Kevin Behrens steht vor seinem Debüt im DFB-Trikot

Spätberufener kickte einst in Sandhausen Kevin Behrens: Vom Hardtwald nach Hartford

Stand: 12.10.2023 13:14 Uhr

Kevin Behrens steht vor seinem ersten Länderspiel im DFB-Trikot. Bis 2021 spielte er noch beim SV Sandhausen in der 2. Liga. Seine phänomenale Entwicklung war so nicht abzusehen.

Die Entwicklung von Kevin Behrens ist bemerkenswert. Der wuchtige Stürmer von Union Berlin wurde vom neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann in den Kader für die beiden Länderspiele des DFB-Teams in den USA und in Mexiko berufen. Wenn alles gut läuft für den 32-Jährigen, wird er in einem der beiden Spiele sein erstes A-Länderspiel machen. Das war ihm tatsächlich vor noch gar nicht allzu langer Zeit überhaupt nicht zuzutrauen.

In Sandhausen eher Ergänzungsspieler

Die Karriere von Kevin Behrens ist keine, wie sie Bilderbuch steht. Er ist kein Abziehbild des modernen Fußballprofis. Keiner, dem schon früh eine Karriere im Nationalmannschaftstrikot vorausgesagt wurde - ganz im Gegenteil. In der Jugend kickte er für Werder Bremen. Von dort ging es 2011 für ein Jahr nach Willhelmshaven in die Regionalliga, danach wechselte er oft den Verein.

Als seine heutigen DFB-Teamkollegen Thomas Müller und Mats Hummels 2014 Weltmeister wurden, kickte er in der Regionalliga, in der zweiten Mannschaft von Hannover 96. Alemannia Aachen, Rot-Weiss Essen und der 1. FC Saarbrücken waren weitere Stationen auf seinem steinigen Pfad nach oben. "Der Weg, den ich hinter mir habe, hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin", sagt Behrens und dankt seiner Frau: "Sie hat mich immer unterstützt, auch in schweren Zeiten. Sie hat alles mitgemacht, von Wilhelmshaven bis jetzt in Berlin."

Erst 2018, mit seinem Wechsel zum SV Sandhausen in die 2. Liga, packte er den Sprung in den Profifußall. Und ganz ehrlich: Viele, auch der Autor dieser Zeilen, dachten sich: "Was wollen die denn mit dem?"

Kevin Behrens im Trikot des SV Sandhausen im Mai 2021

Kevin Behrens im Trikot des SV Sandhausen im Mai 2021

Kantig aber auch schwerfällig

Kevin Behrens hatte so seine Startschwierigkeiten beim SVS. Sandhausen gehörte nie zu den Teams in der 2. Liga, die durch feinen, technisch anspruchsvollen Fußball auffielen. Allein der holprige Rasen im Hardtwald-Stadion ließ diese Art Fußball zu spielen gar nicht zu. Behrens war ein wuchtiger, kopfballstarker Stürmer. Einer, der arbeitete, aber auch einer, dem viele technische Fehler unterliefen. Ein typischer SVS-Transfer in diesen Zweitliga-Zeiten. Umso erstaunlicher war sein Wechsel 2021 zu Union Berlin. Die Köpenicker waren der aufstrebende Verein der Liga. Aus den Niederungen und aus dem Abstiegskampf der 2. Liga hoch zu einem Club, der bald international spielen sollte? Ein großer Schritt und wieder verbunden mit der Frage: "Was wollen die denn mit dem?"

In Berlin zum Top-Stürmer gereift

Kontinuierlich hat sich Kevin Behrens verbessert. In Berlin zuerst auch nur Ergänzungsspieler hat sich der mittlerweile 32-Jährige zum Stammspieler beim Championsleague-Teilnehmer entwickelt. In der Bundesliga erzielte er in dieser Saison schon vier Treffer und stand in den ersten sieben Spielen immer in der Startelf, obwohl die Eisernen in Kevin Volland, Mikkel Kaufmann, Benedict Hollerbach und David Fofana viel Konkurrenz verpflichteten.

Nagelsmann braucht Kevin Behrens

"Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht mal gedacht, dass ich es noch in die Bundesliga schaffe", gibt Behrens während einer Medienrunde beim DFB-Team in den USA offen zu. "Ich bin sehr, sehr stolz darauf, dass ich nie aufgegeben und immer an mir gearbeitet habe", sagt Behrens in kurzen Hosen, Badelatschen und Brillie-Stecker in seinen Ohren. Auch hier hebt sich Behrens, Vater von drei Kindern, der auch lieber mit dem Fahrrad zum Training bei Union Berlin kommt und nicht wie die meisten Kollegen im dicken Auto, von vielen Kollegen ab. Behrens passt nicht so wirklich ins Bild der sonst so durchgestylten Fußballer Blase.

Auch beim DFB zunächst Ergänzungsspieler

Kevin Behrens wird sich beim DFB zwar erst einmal hinter Niclas Füllkrug anstellen müssen. Doch der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann ist von seinen Fähigkeiten überzeugt. Er sei im Anlaufen, aber auch in der Luft stark: "Das hilft, wenn wir Gegner haben, die tief verteidigen, und wir noch ein Tor brauchen." Behrens, der perfekte Joker also? Gut möglich, dass Behrens schon in Hartford gegen die USA (Anpfiff Samstag, 21:00 Uhr MESZ) seine ersten Minuten im DFB-Trikot bekommt. Fakt ist: Viele, auch der Autor dieser Zeilen, haben spätestens jetzt aufgehört zu sagen: "Was wollen die denn mit dem?"