Beachvolleyballerin Louisa Lippmann bei den European Championships in München

Beachvolleyball Louisa Lippmann - "Habe viel Lehrgeld gezahlt"

Stand: 20.09.2022 18:05 Uhr

Louisa Lippmann war die beste deutsche Volleyballspielerin - bis sie sich vor ein paar Monaten dazu entschied, zum Beachvolleyball zu wechseln. Weshalb sie nun Babyschuhe trägt, mit Muskelkater zu kämpfen hat und das Hamburger Wetter zu spüren bekommt, erzählt sie im Interview.

Frau Lippmann, erst seit dem Frühsommer sind sie Profi-Beachvolleyballerin. Wie würden Sie Ihr Leistungsstadium beschreiben - sind Sie schon auf Top-Niveau oder stecken Sie eher noch in den Babyschuhen?

Louisa Lippmann: Ganz klar Babyschuhe. Mir wurde schon vorher prophezeit, dass das eine neue Sportart ist. Dem muss ich leider zustimmen. Das ist eine ganz große Umstellung, und das wird nicht innerhalb von vier Monaten vonstattengehen. Deshalb sind das auf jeden Fall noch Babysteps.

Ist Beachvolleyball schwieriger, als Sie vielleicht dachten?

Lippmann: Dadurch, dass ich das vor zwei Jahren schon einmal probieren konnte, konnte ich ungefähr einordnen, was auf mich zukommt. Als mir diese Gedanken kamen, war mir schon klar, dass das kein Zuckerschlecken wird. Es gibt ein paar Dinge, von denen ich nicht gedacht hätte, dass es so einen großen Bedarf des Umlernens gibt. Da wurde ich dann auch relativ schnell von meinen Trainern auf den Boden der Tatsachen geholt.

"Ungenauigkeiten werden nicht so leicht verziehen"

Sportschau, 20.09.2022 16:48 Uhr

Was sind denn die großen Unterschiede zwischen Beachvolleyball und dem klassischen Teamspiel - gebaggert und gepritscht wird ja bei beiden Varianten?

Lippmann: Es sind zwei Faktoren: das eine, was auf dem Feld passiert. Das andere, was um das Spiel herum passiert. Die Grundtechniken sind natürlich gleich. Der Weg dahin ist aber unterschiedlich. Im Beachvolleyball muss man viel mehr Beinarbeit leisten. In der Halle werden Ungenauigkeiten mehr verziehen. Wenn man dort nicht perfekt zum Ball steht, kann man das ausgleichen. Der Untergrund ist der allergrößte Unterschied, weil man nicht diese Stabilität aus der Halle hat. Und man ist natürlich nur zu zweit auf dem Feld, man ist ständig am Ball. Von außen gecoacht wird man auch nicht. Außer dass Volleyball mit im Begriff Beachvolleyball steht, gibt es nicht so viele Ähnlichkeiten.

Ist denn Beachvolleyball nicht auch deutlich anstrengender?

Lippmann: Ich bin ja eher ein Typ, der sich dynamisch und schnell bewegen kann. Das wird ja im Sand eher verschluckt, der Kraftaufwand geht da verloren. Es geht dann darum: Wie bewege ich mich effizient im Sand? Am Anfang war es superanstrengend. Ich hatte unfassbar starken Muskelkater in meinen Füßen und in meiner Hand. Aber die Sprünge sind viel gelenkschonender. Das erfordert eine Adaptionsphase der Physis.

Louisa Lippmann (l.) und Kira Walkenhorst jubeln bei den European Championships

Louisa Lippmann (l.) und Kira Walkenhorst bilden ein vorübergehendes "Paar".

Sie, die als beste deutsche Spielerin galten, haben sich überraschend dazu entschieden mit dem klassischen Volleyball aufzuhören. Sie hatten die Weltspitze erreicht, waren Nationalspielerin, haben im Ausland gespielt und gutes Geld verdient - fühlten sich aber nicht glücklich und auch unterfordert. Was hat zu der Unzufriedenheit geführt?

Lippmann: Meine Vorstellungen haben sich ein bisschen verschoben. Durch Corona hat man auf eine Taste gedrückt und hatte Zeit zu reflektieren. Ich habe mich im Hallenvolleyball wohlgefühlt, das war auch eine große Sicherheit. Aber irgendwas in mir hat angefangen zu zweifeln. Es ist ja nur eine kleine Zeitspanne, in der ich Leistungssport machen kann und mein Körper das mitmacht. Da war für mich die Frage, wie ich diese Zeit wirklich verbringen will. Ich wollte für mich mehr Selbstbestimmtheit, mehr Freiheit, mehr Individualität erreichen, was im System Hallenvolleyball schwer möglich ist.

