Der amtierende Schachweltmeister Magnus Carlsen schaut auf das Schachbrett.

"Leute können eigene Schlüsse ziehen" Carlsen äußert sich erstmals nach Schach-Eklat mit Niemann

Stand: 22.09.2022 15:44 Uhr

Schach-Weltmeister Magnus Carlsen hat sich erstmals seit dem Streit mit dem US-Teenager Hans Niemann geäußert, konkrete Betrugsvorwürfe aber erneut vermieden.

In einem Interview des Veranstalter-Portals "chess24" antwortete Carlsen auf die Frage, weshalb er die Partie gegen den 19 Jahre alten US-Amerikaner am Montagabend beim Onlineturnier "Julius Bär Generation Cup" nach nur einem Zug aufgegeben hatte: "Leider kann ich mich dazu nicht äußern, aber die Leute können ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen und das haben sie auch getan."

In der Schach-Szene wurde Carlsens plötzlicher Ausstieg beim "Sinquefield Cup"-Präsenzturnier in St. Louis nach einer unerwarteten Niederlage gegen Niemann als Betrugsvorwurf gegen den talentierten US-Teenager gedeutet. Angeheizt wurden die Spekulationen unter anderem durch den amerikanischen Großmeister Hikaru Nakamura, der mit seinen Online-Streams ein Millionenpublikum erreicht.

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Beweise für einen Betrug Niemanns beim Präsenzturnier in St. Louis liegen aber nicht vor. Auch Experten analysierten, dass Carlsens Niederlage gegen Niemann vermeidbar war, hätte der 31-Jährige einfach bessere Züge gespielt.

Weltmeister mit Motivationsproblemen

Der Norweger, der seit 2013 Schach-Weltmeister ist, hatte zuletzt häufiger mit Motivationsproblemen zu kämpfen. Da er keine sportliche Herausforderung darin sehe, seinen WM-Titel erneut zu verteidigen, werden 2023 der Russe Ian Nepomniachtchi und Chinese Ding Liren den Titel unter sich ausmachen.

Für sein jüngstes Verhalten erntet Carlsen durchaus auch Kritik aus der Schach-Szene. Die britische Schachmeisterin Jovanka Houska spricht von einer "Hexenjagd" gegen einen Teenager, die angestacht wurde. Carlsens Nationalmannschafts-Kollege Jon Ludvig Hammer forderte im norwegischen TV Sanktionen sogar gegen seinen Landsmann: "Absichtlich zu verlieren ist ein absolut inakzeptables Verhalten. Es ist das Unsportlichste, was man im Leistungssport machen kann."

Niemann würde sogar nackt Schach spielen

In einem emotionalen Interview hatte Hans Niemann zuletzt zugegeben, bei zwei Gelegenheiten als junger Teenager bei Online-Partien betrogen zu haben, nie jedoch in Präsenz am Brett. "Wenn sie wollen, dass ich mich völlig nackt ausziehe, werde ich es tun", so Niemann, der beteuerte: "Ich weiß, dass ich sauber bin." Dass der größte Schach-Eklat der letzten 15 Jahre immer skurrilere Züge annimmt, zeigt die Tatsache, dass eine Website Niemann tatsächlich eine Million Dollar geboten haben soll, um unbekleidet Schach zu spielen.

Ob der talentierte US-Profi tatsächlich nur zweimal bei Onlinepartien betrogen haben soll, ist unklar. Im Rahmen der Vorwürfe beim "Sinquefield Cup" sperrte die größte Schach-Plattform der Welt, Chess.com, seinen Account, da es Beweise gäbe, die für häufigeren Betrug sprechen würden. Mehr ins Detail gingen die Betreiber der Plattform bis dato nicht.

Carlsen: "Sehr beeindruckt von Niemanns Spiel"

Zu Niemann sagte Carlsen am Mittwoch lediglich: "Ich muss sagen, dass ich von Niemanns Spiel sehr beeindruckt bin und ich denke, dass sein Mentor Maxim Dlugy einen großartigen Job gemacht haben muss." Nachfragen, warum er den in Moskau geborenen US-Großmeister in diesem Zusammenhang erwähnte, wollte Carlsen nicht kommentieren. Gegen den 56-Jährigen wurden vor Jahren ebenfalls Betrugsvorwürfe bei Online-Schachpartien erhoben. Inwieweit Dlugy wirklich ein aktive Mentoren-Rolle für Niemann einnimmt, ist unklar.

Carlsen könnte sich bald konkreter äußern

"Ich hoffe, dass ich nach dem Turnier etwas mehr sage", kündigte Carlsen an. Wahrscheinlich spielen auch juristische Gründe eine Rolle, warum der Norweger derzeit noch nicht weiter ausholt.

Ob Betrug ein generelles Problem im Schach sei, kommentierte er wie folgt: "Ich denke, dass jeder Einzelne die Frage je nach seinen eigenen Erfahrungen anders beantworten wird." Es sei leicht "zu betrügen, und generell denke ich, dass Betrüger in Zukunft nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten, weder online noch am Spielbrett."

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