Deshaun Watson, Cleveland Browns
analyse

Elf Spiele Sperre, aber "unschuldig" Deshaun Watson - billiger Versuch der Reinwaschung

Stand: 19.08.2022 19:12 Uhr

Nachdem die NFL und die Spielergewerkschaft die Sperre von Deshaun Watson auf elf Spiele ausgeweitet haben, hofften die Beteiligten auf Ruhe. Stattdessen gibt es den großen Aufschrei.

Als Deshaun Watson vor die Kameras tritt, ist ihm anzumerken, dass er erleichtert ist. Die NFL hat soeben mitgeteilt, dass seine Sperre wegen des Vorwurfs mehrfacher sexueller Belästigung von sechs auf elf Spiele erweitert wurde.

Zusätzlich muss er eine Geldstrafe in Höhe von fünf Millionen Dollar an Organisationen, die Opfer von sexueller Belästigung unterstützen, zahlen. "Ich habe jetzt Klarheit und freue mich darauf, nach vorne zu schauen. Mein Plan ist, weiter als Person zu wachsen und in meiner Karriere weiterzukommen", sagte Watson.

Sport soll wieder in den Fokus rücken

Es ist jedoch recht offensichtlich, dass der Plan noch ganz andere Facetten hat. Etwas mehr als zwei Wochen vor dem Start der neuen NFL-Saison sollen Watson und die Anschuldigungen von mehr als 20 Frauen, von ihm im Zuge von Massagen sexuell belästigt worden zu sein, die Schlagzeilen nicht mehr bestimmen. Back to Business. Der Sport im Rampenlicht. Doch der Plan geht nicht auf.

Zwar hat die NFL versucht, ein Zeichen zu setzen, in dem das von Richterin Sue Robinson ausgesprochene Urteil von sechs Spielen Sperre nochmal angehoben wurde. Dazu haben die NFL und Watsons Klub, die Cleveland Browns, angekündigt, weitere sieben Millionen Dollar an Organisationen für die Prävention von sexuellem Fehlverhalten und Übergriffen zu spenden.

Doch es ist offensichtlich nur der vergleichsweise billige Versuch, das Thema von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Man habe ja schließlich Härte gezeigt. Oder?

Watson selbst und die Browns, die enorm viel in ihren neuen Quarterback investierten, haben das gleiche Ziel und wollen die Person geradezu reinwaschen. In einem Statement schrieben die Browns, Watson habe sich, "seitdem er unser Gebäude betreten hat, als tolles Mitglied unserer Organisation präsentiert und echtes Engagement gezeigt, sowohl auf dem Platz als auch außerhalb an sich zu arbeiten. Wir werden ihn weiterhin unterstützen, während er sich darauf konzentriert, das Vertrauen unserer Community zu gewinnen."

Große Unterschiede zwischen schriftlicher Erklärung und mündlicher Aussage

Auch Watson veröffentlichte - kurz vor seinem Auftritt vor den TV-Kameras - eine Erklärung. Er entschuldige sich "noch einmal für alle Schmerzen, die diese Situation verursacht hat" und er "übernehme die Verantwortung für die Entscheidungen, die ich getroffen habe."

Was schriftlich als große Reue verstanden werden konnte, erwies sich kurz darauf im Angesicht der Journalisten als Kalkül. Da wiederholte Watson zwar seine Entschuldigung, auf die Nachfrage, ob diese direkt an die vermeintlichen Opfer gehe, wich er jedoch aus. "Ich möchte klarstellen, dass das an alle Frauen geht, die von dieser Situation getroffen wurden. Es gab eine Menge Personen, die diese Situation getriggert hat", so Watson.

Denn obwohl er schuldig gesprochen wurde und das erste Urteil sogar noch weiter angehoben wurde, sagte der 26-Jährige: "Ich habe immer meine Unschuld beteuert und habe immer gesagt, dass ich niemanden belästigt oder respektlos behandelt habe. Dabei bleibe ich." Zumal das Thema für ihn nun offenbar ad acta gelegt ist. "Ich muss jetzt zusehen, dass ich in meinem Leben und in meiner Karriere vorankomme", sagte er.

Schon im Vorfeld wurde mächtig gedealt

In den USA haben sich viele einflussreiche und berühmte NFL-Journalisten bereits recht entsetzt über das Urteil und anschließende Verhalten Watsons und der Browns geäußert. "Nichts von dem, was die Browns und was Watson in seiner schriftlichen Erklärung gesagt hat, stimmt mit dem überein, was Watson heute laut gesagt hat", twitterte Rich Eisen, Moderator der NFL-Network-Sendung "The Rich Eisen Show".

In einem Video, das Eisen dazu postete, äußert er ausführlich sein Unverständnis für die "Situation", wie Watson sie nennt. Warum spenden die NFL und die Browns Geld für die Prävention von sexuellem Fehlverhalten und Übergriffen, wenn Watson doch niemanden sexuell belästigt habe?

Und wenn er doch davon ausgangen sein müsste, nicht gesperrt zu werden, weil er unschuldig sei - warum handelten er und die Browns einen Vertrag aus, der ihn in der neuen Saison zum Geringverdiener und darüberhinaus zum Dollar-Krösus macht?

Verdächtiger Blick auf Watsons kommende Gehälter

Allein dieses Vertragskonstrukt war für viele schon ein Schuldeingeständnis. Die Browns zahlen Watson in den fünf Vertragsjahren insgesamt garantierte 230 Millionen Dollar. Doch die Verteilung ist mehr als verdächtig. Neben dem Bonus für die Unterschrift wird der Quarterback für seine Leistungen von 2023 bis 2026 jeweils mit jährlich 46 Millionen Dollar entlohnt.

2022 liegt sein Gehalt aber nur bei 1,035 Millionen Dollar. Er verliert durch seine Sperre nun ungefahr 600.000 Dollar, dazu kommen die fünf Millionen Dollar Strafe - 224,4 Millionen Dollar bleiben ihm dank des Konstrukts noch.

Bei allen Beteuerungen von Unschuld, Entschuldigungen an "alle Frauen", der Rückendeckung des Klubs ist nun die Frage: Sind angesichts dieser Fakten elf Spiele Sperre und eine Geldstrafe über fünf Millionen Dollar genug, um dieses Thema ruhen zu lassen?