Mittlerweile liege viel mehr Aufmerksamkeit darauf, wo die freie Wahl aufhöre und Sexismus beginne.

Auch, weil sich die Sportlerinnen wehren und für ihre freie Entscheidung stark machen. Nicht nur Karla Borger im Beachvolleyball, auch in anderen Sportarten. So trugen die Turnerinnen um Elisabeth Seitz im vergangenen Jahr hin und wieder Ganzkörperanzüge. Erlaubt ist das im Turnen durchaus – nur traute es sich bisher keine.

Im Tennis trat Serena Williams 2018 bei den French Open im Catsuit an und erntete große Kritik. Ein Jahr später erlaubte die WTA die Kompressionsanzüge dann sogar offiziell. Das aktuellste Beispiel stammt wohl aus dem Beachhandball: Die norwegische Nationalmannschaft der Frauen erhielt vergangenen Sommer eine Geldstrafe, da die Spielerinnen mit Radlerhosen spielten statt mit den vorgeschriebenen Bikinishorts. Nach weltweiter Kritik änderte der Weltverband IHF die Regularien und schreibt seit Anfang 2022 nur "kurze, enganliegende Hosen" vor.

Inoffiziellen Zwängen ausgesetzt

Trotz all dieser Erfolge sieht Axmann die Diskussion noch nicht am Ziel. Denn nur weil Regeln es offiziell erlauben, sehen sich viele Sportlerinnen noch immer gesellschaftlichen und finanziellen Zwängen ausgesetzt. "Wenn Sportlerinnen einen Bikini tragen wollen, müssen sie das aus freiem Willen wollen, und nicht etwa deswegen, weil Sponsoren oder Verbände das aus Marketing-Gründen vorschreiben", betont sie und fordert, noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. In Medien, Verbänden und der Gesellschaft.

Und auf den Sportplätzen. Borger und ihre Partnerin Julia Sude wollen in dieser Saison auch mal in Hot Pants oder Radlerhosen spielen. Denn dass sie wirklich die freie Wahl haben, war für die Spielerinnen bislang nicht klar. Man habe immer nach Genehmigungen fragen müssen, um eine andere Hose zu tragen, sagt Borger. Das sei nun anders. Ob sich Hot Pants und Radlerhosen aber wirklich für Beachvolleyball eignen, will Borger erst testen. Denn letztlich geht es ja um den Sport und die Leistung, nicht um das Aussehen.