Skispringen Die Skisprung-Bilanz: Das lief bei Geiger und Co. gut - das sind die Baustellen

Stand: 28.03.2022 15:41 Uhr

Diese Saison kann sich für die deutschen Skisprung-Männer sehen lassen - davon ist nicht nur Bundestrainer Horngacher überzeugt. Doch es gibt auch Baustellen. Unser Saisonfazit.

Als die letzten Sprünge der Saison geflogen waren und die letzten Interviews gegeben, waren die deutschen Skispringer erschöpft und erleichtert. Fast alle deutschen Skisprung-Adler waren am Sonntag (27.03.2022) im strahlenden Sonnenschein von Planica froh, dass dieser Winter nach 40 Wettkämpfen endlich vorbei war.

Karl Geiger: "Müde"

"Man merkt einfach, jeder ist müde", sagte Karl Geiger. "Die Akkus sind leer", konstatierte der sportliche Leiter der Skispringer, Horst Hüttel. Bundestrainer Stefan Horngacher resümierte, er habe zum Saisonfinale "ein lächelndes und ein weinendes Auge". Und Severin Freund, der am letzten Tag des Skispring-Winters seine Karriere beendet hatte, sagte: "Es ist der richtige Zeitpunkt. Danke. Es war wunderschön."

Horngacher: "Bei jeder Großveranstaltung Medaillen"

Die deutschen Springer sind froh, dass die Saison vorbei ist. Können Sie auch zufrieden sein? Ja, sagen Horngacher und Hüttel unisono: "Wir hatten unterm Strich eine gute Saison", sagt Hüttel. "Die Gesamt-Bilanz ist positiv", blickt Horngacher mit ähnlicher Grundstimmung auf die vergangenen vier Monate zurück. "Wir haben bei jeder Großveranstaltung eine Medaille oder zwei gewonnen."

Karl Geiger fliegt voran

Herausragender Springer bei den deutschen Männern war dabei einmal mehr Karl Geiger. Der 29-Jährige wurde Zweiter im Gesamt-Weltcup und trug dabei lange das Gelbe Trikot, der Oberstdorfer gewann Olympia-Bronze von der Großschanze, feierte vier Weltcupsiege und wurde in der Raw-Air-Tour Zweiter. Neben Geiger flog auch Markus Eisenbichler aufs Weltcup-Podest - nach einem Sturz im Sommer war der Bayer aber nicht so konstant wie in den Vorjahren.

Als Team holten die Deutschen zudem Bronze von der Großschanze und Silber bei der Skiflug-Weltmeisterschaft. "Es haben sechs verschiedene Leute eine Medaille gewonnen. Das ist auch außergewöhnlich", bilanzierte Honrgacher. In der Nationenwertung beendeten die Deutschen die Saison als Dritter – hinter Österreich und Slowenien und vor Norwegen.

Selbstzweifel und Rückzug

Große Konstante bei den Erfolgen war Karl Geiger. Den derzeit besten DSV-Adler zeichnet aus, dass er sich fokussieren und reflektieren kann. Sportlich hat sich der einstige "Kleinschanzen-Karle" spätestens mit dem Gewinn der Skiflug-WM 2021 auch zu einem Mann für die großen Schanzen entwickelt.

Ganz ohne Selbstzweifel ist aber auch der Oberstdorfer nicht. "Bei den Big Points bin ich so oft Zweiter geworden, aber gewonnen habe ich noch nicht so oft", sagte Geiger etwa niedergeschlagen und selbstkritisch, nachdem in Planica klar war, dass sich sein Traum vom Gesamt-Weltcup nicht mehr erfüllen würde.

Der unerfüllte Tournee-Traum

Auch ein anderer Traum blieb erneut unerfüllt. Der Traum vom ersten deutschen Vierschanzentournee-Sieg seit 2002. Auch hier war Geiger einer der Top-Favoriten, doch schon nach dem zweiten Springen musste er seine Sieg-Ambitionen begraben. "Bei uns sind ein, zwei Dinge nicht gut gelaufen. Der Karl hat sich dann etwas eingegraben, das war nicht optimal", sagte Horngacher nach der Tournee, die Geiger nur als Vierter beendete.

Mit etwas Abstand reflektierte Karl Geiger den Winter so: "Es war auch dieses Jahr so: Ich bin gut gestartet, dann bin ich schlechter geworden, weil ich in die falsche Richtung gegangen bin, und dann ist es auch wieder besser geworden."

Hüttel: "Fehlende Konstanz und mentale Frische"

Horngacher bilanziert für das gesamte Team, man habe sich "immer wieder aus einem Loch herausschaufeln müssen. Wir haben aber immer wieder bewiesen, dass wir das können." Hüttel sieht hier einen Ansatz für die Arbeit zum nächsten Winter.

"Wir werden uns ein paar methodische Dinge überlegen", sagt der Verbands-Funktionär im Deutschlandfunk und nennt zwei konkrete Punkte: "Eine Konstanz auf lange Sicht ist nötig" und am Beispiel der durchwachsenen Ergebnisse des Saisonfinales: "Es ist eine mentale Frische, die nicht mehr da ist."

Wellinger: "Saison kann morgen starten"

Die fast im gesamten Team nicht mehr da ist, müsste man korrekterweise ergänzen. Nur für einen könnte der Winter durchaus noch weitergehen: Andreas Wellinger hat nach einer langen verletzungsbedingten Leidenszeit zum Saisonfinale endlich wieder sein Fluggefühl entdeckt. "Ich bin voll motiviert und würde gern noch ein paar Flüge machen. Wir können morgen gern in eine neue Saison starten", sagte Wellinger in Planica.

Der 26-Jährige verpasste zu Beginn der Saison immer wieder das Finale der Top 30, musste bei Olympia zuschauen, flog zum Ende der Saison aber mit dem Team zu Silber bei der Skiflug-WM. Wie Welllinger konnte auch der ebenfalls von einem Kreuzbandriss genesene Stephan Leyhe punktuell überzeugen. Zudem sammelten mit Justin Lisso und Philipp Raimund zwei Nachwuchsspringer erste Weltcuppunkte.

Kommt der Tscheche Michal Dolezal?

Auf die beiden Höhepunkte des Winters 2022/23, die Vierschanzentournee und die Nordische Ski-Weltmeisterschaft in Planica, wird die deutschen Skispringer weiterhin Stefan Horngacher als Bundestrainer vorbereiten. Das sagte Hüttel am Rande des Saisonfinals in Planica.

Man arbeite zudem an einer weiteren Vertragsverlängerung mit dem Österreicher. Zusätzliche Unterstützung könnte aus dem polnischen Team kommen: Mit dem Tschechen Michal Dolezal, dessen Vertrag als Cheftrainer der Polen ausläuft, führt der Deutsche Ski-Verband Gespräche. Auch das bestätigte Hüttel in Planica.