Sven Mislintat und Wataru Endo

Fußball | Bundesliga Ist beim VfB Stuttgart Mislintats Tafelsilber bald weg? Eine Analyse

Stand: 23.08.2023 10:30 Uhr

Nach Wataru Endo, den es zum FC Liverpool zog, hat nun auch Konstantinos Mavropanos den VfB Stuttgart verlassen - in Richtung West Ham United. Die Kassen klingeln zwar beim schwäbischen Traditionsklub, doch manche Fans treibt eine diffuse Sorge um.

"Wen verkaufen wir eigentlich, wenn wir Sven Mislintats (ehemaliger Sportdirektor, Anm. d. Red.) komplettes Tafelsilber veräußert haben?" Oder: "Bald haben wir Mislintats Erbe verscherbelt!" Nur zwei Äußerungen von vielen. Wer bei Social Media rund um den VfB Stuttgart aktuell in die Kommentarspalten schaut, stößt auf zahlreiche ähnliche Posts. Die Anhänger der Schwaben treibt die Sorge um, dass der VfB Stuttgart seine Leistungsträger für viel Geld verliert, diese aber nicht adäquat ersetzen werden.

YouTube-Video von SWR Sport Fußball : "Krasser Fan-Marsch, krasser Sieg: Stuttgart schlägt Bochum 5:0 - DEIN VfB #78 | SWR Sport"

Die zahlreichen Millionen-Abgänge der letzten Jahre werden dabei vor allem dem ehemaligen Sportdirektor Sven Mislintat zugeschrieben. Dieser galt als "Diamanten-Auge" und genießt einen hervorragenden Ruf. So mancher VfB-Fan trauert Mislintat heute noch nach. Doch war es wirklich in erster Linie Mislintat, der die Spieler, die später Millionengewinne brachten, preiswert entdeckte? SWR Sport hat die teuersten Stuttgarter Abgänge der letzten fünf Jahre unter die Lupe genommen.

Sven Mislintat

Bei den aktuellen Abgängen Wataru Endo (für knapp 20 Millionen Euro plus Boni zum FC Liverpool) und Konstantinos Mavropanos (rund 20 Millionen Euro plus Boni zu West Ham United) ist die Sachlage klar. Sie sind Mislintat-Transfers. Endo holte er im Sommer 2019 vom belgischen Verein VV St. Truiden nach Stuttgart. Die Ablösesumme damals soll bei rund 1,7 Millionen Euro gelegen haben.

Mavropanos wurde von Mislintat im Sommer 2020 von Arsenal London an den Neckar gelotst - erst per Leihe, später wurde er für 3,2 Millionen Euro fest verpflichtet. Zwei Transfers, die sich sportlich ausgezahlt haben und finanziell eine hohe Rendite abwarfen.

Naouirou Ahamada gehört ebenfalls zu den Spielern, die Mislintat entdeckt hat. Der junge Franzose wechselte im letzten Winter für zwölf Millionen Euro zu Crystal Palace. Gekommen war er 2021 für 1,5 Millionen Euro von der U23 von Juventus Turin.

Auch der im Sommer 2022 für 18 Millionen Euro nach Wolverhampton gewechselte Sasa Kalajdzic war ein Mislintat-Neuzugang. Der Österreicher war 2019 für eine Ablösesumme im mittleren siebenstelligen Bereich von Admira Wacker Wien gekommen. Ebenso war Mislintat für die Verpflichtung von Gregor Kobel verantwortlich, den es 2021 nach zwei Jahren beim VfB zu Borussia Dortmund zog und der 15 Millionen Euro einbrachte.

Michael Reschke

Michael Reschke stieg im August 2017 beim VfB Stuttgart als Sportvorstand ein - und blieb auf diesem Posten bis Februar 2019. Er hatte durch den Einstieg von Mercedes viel Geld zur Verfügung - und legte es nicht nur glücklich an. Doch auch Reschke gelangen Treffer mit Wertsteigerung. So zeichnete er sich für die Einkäufe von Nicolás González oder Ozan Kabak verantwortlich, die später auch viel einbrachten. Kabak, der rund elf Millionen Euro gekostet hatte, ging nach dem Abstieg 2019 für 15 Millionen Euro zum FC Schalke 04. Die Dienste von González (ebenfalls elf Millionen Euro) waren dem AC Florenz 2021 24,5 Millionen Euro wert. Auch Santiago Ascacibar verpflichtete Reschke einst für sechs Millionen Euro. Der Argentinier wurde später für zehn Millionen Euro an Hertha BSC abgegeben. Der Rheinländer hatte indes auch teure Flops wie Pablo Maffeo zu verantworten.

