Tischtennis in den USA Premiere nach 95 Jahren - erste Tischtennis-WM in den USA

Stand: 23.11.2021 10:19 Uhr

Großer Markt, große Hoffnungen. Die Tischtennis-WM in Houston ( 23.-29.11.21) ist die erste in der Geschichte auf dem amerikanischen Kontinent - ausgetragen in einem Land, in dem der Weltsport Tischtennis bisher nur den Status eines Exotensports hat.

"Noch nie habe ich zu Hause in den USA vor einem wirklich großem Publikum spielen können. Noch nie haben die Menschen hier wirkliches Weltklasse-Tischtennis live in der Halle erleben können. Diese WM könnte ein echter Augenöffner werden für viele Amerikaner", hofft Kanak Jha, der mit Abstand beste Spieler seines Landes. Einer, der die USA schon mit 15 Jahren verlassen musste, um in Europa seinen sportlichen Traum von einer Profikarriere zu verwirklichen. Bis auf Platz 22 in der Weltrangliste hat der US-Sportler es geschafft, dank ganz viel deutscher Unterstützung.

In Jhas Heimat spielen zwar geschätzt 17 Millionen Menschen in ihrer Freizeit gelegentlich Tischtennis, wettkampfmäßig betreiben den Sport aber nur etwa 9.000 Spieler. Und das in einem Land mit mehr als 330 Millionen Einwohnern. Es gibt keinen Ligabetrieb. Wer in den USA leistungsmäßig Tischtennis spielen will, der kann nicht einfach in einen Verein eintreten, weil es einfach kaum welche gibt.

Private Akademien statt Vereine

Stattdessen beherrschen private Tischtennis-Akademien den Markt. Gruppentraining, Einzeltraining, jede einzelne Stunde muss bezahlt werden. "Da können bis zu 40.000 US-Dollar pro Kind oder Spieler zusammenkommen, pro Jahr. Ohne einen finanzstarken familiären Hintergrund geht gar nichts“, schätzt Jörg Bitzigeio. Der ehemalige deutsche Frauen-Bundestrainer kennt sich ganz genau aus in Sachen Tischtennis in den USA. Von 2017-2019 arbeitete der gebürtige Andernacher als Sportdirektor des amerikanischen Verbandes, heute gehört er zur Leitung einer Tischtennisschule südlich von San Francisco in Kalifornien.

Das 888-Table Tennis Center ist nicht zufällig in der Bay Area angesiedelt - mittendrin im Silicon Valley. Denn dort leben besonders viele Menschen mit asiatischen Wurzeln. Und lediglich unter denen ist Tischtennis in den USA überhaupt stärker verbreitet, vor allem bei Chinesen und Indern. Menschen in deren ursprünglicher Heimat die Sportart große Popularität genießt.

Nur wenige Kilometer entfernt, hinterlässt bereits seit 15 Jahren ein weiterer Deutscher massive Spuren im amerikanischen Tischtennis, der frühere Nationalspieler Stefan Feth. Mit seinen chinesischen Schwiegereltern, beide ehemalige Weltmeister, betreibt der 41-Jährige ebenfalls eine private Tischtennisschule, die World Champions Table Tennis Academy. Als Feth anfing, gab es dort nur einen einzigen Tisch in einer ehemaligen Lagerhalle.

Seit 12 Jahren schon ist der Lahnsteiner nebenbei US-Nationaltrainer der Männer. Den heutigen Topspieler Kanak Jha entdeckte Feth, als der im Alter von fünf mit dem Sport begann, um seiner älteren Schwester Prachi nachzueifern. Bei Olympia in Rio 2016 war Kanak Jha mit damals 16 Jahren das jüngste Mitglied der amerikanischen Olympia-Mannschaft.

Ziel Olympia, aber keine Profikarriere

"Für viele US-Nachwuchssportler ist die Olympiateilnahme der große sportliche Traum. Dorthin zu kommen ist im Tischtennis gar nicht so schwer. Die US-Mannschaft muss sich nur im direkten Duell gegen Kanada durchsetzen, das reicht für die Qualifikation. Allerdings brauchen die Nationalspieler dafür nicht mal das Niveau der 2. Bundesliga in Deutschland", so das Urteil von Jörg Bitzigeio.

Dabei sind die US-Sportler im Nachwuchs international durchaus erfolgreich, viele beenden aber ihre Karriere bereits mit 17, nach Abschluss der Highschool vor dem Beginn der College-Ausbildung. "Die Idee einer Profi-Karriere im Tischtennis existiert in den Köpfen der jungen Sportler meist gar nicht, weil Tischtennis an den Colleges praktisch nirgendwo gefördert wird. Und auch beim Verband fehlen die Strukturen dafür", sagt der ehemalige Sportdirektor.

Wechsel nach Europa als einzige Chance

Deswegen haben die beiden deutschen Trainer ihrem größten Talent, Kanak Jha,  2015 auch den Weg nach Europa geebnet, als der gerade Mal 15 Jahre alt war. Mit seiner älteren Schwester Prachi zog er zunächst für zwei Jahre nach Halmstad in Schweden, mit 17 wechselte Jha nach Deutschland, wo er seitdem lebt. "Ich habe mir damals gar nicht so viele Gedanken über die Reichweite meiner Entscheidung gemacht, ich liebte den Sport einfach so sehr. In den USA kannst Du im Tischtennis durch das Privat-Training bis auf ein bestimmtes Level kommen, danach aber fehlt Dir die tägliche Konkurrenz im Training um es wirklich bis in die Weltspitze zu schaffen. Und das wollte ich", beschreibt der beste US-Spieler seine Motivation. Allerdings sei es gerade in der Anfangsphase extrem hart gewesen.

Doch für Kanak Jha hat sich das Wagnis ausgezahlt. Heute gehört der 21 Jährige beim deutschen Top-Klub TTF Ochsenhausen zu den Leistungsträgern und freut sich auf die erste WM in seiner Heimat. Kanak Jha ist das amerikanische Gesicht der Weltmeisterschaft im texanischen Houston. In einem Land, das den Tischtennissport erst noch für sich entdecken muss.