Basketball | NBA Brooklyn-Nets-Profi Kyrie Irving: Der Buhmann der Bostonians

Stand: 21.04.2022 10:54 Uhr

In der ersten Playoff-Runde der Basketball-Profiliga NBA gilt das Duell Boston gegen Brooklyn als besonders interessant. Das liegt auch an Kyrie Irving. Er trifft auf sein ehemaliges Team - und wütende Fans.

Von Heiko Oldoerp

Kyrie Irving wollte nur noch weg. Raus aus der Halle, raus aus dem Blickfeld. Hinein in den Schutz der Katakomben und Kabine. Um ihn herum bejubelten 19.156 Fans im ausverkauften TD Garden den 114:107-Heimsieg der Boston Celtics im zweiten Spiel der Playoffs-Serie gegen die Brooklyn Nets.

"Wir haben keine Zeit, enttäuscht zu sein, sondern müssen künftig einfach besser sein", meinte der 30-Jährige, als er eine Stunde nach Spielschluss vor die Medien trat. Der bunte Pullover, den er dabei trug, war an diesem Mittwochabend das Auffälligste an ihm. Nur zehn Punkte hatte der Spielmacher erzielt, nur vier seiner 13 Würfe getroffen. Auch deshalb liegt Brooklyn in dieser mit Spannung erwarteten Serie nach zwei Niederlagen in Boston 0:2 zurück.

Siege gegen Irving als Rache und Genugtuung für Fans

Der Jubel der Celtics-Fans war nicht nur lautstark, sondern auch mit Häme verbunden. Häme für diesen Kyrie Andrew Irving. Ein Sieg der Celtics ist immer schön für die Anhänger der Grünen. Doch ein Sieg gegen Irving ist mehr. Er ist Rache - und vor allem Genugtuung. Irving weiß das, seitdem er im Sommer 2019 die Celtics Richtung Brooklyn verlassen hat.

Denn seitdem fühlen sich die Bostonians belogen und betrogen. Irving, der im Sommer 2017 von den Cleveland Cavaliers gekommen war, hatte schließlich vor dem ersten Heimspiel der Saison 2018/19 auf dem Parkett des TD Garden gestanden, dort, wo in der Mitte das Celtics-Zeichen aufgedruckt ist. Und er hatte unter dem Jubel der Menge gesagt: "Wenn ihr mich weiterhin haben wollt, dann plane ich, zu verlängern." Doch dann ging er trotzdem nach Brooklyn. Das haben sie ihm bis heute nicht verziehen - und das zeigen sie ihm bei jedem Gastspiel in Boston.

Noch unbeliebter als Alex Rodriguez

Als die Gäste am Mittwoch 24 Minuten vor Spielbeginn zum Aufwärmen in die bis dahin maximal zu einem Viertel gefüllte Halle kamen, begannen die Unmutsbekundungen von den Rängen. Der erste Korbleger. "Buuuuuh". Der zweite Korbleger. "Buuuuuh."

Im TV-Sender "NBC Sports Boston" hatten sie gefragt, wo Irving auf der Liste von "Boston’s größten Sport-Bösewichten" rangiere? Antwort: ganz oben. Noch vor Alex Rodriguez, dem ehemaligen Baseball-Profi der New York Yankees. Das muss man erstmal schaffen. Doch das liege vor allem daran, dass Irving die Rolle des "villain", also des Bösewichts, annehme, sie gerne spiele und auch Richtung Fans austeile, sagt Cedric Maxwell, einst jahrelanger Celtics-Profi (u.a. Finals-MVP 1981) und heutiger Radio-Experte.

50.000 Dollar Strafe für Mittelfinger Richtung Fans

Bei der 114:115-Niederlage in Spiel eins war Irving jedoch zu weit gegangen. Er hatte zwar stark gespielt und 39 Punkte erzielt. Doch er hatte auch zweimal den Fans den Mittelfinger ausgestreckt - und wurde dafür von der NBA mit einer Geldstrafe von 50.000 Dollar sanktioniert.

Irgendwann sei das Maß voll, hatte Irving seine Aktionen begründet. Allerdings hatte er dabei so viele Schimpfwörter benutzt, dass die TV-Stationen reichlich zu tun hatten, um jedes einzelne mit einem "Piep" zu versehen. Erst danach waren die Sequenzen jugendfrei - und somit sendbar.

Von Beginn an Beleidigungen von den Rängen

In der zweiten Partie waren gerade 15 Sekunden gespielt, da hallte es "Kyrie sucks, Kyrie sucks" durch die Arena. Selbst wer das Spiel mit geschlossenen Augen verfolgt hätte, hätte mühelos gewusst, wann Brooklyns Spielmacher mit der Rückennummer 11 am Ball ist. Mit zunehmender Spieldauer nahmen die Unmutsäußerungen jedoch ab. Die Gäste spielten zu gut und die Celtics zu fehlerhaft. Brooklyn lag zwischenzeitlich mit 17 Zählern (62:45) vorn - und führte zur Pause 65:55.

Doch als Boston in der 32. Minute auf 77:79 herangekommen war und Irving den Ball hatte, standen die Zuschauer sogar erstmals auf, um ihn niederzubrüllen. Und als er beim anschließenden Zug zum Korb erfolgreich gestoppt wurde, war der Lärm schlichtweg ohrenbetäubend. Egal, was Irving nun machte, ob er dribbelte, warf, oder sogar nur den Ball berührte - die Reaktionen waren immer gleich: "Buuuuuh". Es hatte was vom Pawlowschen Hund.

Statistik spricht gegen Brooklyn

In der Geschichte der NBA-Playoffs haben 93 Prozent der Teams die nächste Runde erreicht, die 2:0 in der Serie führten. "Boston macht es uns schwer, freie Würfe zu bekommen", sagt Irving. Kevin Durant, der zweite Superstar, betont, dass er ständig mehrere Celtics-Spieler um sich herum habe. Auch deshalb traf er am Mittwoch nur vier seiner 17 Würfe aus dem Feld.

Die nächsten beiden Partien haben die Nets Heimrecht. Experten gehen trotz des 0:2-Rückstandes von einer langen Serie aus. Sollte Brooklyn eines der kommenden beiden Spiele gewinnen, gäbe es am Mittwoch eine fünfte Partie in Boston. Kyrie Irving weiß, was das für ihn bedeutet.