Jan Schindelmeiser

Das Wirken von Jan Schindelmeiser beim VfB Stuttgart ist schon etwas länger her. Vom 8. Juli 2016 bis zum 4. August 2017 war er als Vorstand Sport für die Schwaben tätig - bevor er Platz für Reschke machen musste. Auch Schindelmeiser bewies gutes Gespür bei neuen Spielern. So verpflichtete er 2016 den damals unbekannten Benjamin Pavard vom OSC Lille. Der Rest ist Geschichte. Pavard wurde beim VfB zum Nationalspieler, er wurde mit Frankreich als Stammspieler 2018 Weltmeister und er wechselte 2019 für 35 Millionen Euro zum FC Bayern München. Bis heute der Stuttgarter Rekordverkauf.

Schindelmeiser verpflichtete 2017 auch Orel Mangala als Wunschspieler des damaligen Trainers Hannes Wolf. Der belgische Mittelfeldspieler kam von der U21 des RSC Anderlecht, entwickelte sich in der Schwaben-Metropole prächtig und wechselte im Sommer 2022 für 13 Millionen Euro zu Nottingham Forest.

Fabian Wohlgemuth

Fabian Wohlgemuth ist seit dem 3. Dezember 2022 Sportdirektor beim VfB Stuttgart, er folgte auf Sven Mislintat. Seine Wintertransfers Gil Dias und Genki Haraguchi floppten, unter den Zugängen für die neue Spielzeit sind einige Leihen, mit und ohne Kaufoption. Die vakanten und neuralgischen Positionen hat Wohlgemuth früh abgedeckt, mit Alexander Nübel kam ein neuer Stammtorhüter, mit Deniz Undav ein torgefährlicher Stürmer.

Nach den Abgängen von Endo und Mavropanos muss Wohlgemuth nun zeitnah adäquaten Ersatz finden. Der Druck ist auf jeden Fall da, jetzt muss er liefern. Seine Schonzeit ist vorbei.

Fazit

Es gab in den letzten Jahren zwar auch zahlreiche Fehlgriffe - und zwar für Schindelmeiser, Reschke, Mislintat und Wohlgemuth. Sehr viele Spieler entwickelten sich indes prächtig und wechselten zu namhaften Klubs. Alle Sportdirektoren oder Sportvorstände vor Wohlgemuth hatten echte Juwelen unter ihren Einkäufen, die ihren Wert massiv steigern konnten. Mislintat hatte hierbei zwar die beste Quote, hatte aber auch die längste Amtszeit und zahlreiche Spieler zu verantworten, die (noch) nicht zündeten, etwa Ömer Beyaz, Alou Kuol, Luca Pfeiffer oder Mateo Klimowicz. Mislintats Wirken wird wohl von so einigen VfB-Anhängern rückblickend etwas glorifiziert.

Jedenfalls muss sich der VfB keine Sorgen machen. Tafelsilber ist noch vorhanden. Hiroki Ito (von Mislintat geholt, Wohlgemuth hat mit dem Japaner jüngst bis 2027 verlängert), Borna Sosa (Reschke), Serhou Guirassy (Mislintat) oder Enzo Millot (Mislintat) stehen bereits seit längerem im Fokus von Topklubs. Sie dürften dem VfB in Zukunft ebenfalls viel Geld einbringen.

Wohlgemuth steht jetzt in der Verantwortung, Spieler zu finden, die diesen Weg fortschreiten können. Akteure, die sportlich sofort helfen, aber auch Wertsteigerungspotenzial besitzen. Eine Herausforderung - aber eine, die seine Vorgänger bewältigt haben. Die Zeit wird zeigen, ob es auch Wohlgemuth gelingt, gute Lösungen zu finden. Neues Tafelsilber sozusagen. Einen Vertrauensvorschuss hat er jedenfalls verdient - auch in den Kommentarspalten im Netz.