Besetzung Deutschland-Achter Rudern - Umbruch im Deutschland-Achter

Stand: 25.04.2022 14:16 Uhr

Nach den Olympischen Spielen in Tokio machen im Deutschland-Achter nur drei Athleten weiter. Das Paradeboot der deutschen Ruderer muss neu zusammengestellt werden - die Chance für junge Athleten.

Man stelle sich Folgendes vor: Aus dem Kader des FC Bayern München würden nach dieser Saison Manuel Neuer, Niklas Süle, Thomas Müller, Joshua Kimmich und Robert Lewandowski ihr Karriereende bekannt geben. Außerdem hätte Julian Nagelsmann genug vom "Trainerdasein" - die Stamm-Formation der nächsten Saison müsste aus dem vorhandenen Spieler-Pool zusammengestellt werden. Alphonso Davies, Tanguy Nianzou, Jamal Musiala, Josip Stanisic und Paul Wanner gehören plötzlich jeden Spieltag zur Startelf. Unvorstellbar?

Aber so, oder so ähnlich, muss man sich momentan die Neubesetzung des Deutschland-Achters vorstellen. Im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes (DRV) haben vier von acht Ruderern nach Olympia 2021 aufgehört, einer ist in den Skull-Bereich gewechselt, und der Mann an den Steuerseilen, Martin Sauer, hatte nach über zwölf Jahren auch "die Nase voll".

Es ist der größte Umbruch seit langem. Zuletzt war die Situation nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking vergleichbar.

Auswahl für den Deutschland-Achter am Stützpunkt in Dortmund

Seit dem vergangenen Herbst werden in Dortmund am Stützpunkt des "Teams Deutschlandachter" insbesondere junge Ruderer aus dem U23-Bereich auf die kommenden Aufgaben und Herausforderungen systematisch vorbereitet; man könnte auch sagen: Es findet eine Selektion statt - und die hat es in sich!

Am Dortmund-Ems-Kanal liegt das Trainingszentrum, gleich nach den Olympischen Spielen 2021 wurde hier vorselektiert. Wer ist stark genug, um im Nationalkader seine Leistungsfähigkeit dem Bundestrainer zu präsentieren? Uwe Bender (63) hat das Amt 2016 von Ralf Holtmeyer übernommen. Zuvor gehörte er schon zum Trainer-Team, hat sich um die Leichtgewichts-Riemenruderer gekümmert.

DRV-Frühjahrs-Langstrecke in Leipzig ist Grundlage der Selektion

Während des Winters wurde zwar schon viel im Achter gefahren, dabei wurden aber des Öfteren unterschiedliche Boots-Kombinationen ausprobiert. Welche Ruderer sind teamfähig, wer kann besonders gut mit anderen rudern? Wer ist Leitwolf? Die Chemie im Boot muss stimmen, sonst nützen auch die besten Ergometer-Werte nichts.

Ans Eingemachte ging es Anfang April bei der DRV-Frühjahrs-Langstrecke in Leipzig. Gefordert wurden 6.000 Meter auf dem Wasser im Zweier und zusätzlich 2.000 Meter auf dem Ergometer. "Die physische Leistungsfähigkeit der Ruderer ist ein sehr wichtiges Kriterium. Physische Stärke muss sein", sagt Bender. Die Ergometer-Zeit fließt ganz stark in die Gesamtbeurteilung des Athleten ein; wer die 2.000 Meter unter sechs Minuten schafft, hat schon mal einen kleinen Schritt Richtung Deutschland-Achter getan.

Entscheidung nach deutschen Kleinboot-Meisterschaften in Krefeld

Nächste Station der Selektion: Eine gute Platzierung im Zweier bei den deutschen Kleinboot-Meisterschaften am vergangenen Wochenende (22.-24.April 2022) in Krefeld auf dem Elfrather See. Es ist das Kriterium, dem am meisten Gewicht bei der Findung des Deutschland-Achters beigemessen wird. 

Hier gewann der Zweier mit Olaf Roggensack und Mattes Schönherr überlegen das A-Finale der besten sechs Boote. Die Kombination aus Berlin und Potsdam (RC Tegel/RC Potsdam) dominierte in ihren Läufen, und auch die weiteren Podiumsplätze gingen an Ruderer vom "Team Deutschlandachter" (Wolf-Niclas Schröder/Torben Johannesen – Platz 2; Benedict Eggeling/Jasper Angl – Platz 3). "Wir werden jetzt schauen, wie wir uns zusammenfinden, und das Bestmögliche daraus machen. Aber für Olaf und mich sieht es jetzt erst einmal sehr gut aus, was einen Rollsitz im Deutschland-Achter betrifft", erklärte Mattes Schönherr.

Enttäuschend verlief dagegen das Wochenende für ein weiteres Boot aus Dortmund. Die auf dem Elfrather See heimische Crew Julian Garth/Laurits Follert (Crefelder Ruder-Club), erreichte nur Platz 4 im B-Finale (insgesamt Rang 10).

Deutschland-Achter muss nach Olympia in Tokio komplett neu aufgebaut werden

Nach den gezeigten Leistungen der Sportler haben nun Riemen-Bundestrainer Uwe Bender und sein Trainerteam die Qual der Wahl. Die junge Garde aus dem U23-Bereich hat gezeigt, dass der Umbruch im Achter gelingen kann. "Die jüngeren Ruderer, die hauptsächlich in Dortmund trainieren, haben insgesamt eine gute Entwicklung gezeigt. Als ich Ihnen schon vergangenes Jahr Hoffnungen gemacht habe, dass sie durchaus realistische Chancen auf den Deutschland-Achter haben, sind alle hochmotiviert an die Sache rangegangen", erklärte Bundestrainer Bender.

Und Jasper Angl aus dem U23-Bereich ergänzte: "Es ist ein Neuaufbau: Nach Tokio haben nicht viele weitergemacht. Es gibt jetzt viele junge (Sportler) im Team, da ist es eben jetzt unsere tragende Aufgabe, das Team wieder auf dieses Top-Level zu bringen. Aber die Aufgabe ist nicht ganz so einfach."

Top-Ruderer fehlen während der WM

Zum Saisonhöhepunkt, der WM im September, muss Uwe Bender höchstwahrscheinlich auf zwei seiner erfahrensten Ruderer verzichten, was die Besetzung für den Achter nicht einfacher macht. Olaf Roggensack und Laurits Follert werden von der Bundespolizei gefördert; für beide stehen ab dem 1. September wichtige Prüfungen an, beide werden sehr wahrscheinlich nicht an der Weltmeisterschaft teilnehmen können.

Also muss ein weiterer Zweier die Lücke schließen. Und Bender muss sich entscheiden, ob er mit Saisonbeginn die Entscheidung trifft, auf zwei seiner besten Ruderer bei den anstehenden Weltcups und den European Games in München zu verzichten, damit sich das Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes (DRV) gezielt auf die WM vorbereiten und "einrudern" kann.

Zum ersten Mal ernst wird es am Wochenende 14. und 15. Mai, dann findet in Essen auf dem Baldeneysee die Internationale Hügelregatta statt, bevor dann vom 17. bis 19. Juni der Weltcup im polnischen Poznan weitere Erkenntnisse bringen wird.