Timo Gerach im Gespräch mit Marcus Thuram

Fußball | Hintergrund Schiedsrichter Timo Gerach: "Lebensziel Bundesliga erreicht"

Stand: 23.06.2023 08:55 Uhr

Timo Gerach aus Landau ist ab der Saison 2023/24 Teil der Schiedsrichter-Elite in der Bundesliga. Damit war nach einem schweren Bandscheibenvorfall vor neun Jahren nicht zu rechnen.

Während die meisten Bundesliga-Fußballer noch im Urlaub die Füße hochlegen, schuftet Schiedsrichter Timo Gerach aus Landau bereits für das nächste große Abenteuer seiner Karriere. Der 36-Jährige geht in seine erste vollständige Bundesliga-Spielzeit als Referee. Für ihn etwas ganz Besonderes: "Ein Riesen-Ziel, mein Lebensziel, habe ich erreicht. Als ich den Anruf bekam, war das schon surreal", so Gerach im Interview mit SWR Sport. "Die letzten Wochen habe ich wirklich genossen, aber ich blicke jetzt nach vorne. Ich habe unglaublich viele spannende Spiele vor mir, in denen ich mich in der Bundesliga beweisen möchte."

Zweimal leitete Gerach bisher Spiele in der höchsten deutschen Spielklasse. In der 2. Bundesliga griff er bisher 74mal zur Pfeife. In beiden Ligen werden in der kommenden Saison weitere Einsätze hinzukommen. Bei der Art seiner Spielleitung will sich der Pfälzer nach dem Aufstieg treu bleiben. Für ihn wäre es "der falsche Weg", seine Linie zu verändern. "Das, was ich bisher gezeigt habe, hat mich stark gemacht", sagt Gerach. Seine gute Körpersprache und sein Auftreten gelten als seine Stärken. Mit einer Größe von 1,91 Metern überragt er viele Bundesliga-Spieler, trotzdem versucht Gerach, allen Spielern auf Augenhöhe zu begegnen - und schätzt Spieler, die das auch bei ihm tun.

Rückkehr nach schwerem Bandscheibenvorfall

"Die liebsten Spieler sind mir die, die mich auf dem Spielfeld nicht als Schiedsrichter sehen, sondern als Timo", erklärt Gerach, für den ein ordentlicher Umgang auf dem Feld essenziell ist. "Es ist doch schön, wenn wir uns auf dem Feld schön austauschen können, wenn es um die Sache Fußball geht." Vor neun Jahren war indes alles andere als klar, dass Gerach sich irgendwann mit Bundesliga-Spielern auf dem Spielfeld austauschen würde.

YouTube-Video von SWR Sport Fußball : "Bundesliga-Schiedsrichter: Traum erfüllt für Timo Gerach | SWR Sport"

Nach einem Bandscheibenvorfall rückte die Schiedsrichterei vorerst in den Hintergrund. "Das war Wahnsinn. Ich bin morgens aufgestanden und hatte das Gefühl, dass 200 Messer in meinen Oberschenkeln und meinem Rücken stechen", erinnert sich Gerach. "Ich saß drei Tage im Rollstuhl, weil ich mein rechtes Bein nicht mehr gespürt habe und es nicht mehr ansteuern konnte." Die Reha zog sich über ein Dreivierteljahr, in dem Gerach die einfachsten Dinge komplett neu lernen musste. "Ich war acht Stunden am Tag in der Reha, musste lernen die Muskeln anzusteuern, das Becken zu stabilisieren und zu laufen", sagt Gerach, für den damals die Rückkehr auf den Platz das große Ziel blieb.

Bundesliga-Aufstieg dank Familien-Unterstützung

Dass diese Rückkehr durch Gerachs "unglaublichen Fokus und Willen" jetzt sogar im Bundesliga-Aufstieg gipfelt, macht den Schiedsrichter stolz: "Ich bin Freund davon, auch im Erfolg demütig zu bleiben und dankbar zu sein für alles, was ich erreicht habe. Auch für mein Team und meine Familie, die mich unterstützen." Ein Riesenlob geht vor allem an seine Liebsten. Obwohl Gerach fast jede Familien- oder Geburtstagsfeier an den Wochenenden verpasst, "melden sie sich immer wieder, stärken mir den Rücken und sind für mich da", ist Gerach froh über das Verständnis aus seinem Umfeld.

Immerhin ist die Schiedsrichterei sein Hauptberuf. Anders als viele andere Schiedsrichter, die die Pfeife nur nebenbei zur Hand nehmen, hat Gerach seinen Beruf als Betriebswirt im elterlichen Unternehmen an den Nagel gehängt. "Ich habe die Schiedsrichterei in den Mittelpunkt gestellt und ich sehe die Fortschritte, die ich dadurch machen konnte." Voller Fokus auf das Pfeifen - und der Fokus der Öffentlichkeit richtet sich dadurch nun auf Gerach. "Das Spotlight auf Bundesliga-Spielen ist ein ein anderes", vergleicht Gerach die Unterschiede zwischen Spielen in der Bundesliga und der 2. Liga. "Die Wahrnehmung ist anders. Wir Schiedsrichter haben es am liebsten, wenn niemand über uns redet, dann haben wir meistens eine gute Leistung gezeigt", sagt Gerach, der aber auch weiß, dass er im großen Scheinwerferlicht nicht fehlerfrei bleiben wird.

Gerach: "Werde Fehler machen"

"Natürlich werde ich Fehler machen, ich bin auch nur ein Mensch. Es ist wichtig, damit richtig umzugehen", erklärt der gebürtige Landauer. Der Schlüssel für ihn: nicht verkrampfen, eine gewisse Lockerheit behalten und körperlich top-vorbereitet sein. "Ich bin wie ein Fußballer, nur ohne Ball", sagt der Referee, der sich in allen Bereichen weiter verbessern will, um eines zu erreichen: möglichst lange Bundesliga-Schiedsrichter zu bleiben. Und dafür schuftet er schon jetzt in der Vorbereitung.