Würden Sie sagen, das war bisher die wichtigste Entscheidung in Ihrem Leben?

Lippmann: Ja wahrscheinlich. Ich bin eigentlich ein sehr sicherheitsbewusster Mensch, das hatte ich natürlich viel mehr in der Halle. Es ist ein bisschen die Sinnfrage, was ich mit meinem Leben noch anstellen wollte. Sich dafür zu entscheiden, was der Bauch sagt und nicht immer rational, was der Kopf so vorgibt. Ich weiß nicht wie erfolgreich es wird. Aber ich werde am Ende nicht sagen: Ach, hätte ich mal.

Louisa Lippmann vertraut auf ihr Bauchgefühl

Sportschau, 20.09.2022 16:55 Uhr

Sind Sie mittlerweile ein glücklicherer Mensch?

Lippmann: Ich fühle mich richtig, da wo ich bin. Im Training ist natürlich auch viel Frustration, weil es nicht schnell genug geht. Es macht viel Freude, mich nochmal neu kennenzulernen. Ich freue mich einfach darüber, was in den letzten drei Monaten alles auf mich eingeprasselt ist.

Sie haben die ersten Versuche bei einem Turnier, den European Championships, mit der deutschen Weltklassespielerin Kira Walkenhorst gemacht. Dort haben sie sich Ihren ersten Sieg erspielt. Fühlen Sie sich auf dem richtigen Weg?

Lippmann: Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so aufgeregt war. Sie hat mir geholfen, ins Spiel zu kommen. Aber ich habe ganz viel Lehrgeld gezahlt. Es ist total imposant, wie souverän Kira agiert hat. Ich bin aber froh, erstmal in dieses kalte Wasser gesprungen zu sein und erste internationale Erfahrungen gesammelt zu haben. Wir hatten nicht die Erwartung, groß was zu gewinnen, das wäre unrealistisch gewesen. Es war vor allem eine ganz wichtige und große Lehrstunde.

Nach den ersten Wettkampferfahrungen: Welche Skills können Sie für ihr Team gewinnbringend einbringen? Und was müssen Sie noch dringend verbessern?

Lippmann: Ein großes Plus ist meine Athletik, die ich aber noch lernen muss, im Sand gut einzusetzen. Als Diagonalspielerin hatte ich nie was mit Annahme zu tun. Jetzt ist die Chance 50:50, dass ich den Ball bekomme. Ich muss alles noch verbessern. Ich dachte ja, ich könnte meinen Angriff mitnehmen. Das erste was ich gesagt bekommen habe: Das mit dem Angriff müssen wir verändern.

Lippmann ist sich sehr kurzen Zeitraums bewusst

Sportschau

Sie haben gesagt, Sie wollen 2024 in Paris bei den Olympischen Spielen teilnehmen. Dort soll Ihre Partnerin Laura Ludwig heißen. Die Ex-Partnerin von Kira Walkenhorst macht sich nach einer Babypause gerade wieder fit. Reicht die Zeit noch, um auf absolutes Weltklasseniveau zu kommen?

Lippmann: Uns ist bewusst, dass es ein sehr kurzer Zeitraum ist. Ich versuche, Beachvolleyball zu lernen, Laura kommt aus ihrer zweiten Babypause zurück. Das sind zwei sehr individuelle Standpunkte, und das Ziel ist es, uns schnell anzunähern und auf Topniveau zu kommen. Wir müssen uns jetzt auf den Weg fokussieren. Wir trainieren seit einer Woche zusammen, das tut total gut, es macht total viel Spaß. Alle weiteren Planungen starten jetzt erst.

Beachvolleyballerin Laura Ludwig in Aktion

Mit Laura Ludwig will Louisa Lippmann bei Olympia 2024 in Paris antreten.

Ihre einschneidende Entscheidung liegt nun ein paar Monate zurück. Haben Sie diese schon bereut?

Lippmann: Nein, noch gar nicht. Ich habe häufiger darauf gewartet, aber bisher ist das nicht passiert. Selbst bei solch einem Hamburger Wetter. Ich habe aber nie gedacht, dass ich meine Knieschoner und meine Hallenschuhe wieder anziehen wollte.

Das Interview führte Jörg Strohschein