Schwimmen | Sexualisierte Gewalt Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen - Lurz akzeptiert Bewährungsstrafe

Stand: 18.02.2022 18:50 Uhr

Der Strafbefehl gegen Ex-Schwimmtrainer Stefan Lurz ist rechtskräftig. Das Amtsgericht Würzburg hatte eine Haftstrafe von sechs Monaten verhängt und diese zur Bewährung ausgesetzt.

Es ging um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer schutzbefohlenen Athletin in zwei Fällen. Diese Taten hatte der Verurteilte laut Staatsanwaltschaft eingeräumt und gegen den erlassenen Strafbefehl keine Beschwerde eingelegt - weder gegen das Strafmaß, noch gegen die Bewährungsauflagen. Im Zusammenhang mit den Aussagen weiterer Athletinnen hat das Gericht die Tatvorwürfe eingestellt.

Berufsverbot während der Bewährungszeit

Vor allem mit einer der Bewährungsauflagen hat das Amtsgericht Würzburg Fakten geschaffen: Während seiner dreijährigen Bewährungszeit darf der Verurteilte nicht als Schwimmlehrer tätig werden, weder haupt- noch ehrenamtlich. In den bisher bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt im Sport ist ein solches Berufsverbot die absolute Ausnahme.

Beobachtungen zeigen: Gerichte kennen die Sportstrukturen nicht und gehen häufig davon aus, schon durch Ermittlungen im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen sei der Ruf des Verurteilten so beschädigt, dass er im Sport danach nie mehr tätig werden könne. Diese Annahme hat sich in einigen Fällen, die dieser Redaktion bekannt sind, als falsch herausgestellt.

Betroffene enttäuscht

Der Fall war vor einem Jahr ins Rollen gekommen. Mehrere Schwimmerinnen hatten im "Spiegel" Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Stefan Lurz erhoben, die teilweise länger zurücklagen. Dabei ging es unter anderem um Anschuldigungen, die eine Athletin nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2014 dem DSV mitgeteilt hatte. Aufgrund des Artikels im "Spiegel" hatte die Staatsanwaltschaft Würzburg Ermittlungen aufgenommen.

Einer der Betroffenen geht ein dreijähriges Berufsverbot nicht weit genug. Sie ist von dem Strafbefehl enttäuscht: "Unser Ziel war immer, dass Stefan Lurz nie wieder etwas mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat", schildert die ehemalige Schwimmerin im Gespräch mit sportschau.de ihre Beweggründe, vor einem Jahr an die Öffentlichkeit zu gehen: "Das, was uns am meisten geholfen hätte, wäre ein lebenslanges Berufsverbot gewesen". Dazu ist es von der strafrechtlichen Seite her nicht gekommen.

Ob sich der Verurteilte an die gerichtlichen Auflagen hält, prüft nach Angaben von Frank Glöckner, Pressesprecher des Amtsgerichts Würzburg, ein Bewährungshelfer "durch die Überwachung des Verurteilten und die Berichte über seine Lebensführung an das Gericht". Die Auslegung der Auflagen und damit auch mögliche Verstöße sei Sache des Gerichts und müsse im Einzelfall entschieden werden, so der Behördensprecher gegenüber sportschau.de. Für den Fall, dass der Verurteile sich nicht an die Bewährungsauflagen hält, droht ihm Gefängnis.

Eintrag im erweiterten Führungszeugnis

Mindestens in den kommenden drei Jahren darf der Würzburger Stefan Lurz im deutschen Schwimmsport also nicht als Trainer tätig werden. Der Deutsche Schwimmverband erklärte auf Anfrage, sobald ihm das Urteil vorliege, werde er im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten, seine Mitglieder informieren. Theoretisch wäre so gewährleistet, dass der Verurteilte nicht als Trainer tätig wird.

Und selbst wenn Verbände oder Vereine von diesen Bewährungsauflagen nichts erfahren haben - ein Blick in das erweiterte Führungzeugnis genügt. Dort sind alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aufgeführt, die eine Bewährungsstrafe von drei Monaten überschreiten. Laut Gesetz müssen auch Sportorganisationen Einsicht in das erweiterte Führungszeugnis eines Bewerbers oder einer Bewerberin nehmen, wenn die Person in engem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen tätig werden soll. Nach dem nun rechtskräftigen Strafbefehl gegen Stefan Lurz wird es jetzt zu einem entsprechenden Eintrag in seinem erweiterten Führungszeugnis kommen.

Für den deutschen Schwimmverband ist das Thema damit aber noch lange nicht beendet. Der DSV hatte im März vergangenen Jahres seinen Sportdirektor Thomas Kurschilgen fristlos entlassen. Gründe nannte der DSV damals nicht. Erst im Zuge einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Kurschilgen und dem DSV wurde vor zwei Wochen bekannt: Der Umgang des Sportdirektors mit den 2019 gegen Lurz erhobenen Missbrauchsvorwürfen war der Grund für die Kündigung durch den DSV. Kurschilgen wehrt sich gegen die Vorwürfe der Pflichtverletzung und geht gerichtlich gegen die Kündigung vor. Ein Ende dieses Verfahrens ist nicht in Sicht.

Fall Lurz für Schwimmverband noch nicht abgeschlossen

Und auch der Fall Stefan Lurz ist für den DSV noch nicht abgeschlossen. Er muss sich mit der Zukunft seines ehemaligen Mitarbeiters als auseinandersetzen: "Der Deutsche Schwimmverband wird den rechtlichen Rahmen vollumfänglich ausschöpfen, um eine Trainertätigkeit von Herrn Lurz in der Zukunft auszuschließen", schreibt der Verband auf Anfrage.

Mit dem durch das Amtsgericht Würzburg ausgesprochenen dreijährigen Berufsverbot gegen Lurz hat der DSV jetzt eine juristische Grundlage, auf der er nun eine sportrechtliche Entscheidung treffen kann. Laut Regelwerk kann der Verband zum Beispiel eine Trainerlizenz dauerhaft entziehen und so einem einschlägig Vorbestraften den beruflichen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen verwehren. Das hänge allerdings von der Schwere der Tat ab, teilt der Verband mit und erklärt, auch für diese Entscheidung werde beim Gericht Akteneinsicht beantragt.

Weiter schreibt der Verband, er habe nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe "umgehend interveniert" eine "umfassende interne Aufarbeitung eingeleitet". So seien auch Gespräche im Stützpunkt Würzburg geführt worden, "um Strukturen und Prozesse eingehend auf den Prüfstand zu stellen". Die Informationen und die Erkenntnisse aus den Gerichtsakten würden dabei unterstützen, "aus den Vorkommnissen zu lernen und gegebenenfalls weitere Konsequenzen ziehen".

Nach Ansicht der betroffenen Schwimmerin sind die Konsequenzen klar: "Ich fordere vom DSV, dass er Stefan Lurz die Trainerlizenz lebenslang entzieht", erklärt sie im Gespräch mit sportschau.de und "dass Vorwürfe von Betroffenen im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen in Zukunft ernst genommen werden".

Sexueller Missbrauch im Sport - Das große Tabu

Andrea Schültke, Sportschau, 13.07.2019 19:05 Uhr