Ein Spieler der Deutschen Rugbynationalmannschaft in Aktion.

Weit weg von Profisport Rugby - der endlose Weg des deutschen Nationalteams

Stand: 19.09.2023 14:04 Uhr

Während in Frankreich die Rugby-WM läuft, schaut Deutschland nur zu. Das ist nicht ungewöhnlich - und die Perspektiven geben wenig Anlass zu Hoffnung.

In Paris kommen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des deutschen Rugby gerade auf wundersame Weise zusammen. Im Norden, im berühmten Stade de France, wird Ende Oktober das Finale um die gerade laufende WM gespielt.

Im Westen wird das futuristische Rugby-Stadion Jean-Bouin das Deutsche Haus bei den Sommerspielen im kommenden Jahr beherbergen. Bei beiden Großereignissen ist eine deutsche Mannschaft, wie üblich, nicht dabei - und doch irgendwie schon.

Ein-Mann-Show ist Geschichte

Jahrelang wurde das deutsche Rugby von Unternehmer Hans-Peter Wild gesponsert und geleitet - das ist seit geraumer Zeit Geschichte. Nach der Ära Wild und weiteren Turbulenzen im Verband startete man praktisch bei null. Langsam kämpft man sich beim DSV wieder nach oben - auch sportlich.

Das EM-Turnier, bei dem die WM-Teilnehmer Georgien, Rumänien und Portugal vertreten waren, beendete man auf Rang sechs. Achtbar, doch von einer WM ist man praktisch Lichtjahre entfernt. "Es fehlt in Deutschland unter anderem an professionellen Strukturen, um eine realistische Chance zu haben, an der WM teilzunehmen", formuliert es der heutige Sportdirektor Manuel Wilhelm.

Sponsoren nicht in Sicht

Übersetzt heißt das: Es fehlen große Sponsoren. Um mittelfristig eine realistische Chance auf eine WM-Teilnahme zu haben, benötigt es fünf bis zehn Millionen Euro pro Jahr. Damit ließe sich so etwas wie eine professionelle Nationalmannschaft aufstellen. 35 Spieler erhielten ein ordentliches Gehalt, Betreuer könnten angestellt und professionelle Trainingsmöglichkeiten geschaffen werden. Hinzu kämen Reisen zu den besten Teams der Welt. "Und dieser Rahmen wäre im Vergleich mit großen Rugby-Nationen noch verhältnismäßig klein", betonte Wilhelm.

Momentan ist es schlicht nicht erstrebenswert, in Deutschland Rugby zu spielen. "Es gibt keine richtige Karrierechance", sagte Wilhelm. Man müsse alles dem Sport unterordnen, womöglich seine Gesundheit riskieren und eine körperliche Transformation durchleben, "nach der man wie eine Mischung aus Judoka und Gewichtheber" aussehe. "Und das alles für ein paar Hundert Euro. Das funktioniert nicht", erklärte Wilhelm.

Talente wandern ab

Das führt dazu, dass die besten Spieler meistens nicht für die Nationalmannschaft auflaufen. Der 22 Jahre alte Frankfurter Anton Segner ist nach Neuseeland übergesiedelt und kann sich sogar berechtigte Hoffnungen machen, einmal für die berühmten "All Blacks" aufzulaufen. Nach den Regeln des Weltverbandes ist das möglich, wenn man fünf Jahre in dem betreffenden Land zugebracht hat. Der ein Jahr jüngere Oscar Rixen versucht denselben Schritt in Frankreich.

Andere Legionäre sind ebenfalls nicht im Nationaltrikot zu sehen - aus finanziellen Gründen. Sie müssen in ihren jeweiligen Klubs immer wieder um den nächsten Vertrag kämpfen. Die besten Einsatzchancen gibt es, wenn die Top-Spieler bei ihren jeweiligen Nationalteams sind. "Da ist es nachvollziehbar, dass sie bei ihren Klubs bleiben. In der Nationalmannschaft spielt man für die Ehre, aber das macht den Kühlschrank nicht voll", sagt Wilhelm.

7er Rugby als Chance

Eine WM-Teilnahme, glaubt Wilhelm, würde dem deutschen Rugby womöglich zu einem großen Sponsor verhelfen. Realistischer ist es jedoch, einmal an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Denn die 7er-Auswahl besteht aus den einzigen Profis, die man derzeit in Deutschland hat. Davon könnte auch die um die WM-Qualifikation spielende 15er-Auswahl eines Tages profitieren.